Die Veranstaltungsreihe geht mit dem Thema Migration und Behinderung in die dritte Runde. Davor fanden zwei Diskussionen mit den jeweiligen Themen Klima & Behinderung und Gender & Behinderung statt. Der gemeinsame Nenner der Veranstaltungsreihe, man bemerkt es schnell, ist Behinderung.
Geleitet werden die jeweiligen Diskussionen entweder von Moderatorin und Journalistin Marah Rikli oder Moderator und Podcaster Jahn Graf. Dazu werden verschiedene Gäste eingeladen und auch das Publikum ist willkommen, Fragen zu stellen und mitzudiskutieren.
Wie wird eine Diskussion inklusiv geführt?
An dieser dritten Diskussion dieser Veranstaltungsreihe befinden sich fünf Personen auf der Bühne. Am linken Rand nimmt eine Gebärdensprachdolmetscherin ihren Platz ein. Es folgen Magda Zihlmann, selbstständige Anwältin mit Schwerpunkt im Migrationsrecht, Edwin Ramirez, Performance Künstler und Stand-Up Comedian, Cristina Vega, Gründungsmitglied des Vereins zemib (Zentrum für Migration und Behinderung) und Marah Rikli, die die Moderation übernimmt.
Alle Personen auf der Bühne werden zuerst gebeten, sich kurz vorzustellen. Dabei wird auch das Äussere kurz beschrieben. Ein simpler Weg, das Geschehen auf der Bühne auch für Sehbehinderte fassbarer zu machen. Kostet eigentlich nichts. Trotzdem ist dies wahrscheinlich einer der wenigen Events dieser Art, an dem dies so gehandhabt wird. Wie viele Barrieren für Menschen mit Behinderungen existieren, wird einem hier eigentlich erst richtig bewusst, denn dies ist nur einer der Wege, wie die Inklusion im Debattierhaus Karl der Grosse gefördert wird.
Um den Event möglichst inklusiv zu gestalten, hat das Veranstaltungsteam eine ganze Reihe an Massnahmen getroffen. Dazu gehören nicht nur die oben schon genannte Gebärdensprachdolmetscherin auf der Bühne, die das Gesagte in die Deutschschweizer Gebärdensprache verdolmetscht, oder die Beschreibung der Personen beim Vorstellen. Auch, dass man sich im Vorfeld des Events anmelden und dabei angeben kann, ob man im Rollstuhl kommt, oder Assistenzleistungen benötigt, trägt zur Barrierefreiheit bei. Das Gespräch wird ausserdem als Live-Stream übertragen, so dass man auch von zuhause aus die Möglichkeit hat, der Diskussion zu folgen. Dennoch sind diese Mittel allem Anschein nach noch nicht ausreichend. Das Debattierhaus Karl der Grosse stellt zusätzlich während, vor und nach der Veranstaltung ein Ruheraum zur Verfügung. Ausserdem werden die Mitschriften des Gesprächs in Echtzeit aufgeschrieben und projiziert, damit Menschen, die dies benötigen, mitlesen können. Die vorderste Reihe ist dementsprechend auch für Menschen mit Hörbehinderung reserviert.
All diese Massnahmen zu organisieren, stellt natürlich einen immensen Aufwand dar. Doch geht es eben gerade darum: Personen mit Behinderungen sollen gleichberechtigt und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilnehmen können, wie es in der UN-Behindertenrechtskonvention steht. Dazu braucht es barrierefreien Zugang zu Veranstaltungen und das Debattierhaus Karl der Grosse ist bereit, diesen zur Verfügung zu stellen.
Wer hört zu?
Beim Besuch des Events wird jedoch schnell klar, dass hauptsächlich Personen mit Behinderungen zum Publikum dieser Diskussion gehören. Allgemein zählt der Event nicht mehr als 30 Besucher*innen. Andere Diskussionen dieser Veranstaltungsreihe seien besser besucht gewesen. Trotzdem bleibt der Eindruck bestehen, dass kein grosses Interesse besteht.
Anscheinend besteht kein grosses Bedürfnis, Themen wie Migration und Behinderung zu diskutieren, ausser man ist selbst irgendwie davon betroffen. Macht auch Sinn, solange man nicht direkt mit einer Sache konfrontiert ist, beschäftigt sie einen auch nicht. Es zeigt jedoch auch ein grundlegendes Problem der Gleichstellungsthematik auf. Wem wird zugehört? Oder besser gefragt: Wer schafft es, andere dazu zu bringen einem zuzuhören? Weshalb hören wir gewissen Menschen nicht zu? Weshalb wird gerade Personen mit Behinderungen so selten zugehört?
Vielleicht bevormunden wir diese Personen einfach immer noch zu stark. Vielleicht getrauen sie sich auch nicht zu sprechen, oder die Bewältigung ihres Alltags raubt so viel Energie, Energie, die dann fehlt, um sich gegenüber jemand anderem durchzusetzen. Edwin Ramirez sagt dazu während der Diskussion, für ihn sei es ein Privileg, als Stand-Up Comedian laut sein zu können. Er will laut sein, weil andere nicht laut sein können und deswegen übersehen werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt stammt von Magda Zihlmann. Sie sagt, strukturelle Benachteiligung sei viel grösser, als wir Schweizer und Schweizerinnen mit Privilegien uns das vorstellen könnten. Personen mit einer Behinderung stossen im Alltag auf viele Hindernisse. Genannt wird während der Diskussion der öffentliche Verkehr, der auch im Jahr 2023 immer noch nicht barrierefrei ist. So viel zum energieraubenden Alltag von Personen mit einer Behinderung. Dies muss unbedingt geändert werden.
Wie weiter?
Die Schweiz soll sich nicht entscheiden, ob sie die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen will oder nicht. Sie soll sich entschieden, wie sie die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen will.
In diesem Sinne, ein herzliches Dankeschön an das Debattierhaus Karl der Grosse für diesen Event.
Weitere Events dieser Veranstaltungsreihe (noch bis Oktober):
Di 26. September · 19.00
Unsichtbare Krankheiten und Behinderung
Fr 6. Oktober · 19.00
Politische Partizipation und Behinderung
Unterstützt wird diese Veranstaltungsreihe vom Verein Tatkraft.