Unterrichten zwischen Basketball und Kindern

Seit zwei Jahren unterrichtet Prof. Dr. Festl nun auch Wirtschaftsethik in der grossen Assessment BWL-Vorlesung. Es wurde also höchste Zeit, ihn nun in einem Gespräch auf einer persönlicheren Ebene kennenzulernen.

Dank der Pandemie kann der Professor sogar in Pausen zwischen Vorlesungen schnell ein paar Körbe schiessen (Bild: zVg).

Als der Philosophieprofessor in unseren Zoom Raum eintritt, sitzt er gemütlich in seinem Büro in St. Gallen. Er ist gerade von einem ereignisreichen Tag mit seiner Frau zurückgekommen, der sie unter anderem ins Zürcher Kunsthaus geführt hatte, erzählt er. Nun hat er Zeit, sich unseren Fragen zu stellen.

Wissen ist Macht

Auf die Frage, wie er überhaupt auf die Philosophie kam, und ob er gar damit aufgewachsen ist, meinte er, dass er sich gar nicht mehr daran erinnern könne, was ihn auf diesen Weg brachte. Bei ihm sei kein «Erweckungserlebnis» vorhanden gewesen. Was ihn jedoch faszinierte, als er einmal «Sophies Welt» gelesen hatte, war die Freiheit, die Philosophen in ihren Fragestellungen haben und wie sie ihre Arbeiten aufeinander aufbauen. Von seinen Grosseltern, bei denen er aufgewachsen ist, habe er allerdings keine philosophische Ausbildung oder dergleichen erhalten. Sein Grossvater absolvierte zunächst eine Ausbildung als Holzwirt und arbeitete später als Steinmetz, während seine Grossmutter eine kaufmännische Ausbildung erfolgreich beendete. Jedoch erinnert er sich, dass sie stets darauf bestanden habe, dass Bildung das Allerwichtigste ist. «Wissen ist Macht», so der Spruch seines Opas. Und laut Festl übernahm er selbst diese Einstellung auch. In der Schule sei er bis zum Tod seiner Mutter und seines Opas sehr gut gewesen, dann hatte er einen sehr nachvollziehbaren Motivationseinbruch und schaffte das Abitur nur knapp. Im Studium ging es dann wieder bergauf und das Lernen machte ihm gemeinsam mit seiner Freundin – seiner heutigen Ehefrau – auch wieder Spass. Auch wenn er nicht von Akademikern grossgezogen wurde, so sei er dennoch nicht in einer bildungsfernen Familie aufgewachsen. So hatte seine Oma immerhin die wichtigsten Namen, Literaten und Opern gekannt. Dass sein Leben also eine akademische Richtung einschlagen würde, sei nicht wirklich erstaunlich gewesen, besonders da seine Mutter trotz einer psychischen Krankheit zu studieren angefangen hatte. Es war seiner Oma auch ganz wichtig, dass zumindest ein Familienmitglied eine Universität besucht hat.

Generell genoss Bildung in seiner Familie einen hohen Stellenwert. Statt am Geld sollte man die Leute an ihrem Bildungsgrad messen, hiess es. Dann erzählt er noch eine kleine Anekdote, der zufolge sein Opa, der nach dem Krieg ja als Steinmetz arbeitete, vorher bei der Münchner Polizei gearbeitet hatte. Dieselbe Polizeieinheit, die 1923 Hitler verhaftete. Darauf seien sie immer stolz gewesen. Durch diesen Job hätte er nach dem Krieg einen guten Job in der Finanzaufsicht erhalten können. Doch Festl erinnerte sich, dass sein Opa «bereits im Krieg ständig Gehorsam leisten musste». Da wollte er nachher eine gewisse Freiheit haben, die er dann in seinem Job als Steinmetz gefunden habe. Auch das hat Festl mitgenommen: Geld ist nicht das Wichtigste. Es tut auch gut, mit einer gewissen Selbstbestimmtheit durchs Leben zu gehen.

