The New Normal? mit Prof. Dr. Heike Bruch

Covid 19 – und danach?
Diese Woche erfahrt ihr, was Prof. Dr. Heike Bruch, Professorin für Leadership an der Universität St. Gallen und Direktorin des Instituts für Führung und Personalmanagement (IFPM), im Gespräch mit dem prisma zu sagen hat.

Prof. Dr. Heike Bruch - Institut für Führung und Personalmanagement. Universität St. Gallen

Wie die Zukunft des Online-Betriebes an der Universität St. Gallen aussehen könnte, welche Chancen die gegenwärtigen Veränderungen bieten und wieso die Zukunft der HSG womöglich im „Blended Learning“ liegt, erfahrt ihr im folgenden Interview.

Inwiefern veränderte sich ihre Arbeit durch die gegenwärtige Corona-Krise?

In unserem Institut gestaltet sich die Arbeit bereits seit vielen Jahren weitgehend flexibel. Die Post Docs arbeiten vielfach aus dem Homeoffice an verschiedenen Standorten in der Schweiz, aber auch im Ausland. Auch internationale Forschungsaufenthalte und längere Abwesenheiten zählen zum normalen Arbeiten am IFPM. Bei den meisten anderen Mitarbeitenden des Instituts gestalten sich die Zeiten im Homeoffice meist weniger umfangreich, doch auch sie können nach individueller Absprache frei flexibel und remote arbeiten, beispielsweise während bestimmter Forschungsphasen. Somit haben auch die Doktoranden und Assistierenden Erfahrungen mit Arbeit aus dem Homeoffice. Ich selbst bin meist viel unterwegs und arbeite ebenfalls öfter im Homeoffice. Daher sind es alle Teammitglieder gewohnt, auch virtuell mit mir und miteinander zusammen zu arbeiten und gewisse Zeiten mit weniger persönlicher Interaktion, erfolgreich zu gestalten. 

Vor diesem Hintergrund hat die Corona-Krise durch die Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice keine vollkommen neue Situation herbeigeführt, sondern die Ausprägung der virtuellen Arbeit lediglich verstärkt. Wichtig bei dieser Virtualität ist die tolle Teamkultur und das Vertrauen im Team. Darauf haben wir schon immer besonderen Wert gelegt und wir investieren sehr viel in den Teamzusammenhalt am Institut. Das hilft generell bei unserer New Work Zusammenarbeit und ist auch in dieser Krise existenziell. Jetzt helfen besonders die persönlichen Beziehungen, die Rituale und die Erfahrung mit New Work, die wir über lange Zeit entwickelt haben.

Was ist Ihre Meinung zum Online-Lehrbetrieb, wo gibt es noch Schwachstellen und was läuft besonders gut?

Durch ein frühzeitiges Krisenmanagement, bei dem wir uns auf verschiedene mögliche Szenarien vorbereitet haben, konnten wir die Umstellung auf den Online-Lehrbetrieb vom ersten Tag an erfolgreich meistern. Mit gemeinsamer Energie haben wir bereits am ersten Montag des Shutdown die Bachelor-Vorlesung „Leadership and Human Resource Management“ sowie die dazugehörigen Übungen digital angeboten. Bereits eingeladene Gastdozierende wurden remote in die Online-Vorlesungen zugeschaltet und die geplanten Leistungsnachweise für des Moduls wurden zügig an die Situation angepasst. 

Dies war einer der schwersten Schritte, denn unsere Vorlesung endet schon vor dem Break, so dass wir sehr früh dran waren und gleichzeitig eine Massenprüfung vor dem Semesterende anbieten wollten. Aber gemeinsam mit dem Studiensekretariat haben wir auch hier eine kreative und sehr gute Lösung gefunden.

