Montag Morgen, in einem der grösseren Vorlesungssäle der University of Queensland, begann offiziell mein Austauschsemester, und zwar mit dem Kurs „Introduction to Journalism“. Nach den ersten fünf Minuten hatte sich herausgestellt, dass ich nicht nur die einzige Person im Raum war, deren Muttersprache nicht Englisch ist, sondern auch die einzige, die die Witze des Professors bezüglich dem „Murdoch/phone hacking Scandal“ nicht richtig begriff. Klar hatte ich von der Schliessung der UK-Zeitung „News of the World“ gehört, was jedoch die Hintergründe und die zeitlichen Zusammenhänge waren, kam mir zuhause in der Schweiz noch eher unwichtig vor – und was eine Rasierschaumtorte mit dem Ganzen zu tun hatte, wusste ich schon gar nicht.
Mein Vorlesungsnachbar klärte mich dann darüber auf, dass der gebürtige Australier Murdoch nicht nur in den USA und Grossbritannien grosse Anteile der Medien besitzt, sondern eben auch in Australien. Murdoch besitzt mit „News Limited“ ungefähr 70% aller australischen Zeitungen, sowie einige der wichtigsten Fernseh- und Radiostationen, Magazine und Websites. Man kann also davon ausgehen, dass von den in der Vorlesung anwesenden Journalismusstudenten ein beträchtlicher Anteil in der Zukunft entweder für ein Medium des Murdochimperiums oder für einen direkten Konkurrenten desselbigen tätig sein wird. Die Ereignisse in Grossbritannien und das Schicksal der „News of the World“ sind also, zumindest für die australische Medienindustrie, alles andere als unwichtig. Wer, wie ich in der Vorlesung, leicht im Dunkeln tappt, dem empfehle ich die Zusammenfassung des australischen Online-Newsportals „Crikey“.
Denn auch für nicht-englischsprachige Märkte, in denen Murdoch nicht direkt mitwirkt, haben diese Ereignisse eine grosse Bedeutung – als Folge des „phone hacking scandal“ der „News of the World“ entbrannte in Australien eine Diskussion über Persönlichkeitsrechtsschutz, Pressefreiheit und über die Machtkonzentration in der Medienbranche. Diese Diskussionen werden wohl früher oder später auch bei uns (wieder) zur Sprache kommen. Die Welt der Medien verändert sich massiv und schnell: Internet, virale Medien, Social Networks, Youtube, Twitter, etc. Durch diese noch relativ neuen Mittel kann sich jeder als „Journalist“ betätigen, Neuigkeiten verbreiten oder kommentieren. Im Hinblick auf die Pressefreiheit ist dies erfreulich – jedoch wird durch die Unmenge an „user generated content“ ein staatlicher Schutz der Privatsphäre weitgehend verunmöglicht. Kommunikationsmedien wie Mobiltelephone können abgehört und überwacht werden – hätte sich der britische „phone hacking scandal“ in Australien abgespielt, könnten sich die Betroffenen nicht einmal mit rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen: Es besteht schlicht kein solches Recht auf Schutz der Privatsphäre in Australien. Klar, dass nun nach einer solchen Gesetzgebung verlangt wird, aber auf der anderen Seite protestiert wird, dass das Recht der Pressefreiheit überwiege. Pressefreiheit ist zweifellos ein wichtiges Instrument einer funktionierenden Demokratie; trotzdem finde ich, dass dieser Freiheit Grenzen gesetzt werden müssen.
Im Falle des britischen „phone hacking scandals“ hatten Journalisten sich in das Mobiltelefon eines als vermisst gemeldeten Mädchens eingehackt und den Nachrichtenspeicher geleert, um Platz für eventuell eintreffende weitere Nachrichten zu schaffen. Dies behinderte einerseits die Ermittlungen der Polizei, gab andererseits der Familie des Mädchens die falsche Hoffnung, dass dieses noch lebe. In einem solchen Fall sollte es eigentlich auch keine staatlichen Regulierungen brauchen; ein Mindestverständnis von ethischem Verhalten sollte doch eigentlich von Journalisten vorausgesetzt werden – doch offenbar ist eine solche Annahme unrealistisch, und eine gewisse, den neuen Medien und Technologien angepasste Regulation wäre wohl wünschenswert.
Inwiefern Rupert Murdoch selbst nun für die „phone hacking“-Vorfälle verantwortlich gemacht werden kann, ist zumindest fraglich, aber, wie man so schön sagt, „with great power comes great responsibility“. Und es gibt natürlich diverse Leute, die daran interessiert wären, Herrn Murdoch eins auszuwischen (oder eine Torte ins Gesicht zu klatschen) – wer ein so grosses Medienimperium besitzt, stellt auf seine Weise auch eine Art Einschränkung der Pressefreiheit dar. Man muss hier aber auch hinzufügen, dass, zumindest in Australien, ein Grossteil der Zeitungen nur durch die Quersubventionierung innerhalb Murdochs Riesenkonzerns überleben können, darunter die grösste nationale Zeitung (The Australian). Diese Umfinanzierung eines Konzerns zugunsten der schwächelnden Printmedien ist meines Erachtens im heutigen digitalen Zeitalter sehr viel Wert.
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