Morgen fahre ich zum vierten und letzten Mal vor den Spielen zum Olympic Park. Ich war im Herbst dort, als Westfield Stratford, das größte Shoppingcenter Europas eröffnete, ich war dort um Freunden die Anlagen zu zeigen und ich war dort als das olympische Feuer in London ankam. Dort sind die Spiele am greifbarsten, dort ist der Trubel am grössten. Hier wird morgen, im neugebauten Olympiastadion, die Eröffnungsfeier stattfinden und vorher werde ich noch einmal die Atmosphäre genießen, bevor 60.000 nach Stratford strömen, um die Zeremonie zu sehen. Ebenso viele Menschen werden im Hyde Park, am Trafalgar Square oder irgendwo bei einem der kleineren Public Screenings in den Boroughs der Hauptstadt sein.
Wenn man in dieser Woche vor den Spielen durch die Straßen Londons geht, merkt man, dass die Stadt bereit ist für die Spiele. Klar, sieht man am Kiosk die Sun liegen, jeden Tag mit einer neuen Horrormeldung über Sicherheitslücken oder Verkehrsprobleme. Aber man fühlt sich niemals unsicher, das Land ist nicht nervös. Die Polizisten schlendern, wie sonst auch, mit ihrem Cappuccino-to-go durch die Strassen und bitten einen höflich, fast unbeteiligt, im Park doch bitte vom Rad abzusteigen. Klar, beklagen sich die Leute über die verstopften Strassen. Aber das sind Randnotizen, an die am Freitag um 20.12 Uhr, wenn im ganzen Land die Glocken jedes Kirchturms klingen werden, niemand mehr denken wird. Denn was man auch sieht, sind die Akteure, die begeistert von den Proben der Eröffnungsfeier kommen und beten, dass es am Freitag nicht regnen wird. Oder die Volunteers, die mit ihren mehr funktional als modisch gestalteten Outfits aus der Tube aussteigen oder durch die Straßen gehen und stolz eine Botschaft vermitteln: Ich bin teil dieser Sache und ich mache es gerne.
Trotz all des Kommerz, der die Spiele unweigerlich eingenommen hat, ist es immer noch das größte Sportereignis der Welt. Ich begeistere mich nicht für Olympia, weil mir an jeder Ecke in London Samsung auflauert oder Coca Cola etwas andrehen will. Und natürlich mag es irrsinnig erscheinen, wenn außer McDonald an den Sportstätten keiner Fritten verkaufen darf (es sei denn zusammen mit Fisch, als Fish’n Chips, dann ist es schließlich britisches Kulturgut), aber sind wir mal ehrlich, McDonalds und all die anderen zahlen dafür auch einen shitload of money. Außerdem zeigen die im Anhang dieses Artikels eingefügten Videos, dass die aus dem Ereignis resultierende Werbung ebenfalls in der Lage ist, das Flair von Olympia einzufangen. Und nur dieses Geld macht es möglich, dass nach wie vor grosser Sport im Zentrum dieser Veranstaltung steht.
Und welche Stadt wäre besser geeignet, um als Schauplatz dafür zu dienen? Bekannt und imposant klingt das Programm – Tennis in Wimbledon, Fußball in Wembley und Triathlon im Hyde Park. Das Konzept, das vor Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung nur so strotzt, vermag ich nicht zu durchschauen oder zu beurteilen, aber wenn man hervorragende, bereits vorhandene Sportstätten nutzt, statt neue zu bauen und neu errichtete nachher wieder abbaut und weiter verwertet, erscheint das für den Laien zumindest einleuchtend.
Der Brite an sich ist nicht euphorisch, sondern zurückhaltend und überlegt. Aber wer die Spannung in dieser Stadt gespürt hat, als Andy Murray im Finale von Wimbledon stand, oder wer gesehen hat, wie bei diesem stolzen Volk alle Dämme brechen, wenn eine alte Frau in einem ebenso alten Boot bei strömendem Regen über die Themse fährt, der stellt schnell fest, dass die Briten weiss Gott begeisterungsfähig sind. Und das wird diese Spiele prägen.
Also, der Pimm’s ist gekühlt, alles ist bereit für den Great British Summer.
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MEHR DAZU
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- Du planst noch einen Spontantrip in die britische Hauptstadt? Hier sind meine ganz persönlichen Reisetipps für London.
- Zur Einstimmung, die besten, emotionalsten, witzigsten britischen Olympia Werbspots:
Bronze für British Airways
Silber für P&G
Gold für die BBC
1 Comment
Ruben Schönenberger
“Und nur dieses Geld macht es möglich, dass nach wie vor grosser Sport im Zentrum dieser Veranstaltung steht.” – naja… würden beim IOC (wie auch bei der FIFA) nicht Unmengen an Geldern irgendwo versickern, wäre auch weniger Geld nötig. Grosser Sport braucht keine Unmengen an Geld…