Der Rhythmus eines Philosophen

Manchmal ist es aus der Perspektive des zerstreuten Studierenden durchaus schwierig sich vorzustellen, dass Lehrkräfte, egal auf welcher Bildungsebene, überhaupt ein Privatleben ausserhalb ihrer Lehrtätigkeit führen. Vorsichtig befragen wir Festl zu seinem derzeitigen, klassischen Alltag. Bereits um 5.00 Uhr in der Früh werden er und seine Ehefrau von ihren vierjährigen Zwillingen geweckt. Alle Kinder (2, 4, 4 und 8 Jahre alt) werden dann für den bevorstehenden Tag vorbereitet und zum Kindergarten bzw. zur Schule begleitet. Normalerweise würde Festl direkt im Anschluss die Weiterfahrt nach St.Gallen antreten. Coronabedingt fällt das Pendeln jedoch aus – einerseits erlaubt dies ein gemütlicheres Familienleben, andererseits fehlt der essenzielle persönliche Austausch mit KollegInnen und Studierenden. Bevor Festl meistens ab 10.00 Uhr Vorlesungen hält, arbeitet er an seinem Buch. Anschliessend macht er seine erste Pause, in der er gerne etwas Basketball spielt – eine günstige Möglichkeit zu Hause während der Pandemie. So konnte er während der Pandemie seinen Freiwurf ziemlich verbessern, merkt er an. Überzeugt berichtet er von seinem Grundsatz: Es sind immer zwei Dinge auf einmal zu erledigen. Konkret bedeutet das bei ihm, dass er sich beim Zähneputzen rasiert, oder im Hinblick auf die Mittagspause beim Essen das Basketballspiel aus der vergangenen Nacht ansieht. Festl mahnt jedoch, dass zu dieser Regel eine Ausnahme gehört, und zwar dann, wenn seine Kinder anwesend sind. Schliesslich zählt das Fernsehen während des Essens nicht zu guten Manieren. Am Nachmittag folgen weitere Vorlesungen oder Gespräche mit Bachelorstudierenden, bevor die Kinder um 16.00 Uhr abgeholt werden müssen. Nach dem Abendessen setzt sich die Familie Festl zu einem Gesellschaftsspiel zusammen. Zwar ist es schwierig, sich auf ein Spiel zu einigen, das auf das Alter aller Kinder abgestimmt ist, jedoch werden besonders diese innigen Momente im engsten Kreise der Familie höchst geschätzt. Wenn es einer Person schlussendlich gelungen ist, die Immobilien von der «Badstrasse» bis zur «Schlossallee» zu erobern, ist es meistens schon Zeit, den Kindern etwas vorzulesen und sie anschliessend ins Bett zu bringen. Ab 20.30 Uhr arbeitet Festl meistens weiter bis 22.00 Uhr. Zum Abschluss des Tages folgt noch etwas Fernsehen – darunter u.a. «Babylon Berlin» und «The Marvellous Mrs. Maisel» – bis Festl sich gegen 23.00 Uhr zum Schlafen ins Bett begibt.

Visionen

Auf die Frage, ob er nicht vielleicht sogar seinen Alltag während der Pandemie bevorzugt, erwidert Festl bestimmt «Nein». Es folgt eine knappe Erklärung, mit der wir alle mittlerweile vertraut sind: Daheim ist die Wahrscheinlichkeit abgelenkt zu werden wesentlich höher. Selbst Kleinigkeiten wie der klingelnde Postbote tragen dazu bei, dass man längst nicht so effizient wie vor der Pandemie arbeitet. Zudem fehlt der Kontakt zu den jungen, dynamischen und inspirierten Studierenden. Insgesamt betont Festl, dass er sogar eine sinkende Freiwurfquote im Basketball in Kauf nehmen würde, wenn er dafür den Präsenzunterricht erneut antreten dürfte. Wir fragen Festl ausserdem, was sich seit dem letzten Interview vor fünf Jahren geändert hat. Damals betrachtete er einen Lehrstuhl für das Fach Philosophie als «die Kür». Dieses Mal stellt er fest, dass er seine derzeitige Position an der HSG besonders schätzt und es auch geniesst grosse Vorlesungen, wie die zur Wirtschaftsethik, zu halten. Er merkt zudem an, dass er mittlerweile Doktoranden betreuen kann, die Universität eine grosszügige Bandbreite an Themenbereiche zulässt und er mit ehrgeizigen Studierenden zusammenarbeitet – Elemente, die er als Professor in St. Gallen zunehmend schätzt. Sein Privatleben war ebenfalls seit 2016 stark im Wandel – nun hat er vier Kinder, denen er manchmal mit schlichten philosophischen Fragen begegnet, wobei Werke wie die «Kritik der reinen Vernunft» noch nicht zur täglichen Abendlektüre gehören. Festl freut sich – sofern die Pandemie es zulässt – demnächst mit seiner Familie im Sommer eine Urlaubsreise, wie gewohnt, in Frankreich zu verbringen.

Im Hinblick auf die Philosophen, die ihre Zukunftsvisionen vor einigen Jahrhunderten vorstellten, fragen wir Festl, ob er es sich vorstellen kann, selbst ein grosses Werk zu verfassen, das seine philosophischen Aussichten veranschaulicht und der Menschheit noch lange in Erinnerung bleiben wird. Festl erwidert bescheiden, dass er die Welt sicher nicht erheblich verändern wird und dass es ihm reichen würde, wenn ein paar Studierende eine von seinen vielen Anekdoten mitnähmen.

Fragenhagel:

Bier oder Wein? – Antialkoholiker

Kaffee oder Tee? – Kaffee

Beifahrer oder selber fahren? – Selber fahren

Berge oder Strand? – Strand

Bargeld oder kontaktlos bezahlen? – Kontaktlos bezahlen

Home Office oder Büro? – Home Office

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