Three days in May – Ein Rückblick

Future Leaders of Tomorrow vs. Leaders of Today

„Besonders beeindruckend finde ich ja, wie adrett alle Studenten und Helfer gekleidet sind.“ Die Überraschung, die sich in den Worten des Chairman des 41. St. Galler Symposiums Lord Griffiths of Fforestfach ausdrückt, bringt viel vom Geist der „Three Days in May“ zum Ausdruck. Den Spitzenführungskräften geht es weniger um Aussehen, als vielmehr um das Wesentliche. Sein statt Schein, Inhalt statt Hülse, echte Überzeugung statt nichts dahinter war der Grundtenor des letzten Symposiums.

Die am Symposium gewonnenen Eindrücke sind so vielfältig, dass sie sich kaum in Worte fassen lassen. Da war zum Beispiel die Work-Session zum Thema „Problems of military interventions“. Selten hat sich die Kluft zwischen europäischer Politiktheorie und nahöstlicher tatsächlicher Krisenpraxis deutlicher gezeigt wie in dieser Diskussion. Auf der einen Seite die Future Leaders of Tomorrow, allesamt „herausragende Studenten“ (ISC-Information), viele mit Bachelor- und Masterabschluss von Stanford, Harvard und Oxford – auf der anderen Seite Ulrich Tilgner und Michael Erwin, ein Journalist und ein Westpoint Major, die beide unter anderem in Afghanistan und Irak gearbeitet haben. Während die Studenten überraschend vehemente Befürworter der militärischen Einsätze in Lybien und Afghanistan waren, sprachen sich die beiden welterfahrenen Symposiumsgäste gegen eine solche Interventionspolitik aus. Nicht einmal mit dem Argument, durch die Unterstützung von NGOs könnten die Militäreinsätze zu Gutem führen, liess sich Tilgner rumkriegen: „In Afghanistan hat es etwa 1500 NGO’s – aber maximal fünf oder sechs machen sinnvolle Arbeit. Gerade mal fünf Prozent der zur Verfügung gestellten Gelder kommen bei den Menschen an!“

Zusammenprall der Kulturen

Spannend auch die Auseinandersetzung mit den Future Leaders of Tomorrow. Einer von der Credit Suisse veröffentlichten Umfrage zufolge sind fast die Hälfte der Befragten der Meinung, dass der Staat jetzt nach der Krise die völlige Oberhand über die Wirtschaftspolitik haben sollte. Wirklich überraschend ist aber – und das sollte zu denken geben – dass 75% der Studenten der Meinung sind, dass das politische System ihres jeweiligen Landes grundlegend reformbedürftig ist.

Möglicherweise ist das ja der wahre Grund, warum sie zum Symposium wollten: Die gesamte Stimmung an diesen drei Tagen stellte Nährboden dar für fruchtbare Gespräche und Diskussionen, nicht nur zwischen den Generationen, auch zwischen Vertretern völlig unterschiedlicher Kulturkreise. Eine Überraschung für die prisma-Vertreter war es, als die Chinesin Huang Hung ihren Interviewtermin absagte. „Sie meinte, sie müsse noch ein paar Artikel korrigieren“ teilt die ISC Verantwortliche kurz vor dem vereinbarten Termin mit. Dieser Zusammenprall der Kulturen sollte jedoch nicht der einzige bleiben. Wie sollte es auch anders sein bei einem Event, an dem so unterschiedliche Figuren wie Robert Dudley (BP-Chef), Johan Galtung (Transcend-Gründer) und Riz Khan (Al-Jazeera Nachrichtensprecher) aufeinander treffen?

Viele Worte liessen sich verlieren darüber, warum das 41. St. Galler Symposium ein derartiger Erfolg war – seien es Themen, Stimmung oder Menschen – aber eigentlich bleibt nur zu sagen: Wer irgendwie kann, sollte versuchen möglichst nah an das Symposium heranzukommen. Sei es als Mitglied im ISC #42, als Helfer oder gar als Teilnehmer: Diese bereichernde Erfahrung vergisst man so schnell nicht.

In einer früheren Version dieses Artikels hiess es, Hung hätte “Artikel zensieren” müssen. In Wirklichkeit musste sie lediglich Schreibarbeiten korrigieren. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Bildmaterial zur Verfügung gestellt von Simon Desarenz: simondesarzens.blogspot.com/

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5 Comments

  • Tristan

    Also auch ich bin der Ansicht, dass man gerade das Symposium nicht so einseitig-euphorisch betrachten darf. Dass der Ansatz und die meisten Kerninhalte zu befürworten sind kann man so stehen lassen (ob die Veranstaltung generell sinnvoll ist und unsere Gesellschaft in irgendeiner Form voran bringt, ist dagegen sicher streitbar). Aber gerade dann muss seriöser Journalismus auch hinterfragen wie die Organisation und der Ablauf konstruiert ist und nicht dem widerstandslosen Strom allgemeinen Geplänkels und der Selbstbeweihräucherung des ISC folgen. Hier darf man ruhig etwas investigativer sein und einen konzentrierten Blick “hinter die Kulissen” werfen. Einen Bericht darüber, wie toll es ist, schreibt das ISC selber.

  • Simon Desarzens

    nice pict! :)

  • Raffael Hirt

    Der Anfang ergibt wirklich wenig Sinn. Dass der Chairman überhaupt auf die Kleidung der Helfer eingeht, zeigt doch gerade, wie sehr es am Symposium nur um Schein und nicht um Sein geht. Warum sonst machen sich jedes Jahr Dutzende Studierende zum Affen, nur um vielleicht einem “Leader” ein Glas Orangensaft in die Hand drücken zu können?

  • Tobias Palm

    Brücke geschlagen, Merci ;-)

  • Julius

    Möchtet ihr nicht vielleicht ein weniger irreführendes Anfangszitat wählen? Dass eine Aeusserung über adrette Kleidung die Nachricht “mehr Inhalt statt Hülse” unterstreichen soll, geht mir kaum in den Kopf…

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