Moderator Professor Ulrich Schmid mit Patrik Müller (Chefredaktor, CH Media), Marc Rüdisüli (Parteipräsident, Die Junge Mitte), Beat Soltermann (Chefredaktor Audio/Digital, SRF) und Roger Köppel (Chefredaktor und Verleger, die Weltwoche) v.l.n.r.
Zu Beginn der Veranstaltung, die vom International Student’s Committee (ISC) des St. Gallen Symposium organisiert wurde, unterstrich Marc Rüdisüli, Parteichef der Jungen Mitte Schweiz, die grosse Bedeutung des Diskussionsthemas. Die unter grossem finanziellem Druck stehenden Medienhäuser seien gezwungen, immer weiter zu sparen – vor allem im Lokaljournalismus. Als Kantonspolitiker wisse er dabei nicht, ob seine Parlamentsarbeit unter diesen Umständen heute überhaupt noch kritisch begleitet werden könne. Obwohl die drei Journalisten der Runde ihm in diesem Punkt Recht gaben und sich über die Medienvielfalt ebenfalls besorgt zeigten, gab sich Patrik Müller, Chefredaktor CH Media, dennoch optimistisch: Zum einen würden die Medien heute so viele Leute wie noch nie erreichen. Zum anderen könne er bei seinen Kindern im Teenageralter beobachten, dass sie trotz TikTok, Instagram und Snapchat besser über das Weltgeschehen informiert seien als er es im selben Alter war.
Uneinigkeit herrschte hingegen bei der Frage, ob die gebührenfinanzierte SRG zu gross und mächtig geworden sei. Roger Köppel, Chefredakteur und Verleger der Weltwoche, stimmte dem vollumfänglich zu und forderte, dass die SRG in die Schranken gewiesen werden müsse. Dem pflichtete Patrik Müller bei: Die SRG habe längst ihre ursprüngliche Kernaufgabe aufgegeben und konkurrenziere heute die privaten Medienhäuser im Onlinejournalismus, den sozialen Medien bis hin zu den Übertragungsrechten der Champions League. Beat Soltermann, Chefredaktor Audio/Digital bei SRF, wollte diese Kritik nicht gelten lassen. So erfülle die SRG den politisch äusserst eng eingeschränkten und von diversen Instanzen kontrollierten wichtigen Auftrag, das Land mit flächendeckender neutraler Berichterstattung zu versorgen.
Zum Ende konnten die Zuschauerinnen und Zuschauer Fragen an die Teilnehmer stellen. Nochmal hitzig wurde es, als es dabei um den angeblichen Linksdrall der Schweizer Medien ging. Köppel hielt Soltermann vor, dass das SRF keine neutrale Medienberichterstattung ausübe, sondern in Sendungen wie der Arena offensichtlich sei, «welches Parteibuch der Moderator hat». Weiter provozierte der Verleger der Weltwoche mit der Aussage, dass die anderen Schweizer Medien allesamt unkritisch das gleiche schreiben würden. Er habe sich darum gesagt, dass er einfach das Gegenteil davon schreiben müsse und er damit praktisch immer richtig liege. Insgesamt war die Debatte zwischen den Teilnehmern aber respekt- und humorvoll gehalten. Nicht das Besprochene auf der Bühne, sondern die Zusammensetzung des Podiums hatte im Vorfeld aber für rege Diskussionen unter den Studierenden gesorgt.
Diskussionsteilnehmer sorgen für Kritik
Die Ankündigung der Podiumsdiskussion löste zumindest bei einigen Studierenden im Vorfeld Kopfschütteln aus. Nicht nur wurde die Kritik geäussert, dass es sich – mal wieder – um ein rein männlich besetztes Podium handle, vielmehr sorgte auch die Einladung Roger Köppels für Unverständnis. Der Journalist und ehemalige Nationalrat fiel seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine mit Verständnis und Bewunderung für Russlands Präsidenten Wladimir Putin und dessen Handeln auf. Ein Umstand, den die Veranstalter in ihrem Einladungsschreiben nicht aufnahmen, sondern den umstrittenen Köppel anerkennend als «bekannt für seine pointierten Meinungen und kritische Haltung gegenüber dem medialen Mainstream» und «einziger Schweizer, der zuletzt Putin besucht hat!» ankündigten.
