Sie «sehen» was, was wir nicht sehen – Blindengerechte Uni!?

Chancengleichheit und Barrierefreiheit. Was bedeutet es, die HSG mit einer Sehbehinderung zu erleben? Wie kann die Uni Unterstützung leisten? Und ist sie darauf überhaupt vorbereitet?

Blindenleitsystem (zVg)

Sie «sehen» was, was wir nicht sehen, und das ist weiss, am Boden und leicht erhoben: Ein taktil-visuelles Blindenleitsystem, welches einem Laien wie mir bisher nie aufgefallen ist. Es führt seheingeschränkte sowie blinde Menschen mittels farblicher Kontraste und räumlicher Erhebungen vom Hauptbahnhof aus an Orte wie beispielsweise die Post und findet sich an sämtlichen Bushaltestellen der Stadt wieder. So auch an der Haltestelle Uni/Gatterstrassevon da führt eine Linie zu Aula und Hauptgebäude der HSGDoch ein Studium an dieser Uni ohne oder mit nur schlechtem Sehvermögen – geht das überhaupt? 

Chancengleichheit – Special Needs Stelle der HSG 

Ein häufig debattiertes Thema und ein zugleich umstrittenes Wort – die Chancengleichheit. Für den einen mag sie ein zu erreichendes Optimum sein, für den anderen ein angestrebtes Ideal, welchem sich durch Chancengerechtigkeit genähert werden kann. An der HSG bedeutet dies, jedem Studierenden möglichst gleiche Ausbildungschancen bieten zu können. Betroffenen soll dies unter anderem durch einen Nachteilsausgleich ermöglicht werden. 

«Wie ein Nachteilsausgleich aussieht, ist nicht zu pauschalisieren. Es müssen immer individuelle Lösungen gefunden werden, da jeder Mensch individuelle Herausforderungen und folglich auch unterschiedliche Bedürfnisse hat. Keinesfalls darf aber das Leistungsziel angepasst werden.»
(Dr. Regula Dietsche, Leiterin Diversity & Inclusion) 

So kann bei Vorliegen eines ärztlichen Attests beispielsweise eine Absprache mit den jeweiligen Dozierenden erfolgen, damit Betroffene eine Erlaubnis zur Tonaufnahme und Zugang zu Skripten bereits vor den Vorlesungen bekommen. Letzteres könne somit vor dem Unterricht mit einem sogenannten Screenreader, einem elektronischen Vorleseprogram, zu Verfügung gestellt werden. In besonderen Fällen könnte zudem für Vorlesungen ein sogenannter Notetaker angestellt werden, der während des Unterrichts Notizen für den Studierenden erstellt. Auch für Prüfungen können individuelle Vorkehrungen getroffen werden: So besteht die Möglichkeit, für betroffene Studierende einen separaten Raum zu organisieren, mehr Zeit zur Bearbeitung der Aufgaben zu bekommen und diesen rein mündliches Prüfungsformatanzubieten. 

Barrierefreiheit 

Doch nicht allein der Nachteilsausgleich soll Studierenden mit Sehbehinderung helfen, möglichst fair in den Studienalltag der HSG inkludiert zu werden. Ein weiterer, wichtiger Faktor in allen Alltagssituationen ist die Barrierefreiheit. 

«Wenn wir von Barrierefreiheit sprechen, dann nicht nur von der räumlichen, architektonischen, sondern auch von der virtuellen, elektronischen.» (Dr. Regula Dietsche) 

Fenster in Gängen sind zum Teil so konstruiert, dass sie sich in Durchgangszonen lediglich kippen lassen. Damit soll gewährleistet werden, dass niemand in ein offenes Fenster laufen könnte. Auch bei den Treppen der Universität lassen sich architektonische Details erkennen, die einem sehfähigen Menschen nicht so leicht auffallen würden. So gehen die Geländer der Treppen zum Beispiel über die jeweils erste und letzte Stufe hinaus. Zudem ist auf eben diesen eine Markierung am Boden angebracht, um Anfang und Ende einer Treppe erkennbar zu machen. Die derzeitige Situation jedoch betrachtend, wobei kein Präsenzunterricht mehr am Campus stattfinden darf, ist die angesprochene, elektronische Barrierefreiheit von grosser Wichtigkeit. Das Programm Zoom, über welches alle Vorlesungen derzeit abgehalten werden, ermöglicht Nutzern beispielsweise eine barrierefreie Bedienung über sogenannte Shortcuts. Dies sind Tastenkombinationen, mit welchen verschiedene Funktionen ausgeführt werden können. 

Ist die Uni vorbereitet? 

Derzeit sind der Stelle für Special Needs keine Studierenden an der HSG bekannt, die blind sind. Jedoch melden sich ab und an Studierende bei der Stelle für Special Needs, die in ihrer Sehfähigkeit stark beeinträchtigt sind und um Unterstützung seitens der Uni bitten. So wird diesen neben einer vollumfänglich angestrebten Barrierefreiheit sowie Hilfestellung für Vorlesungen und Prüfungen zum Beispiel eine Campusbegehung mit einem Mobilitätstrainer angeboten. Sehbeeinträchtigte können so den Campus auf individuell angepasste Weise erleben und kennenlernen. 

Doch auch die HSG ist kein Ort der PerfektionEin Blindenleitsystem in der Uni existiert beispielsweise nicht. Auf die Frage, ob die Uni auf blinde Studierende vorbereitet sei, antwortet Frau Dr. Dietsche, dass die vollumfängliche Inklusion ein immer andauernder Prozess sei. So steht die Stelle für Special Needs stets neuen Herausforderungen gegenüber und begegnet zugleich immer wieder neuen Möglichkeiten. 

Ein Blindenleitsystem zur Uni, Fenster, die nicht komplett geöffnet werden können, und über die Treppen hinausragende Geländer – sie was, was wir nicht sehen, zumindest etwas, das uns bis hier her noch nicht aufgefallen ist. 

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