Wenn man in den letzten Wochen auf den sozialen Netzwerken unterwegs war, stolperte man gefühlt alle drei Posts über ein Squid Game-Meme. Das mag nicht verwunderlich sein, wenn man den Erfolg der koreanischen Serie beachtet. Rund 111 Millionen Accounts haben sich die Serie im ersten Monat nach Sendestart angeschaut, lässt Netflix verlauten. Somit hat sich das K-Drama den erfolgreichsten Start in der Geschichte des Streaming-Anbieters gesichert. Doch welche Faktoren haben dazu beigetragen, besonders in Anbetracht der Tatsache, dass die Serie ausserhalb von Asien kaum beworben wurde?
Psychologische Treiber
Bei einer eingehenden Analyse stellen wir fest, dass diverse psychologische Faktoren die Serie interessant und attraktiv gestalten. So wird beispielsweise die extreme Spannweite der Menschlichkeit dargestellt. Dies kommt besonders beim Murmelspiel zur Geltung, als Sang-Woo nach einem fairen Spiel als Verlierer dasteht und die Gutherzigkeit von Ali ausnutzt, um die Runde zu überleben. Auch wenn er somit den Tod seines Freundes verantwortet. In dieser Szene zeigt die Serie sehr gut, dass eine gewisse emotionale Kälte nötig ist, um das Leben zu meistern. Und wenn wir uns selbst gegenüber ehrlich sind, haben wir Sang-Woo in diesem Moment zwar gehasst, da Ali einer der Lieblingscharaktere war, doch gleichzeitig müssen wir uns auch eingestehen, dass wir in Anbetracht der Situation vermutlich ähnlich reagiert hätten. Die Serie zeigt auch auf, dass es zwei Arten von Bösewichten gibt. Einerseits die “Ehrlichen” wie Deok-su, der Mafiaboss, die ihre Boshaftigkeit offen präsentieren, andererseits die “Versteckten”, wie Sang-Woo, die sie lediglich im entscheidenden Moment zeigen. Und auch hier gibt die Serie eine Lebensweisheit mit auf den Weg: Nämlich, dass der zweite Typ sehr viel schlimmer ist.
Position des Zuschauers
Ein weiterer Grund, warum die Serie so viele von uns in ihren Bann zieht, liegt in der Zweischneidigkeit der Positionierung der Zuschauer. So identifizieren wir uns einerseits zwar stark mit den Spielern, da diese offensichtlich die Protagonisten sind. Wir fühlen ihren Schmerz, wenn geliebte Mitspieler “eliminiert” werden und wir freuen uns mit ihnen, wenn sie ein Spiel weiterkommen. Doch im selben Moment nehmen wir unbewusst die Rolle der VIP’s ein. Wir schauen den Spielen zu, wir fragen uns, wer alles in die nächste Runde kommt und vor allem: Wir sehen das Ganze zur Unterhaltung an. Doch das wird uns erst gegen Ende der Serie klar, als die VIP’s vor Ort sind und das zweitletzte Spiel aus dem “Zuschauerraum” ansehen. Da merkt man, dass ihre Sicht durch die Scheibe sozusagen identisch mit der Kameraführung während der vorangegangenen Spiele ist.
Aber es gibt noch mehr zu sagen
Während die oben erwähnten Punkte mehr aus einer psychologischen Sicht unser Interesse an der Serie wecken, so gibt es auch ganz normale Pluspunkte. So waren die Schauspieler sehr gut auf die von ihnen zu verkörpernde Figur abgestimmt und auch die Filmsets waren passend gestaltet. Zudem erinnert die Idee hinter Squid Game stark an das “Battle Royal”-Genre, welches heutzutage sowieso sehr beliebt ist. Auch das weltweit stets wachsende Interesse an asiatischer (Film-)Kultur hat geholfen, die Serie so bekannt zu machen. Hier hat vielleicht sogar die Corona-Pandemie ihren Teil dazu beigetragen, da durch die Reiseeinschränkungen der Wunsch nach fremden Kulturen gestiegen ist. Als grösster Negativpunkt aus meiner persönlichen Sicht ist neben vereinzelten langweiligen Momenten die Irrelevanz der Nebengeschichten wie beispielsweise die Investigation des Polizisten zu nennen. Doch möglicherweise hat diese einen Einfluss auf eine zweite Staffel, welche jedoch noch nicht angekündigt wurde. Abschliessend kann gesagt werden, dass die Serie sehr spannende Denkanstösse und gute Unterhaltung liefert. Und um auf die Frage am Anfang zurückzukommen: Ja, der Hype ist gerechtfertigt.