prisma: Bis jetzt kennen wir Studierenden Sie, Herr Eppler, als Dozenten und vielleicht als Jury-Mitglied an der StartWoche-Abschlussveranstaltung. Herr Meyer, Sie sind vielen als Mathe-Dozent aus dem Assessment bekannt. Nun sind wir aber hier aufgrund ihrer Position als Leitung des Prorektorats Studium & Lehre. Viel Konkretes kann ich mir darunter nicht vorstellen. Plakativ gefragt: Was machen Sie dort überhaupt?
Eppler: Wir stellen zum einen operativ sicher, dass der Lehrbetrieb reibungslos abläuft. Zum anderen wollen wir Innovationen in der Lehre vorantreiben, diese weiterentwickeln und dabei sicherstellen, dass sie zeitgemäss und auf hohem Niveau bleibt. Kurz gesagt: Wir schauen, dass es heute und auch in Zukunft gut läuft und relevant bleibt.
Meyer: Genau! Wir sind zweigleisig aufgestellt. Im administrativen Teil sind wir um den Studienbetrieb besorgt. Dazu gehören zum Beispiel das ganze Kurswesen, die Stunden- und Prüfungsplanung und deren Durchführung oder die diversen Beratungsangebote. Dies umfasst also von der StartWoche für die ganz Neuen bis hin zum Unisport, den auch die Doktorand*innen besuchen, alles das Studium betreffende. Dazu kommt die Weiterentwicklung der Lehre mit Beratung für die Dozierenden und Lehrinnovationsprojekten und der technischen Unterstützung der Lehre.
prisma: Herr Eppler, Sie sind nun seit einem halben Jahr Prorektor. Wie haben Sie sich zurechtgefunden und was war die grösste Baustelle, die sie vorgefunden haben?
Eppler: Ich habe mich sehr gut zurechtgefunden, da dies eine hochprofessionelle Organisation ist, die sehr gut geführt wird. Die grösste Baustelle ist momentan das Reformvorhaben für das Assessmentjahr, das eine Neuausrichtung braucht. Ich finde es eine faszinierende Aufgabe, sich zu fragen, wie man dieses wichtige erste Jahr optimal gestalten kann. Der integrative Ansatz soll auf jeden Fall bleiben, da herrscht erfreulicherweise Konsens. Was momentan sicher fehlt, ist die Vertretung von International Affairs bereits im Assessment, sodass alle später angebotenen Studienrichtungen schon vertreten sind und sich die Studierenden ein möglichst gutes Bild verschaffen können. Wir wollen im neuen Konzept aber auch die Persönlichkeitsentwicklung und Kooperationsfähigkeit der Studierenden stärken. Es soll ausserdem weiterhin sichergestellt sein, dass die richtigen Selektionsmechanismen greifen und so hauptsächlich die weiterstudieren, die mit Passion im Studium dabei sind.
prisma: An Sie, Herrn Meyer, die Frage: Sie sind nun schon seit 2015 an der HSG. Davor waren Sie Lehrer und Rektor an einer Kantonsschule. Warum dann der Wechsel an die Uni?
Meyer: Die HSG ist ein spannender Ort mit vielen Möglichkeiten, an dem man viel bewegen und weiterentwickeln kann. Die Leute hier sind offen für Veränderungen. So konnten wir in den letzten sieben Jahren schon vieles anpacken und beispielsweise mit Compass oder neuen StudyNet viel Relevantes für die Studierenden anstossen. Das macht sehr viel Spass!
Stellen Sie sich bitte die Studierenden vor, die neu an der HSG sind und nun ihre erste prisma-Ausgabe in den Händen halten. Was ist ihre Botschaft an die neuen «Assessies» bezüglich ihrer Zeit an der HSG?