Die aktuelle Situation zeigt, wie flexibel und innovativ moderne Technik im Lehrbetrieb eingesetzt werden kann und wie wichtig es für Universitäten ist, mit dem rasanten technologischen Fortschritt der vergangenen Jahre mitzuhalten. Aus meiner Sicht bietet die Online-Lehre große Chancen: Studierenden und Lehrenden gibt sie die Möglichkeit flexibel und mobil zu arbeiten und zu lernen, Fahrzeiten beispielsweise für remote zuschaltbare Gastdozierende entfallen und die papierlose Lehre kann zur Realität werden. Zudem werden so zusätzlich die Online-Kompetenzen aller Beteiligten gefördert.

Gleichzeitig würde ich den Präsenzunterricht an der Universität nicht durch Online-Lehre ersetzen. Die direkte Interaktion der Personen in gemeinsamen Vorlesungssälen und Seminarräumen ist nicht vergleichbar mit einer digitalen Session per Online-Tool. Viele Lernerfahrungen entstehen nur im persönlichen Austausch vor Ort.

Nach der Krise werden wir verstärkt blended Learning-Formate anbieten, um die Vorteile beider Lernformate zu nutzen. Dabei werden wir gerne die Erfahrungen und Feedbacks der Studierenden einbeziehen, um gemeinsam die besten Lösungen zu erarbeiten. 

Hatten Sie persönlich Schwierigkeiten mit der Umstellung auf Online-Betrieb sowie der Aussetzung des Kontaktstudiums, wenn ja an welchen Stellen?

Ich hatte schon vorher Erfahrung mit Online-Teaching. Daher war für mich die Umstellung nicht so gross. Gleichzeitig mag ich persönlich sehr gerne die Interaktion und den direkten Austausch mit Studierenden im Hörsaal. Da unsere Vorlesung drei Stunden dauert und eine Grossveranstaltung ist, fand ich dies etwas herausfordernd – vor allem für die Studierenden. Aber ich wurde positiv überrascht, denn es kamen unglaublich viele Fragen über die Chatfunktion, aber auch im Dialog. 

Besonders fordernd fand ich selbst auch ein ganztägiges Doktorandenseminar. Da viele Referaten und Diskussionen dabei waren, ist die Zeit schnell vergangen und das Seminar war sehr inspirierend. Aber ich fand es anstrengend, die ganze Zeit in den Bildschirm zu schauen, teils im Sitzen, teils im Stehen. Viele Pausen, Interaktionsanteile und der der Wechsel der Referenten waren hierbei Gold wert.  

Ein Fazit daraus: Das richtige Mass an Input und Interaktion muss für jede Veranstaltung individuell und passend für die jeweils Teilnehmenden gefunden werden. Auch bei diesen Herausforderungen ist die Unterstützung im Team ein entscheidender Faktor. Durch den Austausch von Erfahrungen und Best Practices innerhalb des IFPM und auch darüber hinaus lernen wir schnell voneinander. Und wir probieren zurzeit noch vieles aus. 

Eine Erfahrung mache ich dabei bei allen Formaten, z.B. auch bei wiederum anderen Formaten wie dem Webinar, das ich in der HSG-Webinarreihe zu Leadership im Zuge der Corona-Krise gegeben habe; Es dauert länger, digital zu unterrichten und sich im Dialog sinnvoll auszutauschen. Man darf den Kanal nicht überstrapazieren und muss sich extrem fokussieren. 

Denken Sie, der Online-Lehrbetrieb hat eine Zukunft an der HSG und denken Sie das Elemente davon erhalten bleiben und auch zukünftig mehr auf virtuelles Lehren sowie Lernen gesetzt wird?

Auf jeden Fall. Ich bin fest überzeugt und werde dazu auch beitragen, dass wir unsere Lehr- und Lernformate weiter modernisieren und dabei das Beste aus der digitalen Welt stärker mit einbeziehen als bisher. 

Zukunftsfähig ist besonders die Veränderung des reinen Präsenzbetriebs der Universität hin zum sogenannten Blended Learning, also der Verbindung zwischen E-Learning und Präsenzveranstaltungen. Dabei wird der Präsenzunterricht nicht ausgewechselt, sondern lediglich erweitert. Das gemeinsame Miteinander am Campus, Seminare, in denen alle Studierenden präsent sind, der persönliche Austausch – all das kann und sollte durch Onlineformate nicht ersetzt werden. 

