Was von einer Reise wirklich hängen bleibt

Kurze Einführung: Wie so oft tauchte vergangen November in meinem Postfach ein Vereins-Newsletter der Uni auf. Der Titel „Join P.I.E.C.E.S Project in Nicaragua“ machte mich allerdings neugieriger als das sonst bei den zahlreichen Rundschreiben der Fall ist und ein Klick kann bekanntlich nicht schaden. Nach der Betrachtung der Mail, in der der Verein P.I.E.C.E.S die Möglichkeit bot, im April für drei Wochen an einer Schule in Nicaragua Englisch zu unterrichten, war mir klar, dass nun auch für mich die Zeit extracurricularer Aktivitäten gekommen war. Eine Woche vor Beginn des Breaks begab ich mich also mit drei Studentinnen der HSG auf die Reise nach Nicaragua, um dort an einer Bilingual School Englisch-Unterricht zu geben. Die Schule befand sich auf der Insel Ometepe im größten See Nicaraguas und fällt infolgedessen wohl in die Kategorie “sehr abgelegen”.

Dies soll kein Reiseprotokoll werden. Vielmehr möchte ich die drei Anekdoten aufschreiben, die mich persönlich am meisten geprägt haben.

Das 3-Uhr-Nacht Schulboot

Der motivierte HSG-Student wird dieses Gefühl kennen: morgens um sieben klingelt der Wecker, kurzer Besuch im Badezimmer, eventuell Frühstück und dann auf zur Bushaltestelle oder direkt zu Fuß zur Uni, um pünktlich um 08:15 Uhr dem Wissenserguss des Dozenten lauschen zu können. Mag sich dieses Szenario, für den ein oder anderen schon nach einer morgendlichen Tortur anhören, kann ich demjenigen dennoch zu seinem Glück gratulieren.

Der motivierte Schüler Ometepes wird zum fakultativen Englisch-Unterricht pünktlich um drei Uhr nachts geweckt, um das motorbetriebene Holzboot gen Festland nicht zu verpassen. Nachdem diese “Fähre” einen sicher abgesetzt hat, gilt es den Bus zu erwischen, der die Schüler in die nächstgelegene Stadt bringt. Mittlerweile sollte auch die Sonne aufgegangen sein. In dieser Stadt steigt man nun in den nächsten Bus um, der schließlich nach rund eineinhalb Stunden Fahrt den Zielort erreicht. Dort genügt ein kurzer Fußmarsch, um ebenfalls pünktlich um 08.00 Uhr der Englisch-Stunde beizuwohnen.

Zugegeben, diesen Schulweg nimmt nur eine Minderheit der Kinder auf sich. Dennoch ist es für talentierte und ambitionierte Schüler, die einzige Möglichkeit ein Englischniveau zu erreichen, dass für die Aufnahme an der Universität benötigt wird. Andere Länder, andere Sitten!

Welcher Ball?

Der Unterrichtsblock am Morgen wurde in der Regel überwiegend von Jungs, im Alter von neun bis elf besucht und da ich natürlich nicht die strenge, unnahbare Lehrkraft geben, sondern auch Spass und Freude vermitteln wollte, lag es für mich auf der Hand, nach dem Unterricht noch einen Unterhaltungsblock einzufügen. Fiel dieser an den ersten Tagen noch sehr improvisiert aus (Papierflieger-Wettbewerbe), so war ich davon überzeugt, dass eine Partie Fussball wohl das einfachste Mittel ist, um einem Jungen ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Als ich aber die Kinder bat am nächsten Tag einen Ball mitzubringen, starrten mich nur verdutze Gesichter an. “Was für einen Ball?” lautete die gängige Frage. Keines der Kinder besass überhaupt einen Ball. Für mich im ersten Moment unvorstellbar, immerhin war ich überzeugt, dass jedes Kind wenigstens einen ballähnlichen Gegenstand besitzen sollte. Da Fussball ohne Spielgerät eine ziemlich fiktive Angelegenheit bleibt, machte ich mich in den folgenden Tagen auf die Suche nach einem Ball, blieb in der näheren Umgebung allerdings erfolglos. Erst als wir am Wochenende eine größere Fahrradtour unternahmen, konnte ich in einem Geschäft einen Fussball ergattern. Dieser wurde allerdings nach zwei Tagen leider wieder geklaut.

Obwohl Fussball in nur zwei unserer Spielstunden Einzug fand, muss ich sagen, dass ich selten das Gefühl verspürte, von unglücklichen Kindern umgeben zu sein. Die Kreativität, Begeisterung und Handlungsfreude die viele der jungen Mitstreiter an den Tag legten, findet sich in Europa wohl leider nur noch selten.

Fischessen Nica-Style

Kurz vor Ende unserer zweiten Woche auf Nicaragua, kamen wir vier HSGler in den Genuss eines echten nicaraguanischen Essens. Einer der Schüler hatte uns zu sich nach Hause eingeladen, um dort mit uns Fischen zu gehen und anschliessend den Fang zu verköstigen. Allein das Fische fangen war schon ein Abenteuer, lässt sich aber nur schwer angemessen in Worte fassen. Was jedoch wirklich einen tiefbleibenden Eindruck hinterliess, war die Gastfreundschaft, die uns entgegen gebracht wurde. Die einheimische Familie bemühte sich uns wirklichen jeden Wunsch von den Lippen abzulesen und das obwohl sie uns zum ersten und wohl letzten Mal sah. Von Neid auf die reichen Touristen aus Europa keine Spur und trotz leichter sprachlicher Differenzen, waren die Gastgeber mehr als gewillt (und erfolgreich) eine unterhaltsame Konversation aufrecht zu erhalten Die Krönung dieses Bemühens war für mich die Tatsache, dass die Mutter der Familie sich mehr oder weniger weigerte selbst einen Fisch zu essen, da sonst nicht für jeden von uns zwei Fische übrig geblieben wären. Auch das Versichern, dass man damit überhaupt kein Problem habe, half nichts.

Was blieb nun von meiner Reise hängen? Im Kern ist es Inspiration. Die Bewusstseinserweiterung, die ich in dieser kurzen Zeit erfahren konnte – die mir mal wieder verdeutlicht hat, wie viel sich ausserhalb des kleinen HSG-Kosmos abspielt und mit welchen Luxusproblemen wir zu kämpfen haben – hoffe ich als Inspiration und Motivation erhalten zu können, um in Zukunft jene Kleinigkeiten, die ich bisher als selbstverständlich abgestempelt habe, bewusster und intensiver erfahren zu können.

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MEHR DAZU


1 Comment

  • Hess

    Respekt Sebi!! Musst mir unbedingt mehr ezählen wenn du wieder in Forst bist.

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