“Oh Boy” – eine erfrischend ruhige Filmkomödie.

Das deutsche Kino lebt! Abseits von Mainstreamproduktionen à la Til Schweiger und Matthias Schweighöfer gibt es auch immer wieder einige wirklich schöne Filme. Der Regisseur Jan Ole Gerster zeigt in seinem Spielfilmdebüt, wie es geht.

„Oh Boy“ – der Titel klingt eigentlich eher nach einer amerikanischen Komödie als nach einem deutschen Independent-Werk. Als Titelheld stellt man sich den klassischen Versager mit viel Fremdschämpotential vor, auf dessen Kosten sich das Publikum 90 Minuten lang amüsieren kann, bevor er dann doch einsieht, dass er sein Leben so nicht weiterleben kann und am Schluss doch noch mit seiner Traumfrau zusammenkommt. Wer etwas in diese Richtung erwartet, wird enttäuscht. Denn Niko, der Protagonist des Films, ist zwar auch alles andere als die Personifikation von Erfolg, aber rein zeitlich wäre eine Wandlung wie in einem der beschriebenen Hollywoodstreifen unglaubwürdig: „Oh Boy“ dokumentiert nämlich nur einen Tag im Leben seines Titelhelden.

Was dieser erlebt, wirkt auf den ersten Blick unspektakulär: Cafébesuche, Treffen mit Freunden und ein Gespräch mit dem neuen Nachbarn, ein Theaterbesuch. Aber der Reihe nach. Es beginnt damit, dass Niko am morgen früh aufsteht und seine Freundin alleine zurück lässt, mit der Begründung, er habe viel vor. Schnell wird klar, dass das nicht ganz der Wahrheit entspricht, denn sobald er aus dem Haus ist, fällt ihm eigentlich schon nicht mehr ein, was er tun soll. Wir erfahren, dass er vor zwei Jahren sein Jurastudium abgebrochen hat, seitdem „denkt er über alles nach“, wie er selbst seinem Vater erklärt, der ihm weiterhin monatlich 1000 Euro zur „Studiumsfinanzierung“ überwiesen hat. Zufällig ergeben sich dann doch ein paar Sachen zu tun, so wird er zum Beispiel Zeuge des Drehs (noch eines) Films über die Nazizeit und trifft eine alte Schulfreundin wieder. Zusammengehalten werden die einzelnen Episoden durch Nikos erfolglose Suche nach einem Kaffee – einer ganz normalen Tasse Filterkaffee, ohne Sojamilch und selbstgebackene Biohefeschnecken als Beilage.

Die Szenen mögen auf den ersten Blick wahllos wirken, aber gerade in ihrer Alltäglichkeit liegt wahrscheinlich eine tiefere Wahrheit – über Nikos Generation, die hip sein möchte, aber antriebslos wirkt, über Berlin, das sich perfekt als Kulisse eignet und endlich einmal nicht wie in einem Werbespot dargestellt wird und vielleicht auch über das Leben, dessen wesentliche Momente vorbeiziehen, ohne dass wir es bemerken.

In Erinnerung bleiben von dem Film sein ruhiger, unaufdringlicher Soundtrack und seine Momente voller Alltagskomik, die trotzdem ernsthaft bleiben. In der Schweiz läuft der Film am 10. Januar nächsten Jahres an. Unbedingt vormerken!

Eckdaten: Oh Boy, Deutschland 2012, Regie: Jan Ole Gerster, u.a. mit Tom Schilling, Friederike Kempter, Marc Hosemann

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