Eppler: Ich schliesse mich da dem an, was der Rektor in der StartWoche schon gesagt hat: Das Studium ist auch da, um es zu geniessen! Ausserdem soll man Beziehungen knüpfen, Freundschaften pflegen und die vielen Angebote und Veranstaltungen an der Uni nutzen. Abgesehen davon: Setzt euch mit den Inhalten auseinander, bereitet diese schön vor und nach und am wichtigsten: lasst euch nicht stressen!
prisma: Sie haben vorhin die Entwicklung der Lehre angesprochen. In welche Richtung gehen denn diese Vorhaben?
Eppler: Das geht von Beratungsangeboten für die Dozierenden über neue Gefässe, die wir im SQUARE anbieten können. Da gibt es aber auch die ganzen Programmreformen, die stattfinden und über das Prorektorat Studium und Lehre in enger Zusammenarbeit mit den verschiedenen Schools laufen…
Meyer: …genau! Bei solchen curricularen Aufbauarbeiten sind wir eng involviert. Auch bei den neuen Studienrichtungen Medizin und Informatik haben wir zusammen mit den Fachvertretern aktiv mitgewirkt, diese Lehrgänge aufzubauen. So entstehen im Teamwork gute Studiengänge. Ausserdem beschäftigen wir uns mit Lehrinnovationsprojekten. Ein momentanes Beispiel ist die Reform des Vergabeprozesses von schriftlichen Arbeiten. Um Referenten und Themen zu finden, durchlaufen viele einen anstrengenden und unbefriedigenden Prozess. Diese Situation wollen wir dringend verbessern, indem wir eine Plattform dafür schaffen, die alle Seiten effizient zusammenbringt.
prisma: Wie sieht denn konkret die Lehre der Zukunft aus? Werden Studierende in zehn Jahren etwas völlig anderes erleben als wir es momentan erfahren?
Eppler: Wir werden weiterhin Exzellenz in der Lehre fördern und die Studierenden werden weiterhin an erster Stelle stehen. Die Lehre ist für uns als Forschungsuni eine conditio sine qua non. Ausserdem glaube ich, dass wir eine Präsenzuni bleiben, an der wir auch in zehn Jahren noch Persönlichkeiten entwickeln können, die vernetzt und integrativ denken können. Was in zehn Jahren vielleicht noch akzentuierter sein wird, ist, dass wir Unternehmertum mit Impact, ökologische Initiative und soziales Engagement mehr kultivieren und fördern werden. Konkret zunehmen wird sicher auch die Vielfalt der Lehrformen. Wir haben schon erste Versuche mit Dozierenden, die als Avatar unterrichten oder Lernerlebnisse, die im Metaverse stattfinden. Auch Co-Teaching mit Expert*innen aus der Wirtschaft, Personality oder Artist in Residence wird es mehr geben. Aber auch was wir lernen, wird sich verändern. Es wird neben den aktuellen Themen wie FinTech, LegalTech, FoodTech, Nachhaltigkeit und Klimapolitik auch neue Kursthemen geben wie Hybride Kreativität, KI-Ethik oder Debiasing.
Meyer: …Das curriculare Angebot wird sich den Megatrends und grossen gesellschaftlichen Themen angleichen. Beispielsweise mit dem Programm Managing Climate Solutions haben wir das auch schon ein Stück weit getan. Ansonsten wird die Zeit in grossen Hörsälen wahrscheinlich abnehmen, dafür die Arbeit in Kleingruppen verstärkt werden. Was sich auch ändern wird, ist das Prüfungsformat, was immer mehr digital stattfinden wird.
prisma: Sie haben viele interessante Beispiele mit Technologien angesprochen. Die Uni bietet nun auch Studiengänge in Informatik an. Verzetteln wir uns da nicht als Universität und verlieren unseren USP?
Eppler: Ich sehe da vor allem Synergien. Wenn beim Kaffee ein BWL-Student mit einer Informatik-Studentin ins Gespräch kommt, können Startup-Ideen entstehen. Wir sehen jetzt schon solche Beispiele zwischen den Schools, die uns sehr ermutigen.