Studierende mit Protestschreiben an die Veranstalter
Einige Studierende brachten ihr Unverständnis darüber mit einem Schreiben an die Veranstalter zum Ausdruck. Sie beklagten darin, dass es sich bei Roger Köppel um einen Verteidiger und Rechtfertiger Putins handle. Weiter führten sie eine Liste mit Frauen aus den Feldern Journalismus und Politik auf, die sich als Podiums-Teilnehmerinnen geeignet hätten. Initiiert wurde das Schreiben von International Affairs Studentin Carla Reinhard. Auf Anfrage äussert sie ihren Unmut darüber, dass mit Köppel ein Bewunderer des vom internationalen Strafgerichtshofs wegen Kriegsverbrechen angeklagten Putins eine Plattform auf dem Campus erhält. Weiter findet sie, dass die von den Veranstaltern gelobte «kritische Haltung gegenüber dem medialen Mainstream» problematisch sei. Dabei gehe es darum «etablierte Medien mit ihren Rechercheteams, die unter anderem die Politik kritisch verfolgen, zu diskreditieren, um eigene alternative Nachrichtenkanäle aufzubauen, wie wir das aus den USA unter Trump kennen».
Zu den Podiumsteilnehmern sagt Carla Reinhard, die auch für die GLP im Zürcher Gemeinderat politisiert, dass eine ausgeglichene Repräsentation für sie sehr wichtig sei. Zu oft würden immer noch Veranstaltungen ohne weibliche Vertretung stattfinden. Dies verstärke fälschlicherweise den Eindruck, dass Expertise etwas vornehmlich Männliches sei.
Dies sehen nicht alle so. In einem WhatsApp Chat mit mehr als 500 Studierenden erhielt die Nachricht eines Studenten Zuspruch, dass nicht aus jedem Podium ohne Frauen gleich ein Geschlechterkampf gemacht werden müsse und dass für ein ähnliches Podium kürzlich ein Dutzend Frauen angefragt worden seien, die aber alle abgesagt hätten. Carla Reinhard räumt ein, dass Frauen Einladungen zu solchen Veranstaltungen häufiger absagen würden als Männer. Dies läge aber unter anderem am strukturellen Problem, dass Frauen häufiger in Bereichen wie der Care-Arbeit eingebunden seien und sich die Teilnahme für abends stattfindende Veranstaltungen weniger einrichten könnten. Ihre Lösung: noch mehr Frauen anfragen und dranbleiben.
ISC möchte kritischen Austausch fördern
Das ISC, das die Podiumsdiskussion ausrichtete, erklärte das unausgewogene Geschlechterverhältnis ebenfalls mit den vielen Absagen von angefragten Frauen. Trotz grossem Aufwand sei es schlussendlich leider nicht gelungen, eine Balance herzustellen. Man sei sich aber bewusst, dass es viele inspirierende Frauen im Bereich Politik und Medien gebe.
Zur Einladung Roger Köppels stellt sich das ISC auf den Standpunkt, dass beim St. Gallen Symposium Dialog und konstruktiver Austausch gefördert werden sollen. Das Format einer Podiumsdiskussion sei dafür bestens geeignet. Auch wenn ihr «liberal-freiheitlicher Grundgedanke» mit gewissen Aussagen Köppels nicht übereinstimme, stelle dies kein Ausschlusskriterium für einen Austausch dar. Köppel eigne sich als Gast sehr gut, da er vielfältige Erfahrungen aus Politik und Medienwelt mitbringe. Dessen vergangene Aussagen über Putin und Russland seien für die Thematik des Podiums nicht relevant.
Dem Organisationsteam sei bewusst, dass die vorgängigen internen Diskussionen und Prozesse für Aussenstehende nicht sichtbar seien und bedauert, dass in manchen Fällen direkt von den schlimmsten Absichten ausgegangen werde und dabei die Wertschätzung für die Arbeit und das Herzblut des ehrenamtlich arbeitenden Teams auf der Strecke bleibe.
Trotz der vorgängigen Nebenschauplätze zeigte das Podium, dass die Schweizer Medienvielfalt zumindest noch gross genug ist, um darüber auf der Bühne beherzt debattieren zu können. Neben den Meinungsverschiedenheiten der Chefredaktoren von SRF, Weltwoche und CH Media kam dabei die Frage, was dies für die mediale Kontrollfunktion gegenüber der Politik bedeutet etwas zu kurz.