Wo sehen Sie die Universität sowie ihre Studierenden in ein bis zwei Monaten und was sind ihre persönlichen Gedanken hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Krise?

Die Universität hält sich in Bezug auf die Öffnung selbstverständlich an die Vorgaben der Politik. Demnach wird die Uni, wenn alles gut läuft ab dem 8. Juni wieder den Präsenzbetrieb aufnehmen können. Social Distancing wird jedoch noch eine lange zeit zu unserem Alltag gehören müssen. Ich achte darauf an unserem Institut sowie in unseren geplanten Weiterbildungsprogrammen mit Führungskräften, und lebe dies auch selbst vor. 

So sehr ich mein Team und den gewohnten Austausch vermisse, so sehr habe ich auch grossen Respekt vor dem Virus und möchte niemanden in unnötige Gefahr bringen. Die HSG geht aus meiner Sicht sehr vorbildlich, verantwortungsvoll und abgewogen mit der Krise um. Das gefällt mir und ich fühle mich in dieser schweren Zeit gut aufgehoben in der Gemeinschaft unserer Uni.

Einen besonderen Fokus legt die HSG als führende Wirtschaftsuniversität auch auf die Entwicklungen außerhalb der Universität und damit auf die weltweite Wirtschaft. So trägt auch unser Institut derzeit in der Lehre, aber auch in der Forschung dazu bei, Wissen zu generieren, das Impact hat, auf die Bewältigung der Krise. Ganz konkret forschen wir gemeinsam mit führenden Unternehmen an der Frage, wie Leadership und New Work in der Krise gestaltet werden sollten. Und wir betrachten, wie jetzt bereits Weichen gestellt werden können, um die positiven Lerneffekte aus der Krise anschliessend in die Kultur zu integrieren und in den Unternehmen nicht in teils verkrustete Muster zurück zu fallen. Interessanterweise sind wir selbst in dieser besonderen Zeit mit viel mehr Speed und Dynamik unterwegs. D.h. unsere Artikel kommen viel schneller in Zeitschriften, Interviews werden zügiger gedruckt und online werden neueste Erkenntnisse rascher geteilt. Das ist eine tolle Erfahrung und es ist sehr gut noch mehr zu spüren, wie stark das Wissen derzeit gebraucht und geschätzt wird. Das motiviert besonders.

Was sollten wir alle Ihrer Meinung nach aus dieser Krise mitnehmen? 

Für mich sind es drei Dinge: 

1. Der Speed und die pragmatische oder teils spielerisch-experimentelle Arbeitsweise, 

2. die besondere Solidarität und Wertschätzung für menschliche Aspekte und 

3. die digitalen Lernchancen. 

Was möchten Sie den Studierenden unserer Universität in diesen schwierigen Zeiten mit auf den Weg geben? 

Zuallererst wünsche ich ihnen und ihren Lieben Gesundheit und das Beste in dieser schweren Zeit. 

Darüber hinaus hoffe ich, dass sie viel für sich und die persönliche Entwicklung lernen. Die Einstellung zu Change, zu Verantwortung und den verantwortungsvollen Umgang mit Krisen. Ich hoffe, dass sie gute Vorbilder für Leadership erleben, aber auch ganz klare Bilder für schlechte Führung mitnehmen und selbst Verantwortung in dieser Zeit übernehmen – für sich und andere. 

Und schliesslich ist meine persönliche Mission: Sie mögen auf sich aufpassen und gucken, dass es ihnen gut geht – emotional. Nutzen Sie die Zeit, um zu reflektieren, was ihnen wirklich wichtig ist, und das umso mutiger verfolgen, beschützen und mit viel Mut zu ihrem persönlichen Fokus machen. 

Alles Gute euch allen!

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