Zudem ist dies auch ein politisches Mandat, das wir erhalten haben. Die beschlossene IT-Bildungsoffensive in der Ostschweiz wollen wir mittragen, da wir Teil dieser Region sind und unseren Beitrag leisten wollen.
Meyer: Ich vertrete auch die Meinung, dass uns das nur weiterbringt! Um noch den Punkt der Regionalität aufzunehmen: In der Westschweiz hat fast jede Stadt eine Universität, östlich von Zürich gibt es aber nur uns. Ich finde es für die ganze Region einen Gewinn, wenn man hier insbesondere auch Fachrichtungen studieren kann, in denen uns Fachleute fehlen.
prisma: Sie sind beide daneben auch noch aktiv in der Lehre. Was bedeutet das Unterrichten für Sie?
Meyer: Ich komme ursprünglich aus dem Lehrberuf. Das ist nach wie vor meine Passion und bereitet mir viel Freude. Als Studiensekretär muss ich manchmal, zum Beispiel bei Disziplinarmassnahmen, schwierige Entscheide bezüglich der Studierenden treffen. Umso mehr schätze ich es darum, dass ich nicht nur mit diesen Fällen zu tun habe, sondern auch Tag für Tag vielen jungen und aufgestellten Menschen begegne, mit denen es Spass macht zusammenzuarbeiten.
Eppler: Bei mir das Gleiche. Ich brenne für die Lehre! Sie gibt mir auch spannende Impulse für die Forschung. Andersrum mag ich die Herausforderung, neue Forschung in ansprechende Lehrinhalte zu verwandeln. Ich habe schon an einigen Unis unterrichtet und hier in St. Gallen macht es besonders viel Spass, weil ich viel Engagement, Offenheit und genuines Interesse sehe. Ausserdem sieht man, wenn man selbst unterrichtet auch, was noch nicht wie gewünscht läuft…
Meyer: …dazu habe ich ein kleines Beispiel (lacht). Ich habe beim Unterrichten bemerkt, dass im Pavillon seit einiger Zeit der Gong immer drei Minuten zu spät klingelt. Das hat nie jemand gemeldet und beim Hausdienst waren sie völlig überrascht. Das ist ein kleines Detail, aber wenn ich nicht unterrichten würde, hätte ich es nie mitbekommen. Ausserdem spürt man beim Unterrichten die Studierenden besser und kann bei Frustration direkt nachfragen.
prisma: Die HSG ist immer wieder auch negativ in den Schlagzeilen. Müssen wir uns darum sorgen, dass dies auch auf die Lehre zurückfällt und so unsere Abschlüsse entwertet?
Eppler: Das glaube ich nicht! Wir stehen wie jede Institution heute unter einem erhöhten Transparenzdruck. Hinzu kommt eine generelle Skandalisierung der Medien. Ich glaube, dass wir eine sehr gute interne Governance haben, die laufend weiter verbessert wird. Einzelfälle wird es dennoch wahrscheinlich auch weiterhin ab und zu geben. Ich glaube aber nicht, dass diese systemisch sind. Wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht alles komplett kontrollieren wollen und dadurch jegliche Innovation und Freiheit abwürgen. Um auf die Frage zurückzukommen: Macht euch keine Sorgen! Die entscheidenden Leute, die euch später einstellen werden, können abstrahieren zwischen den bedauerlichen Einzelfällen und der Organisation als Ganzes!
Meyer: Dazu muss auch gesagt werden, dass die riesige Mehrheit hier einen sehr guten Job macht und selbst unter solchen Fällen leidet. Die Uni hat unglaublich viel unternommen, um so etwas in Zukunft zu verhindern. Solche Veränderungen sind aber ein bisschen wie ein Ozeandampfer. Bis sich die Richtungsänderung am Steuer übersetzt hat, geht es eine Weile, in der solche Fälle immer noch auftreten können.
prisma: Wir danken Ihnen für das Gespräch!