prisma bald am Staatstropf?

Sommerpausen sind toll. Man kann die Seele baumeln lassen, ohne medial ununterbrochen und von allen Seiten belagert zu werden. Man kann getrost die Zeitung beiseite legen und sich seinem Serienmarathon widmen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Man muss sich nicht jeden Sonntag um 23 Uhr über den kommenden Montag und die vergangene Ausgabe von Giacobbo/Müller ärgern, die wieder einmal der Gipfel der Unkomik war. Und wenn dann sogar Schawinski aufhört zu talken (hat er eigentlich auch die Sommerpause erfunden?) und man es schafft, sich von den kuriosen SRF-Kreationen mit Älplern und Metzgern fernzuhalten, dann ist der Sommer zumindest medial eigentlich perfekt. Fast.

Denn das Sommerloch ist immer auch ein Sprungbrett für Schnapsideen. Manche politischen Postulate sind so absurd, dass sie ohne die philantropische Unterstützung der Hitze und der Ferienabwesenheit der meisten Leser, Hörer und Zuschauer (und fairerweise auch shitstormer) nie die Chance hätte, im medialen Dschungel das Licht der Welt zu erblicken. Der neueste Coup dieser Kategorie: Das Medienförderungskonzept der SP. Die Sozialdemokraten wollen im Sinne eines “demokratiegerechten Mediensystems” pro Jahr 200 Millionen Franken in einen Medien- und Journalismusfonds “investieren” (=ausgeben), der direkte Subventionen an verschiedene Medienhäuser leistet. Hehre Ziele in einem Land, in dem es nicht unüblich ist, dass Zeitungstitel älter sind als der Bundesstaat selbst.

Meine These: Die demokratierelevante Information und Diskussion funktioniert medial in keinem entwickelten Land so gut wie in der Schweiz. Trotz (oder gerade wegen?) des begrenzten (und deshalb auch begrenzt lukrativen) Marktes haben sich bei uns – mit einer Ausnahme, der berühmten Saturnwoche (Name vom Autoren geändert) – aus den Zeitungs-, Radio- und Fernsehformaten noch keine Propagandamaschinen à la Fox-News als Teil des gigantischen Murdoch-Meinungsimperiums gebildet. Auch die Politisierung der Journalie, wie sie im verlinkten und verfilzten Italien Usus ist und im heutigen Deutschland sich sehr subtil ausbreitet, hat in der Schweiz nur wenige Nachahmer gefunden.

Stattdessen ist es möglich, dass die besagte Saturnwoche nur wenige Tage vor einer Bundesratswahl “ihren” Kandidaten zu Fall bringt – richtigerweise. Aufgebauschte Kampagnen, wie sie im Ausland auf der Tagesordnung stehen, gibt es selten und sind ausserhalb des Sünnelipartei-Spektrums eigentlich kein Thema. Alle demokratischen Kräfte erhalten eine öffentliche Plattform und können sich dem Urteil der Öffentlichkeit stellen. Dank einem hohen Bewusstsein für Qualität und unabhängige Berichterstattung sind die Schweizer Massenmedien, flankiert von profilstarken Nischen-Playern wie infosperber.ch, toxic.fm oder (und das ist durchaus ernst gemeint) prisma zuverlässige Stützen der Demokratie.

Diesem Medienkosmos, von den Sozialdemokraten als “System” gebrandmarkt, soll jetzt ein intravenöser Zugang gelegt werden. Die SP will die durchaus ernstzunehmenden Gefahren in der Medienbranche, von der Kommerzialisierung der Medieninhalte bis hin zur Monopolbildung und Kartellisierung einzelner Meinungsmacher, einfach mit Geld von oben herab zuschütten. Dass gerade die kritischen Geister im Journalismus vom Staat eine Zwangtherapie verschrieben bekommen und einzelne, am Markt nicht überlebensfähige Exemplare künstlich am Leben erhalten werden sollen, ist die Quadratur des Kreises, der Versuch der Zähmung eines wilden Tieres, das in die Freiheit gehört. Nicht “institutionelle Vielfalt”, wie die SP sich das wünscht, wäre das Resultat, sondern Einheitsbrei und ein gelähmter Ehrgeiz der einzelnen Häuser und ihrer Journalisten. Denn wer will Innovation, wenn sich dadurch nicht mehr Geld verdienen lässt?

Praktisch wird das Problem ein viel handfesteres sein, was sich daran gezeigt hat, dass sich gefühlte 30 Minuten nach dem Vorstellen des Positionspapiers durch die SP erste wortstarke Stimmen gemeldet haben: Nur Medien, die die Gleichstellung von Mann und Frau beherzigen, sollen von den staatlichen Direktzahlungen profitieren. Inhaltlich richtige, aber völlig deplacierte Begehrlichkeiten wie diese würden aus dem Boden spriessen und müsste von einer neu zu gründenden, multipartiten Allokationskommission (sprich einem Staatsapparat) koordiniert werden.  Auch die NSA und der Deutsche Nachrichtendienst werden Anspruch auf den “Medien-Soli” geltend machen, da sie nicht nur den öffentlichen Teil unserer Leben crossmedial speichern und reproduzierbar machen.

Und schliesslich wird prisma beantragen, dass allen 8000 Studierenden der HSG, die in ihrem Studentenmagazin “konzeptionell” mitarbeiten, ein Gehalt zur Wahrung der journalistischen Vielfalt ausgezahlt wird. (Der Kanton St. Gallen wird daraufhin die Studiengebühren erhöhen, “well die chaibe Studäntä aifach immo no z’vill Geld händ.”) All das zeigt: Es ist verdammt schwer, (guten) Journalismus von redaktionell aufbereiteter Werbung, geschickter Unternehmenskommunikation oder zwar interessantem aber schlicht irrelevantem Boulevard zu trennen.

Deshalb: Finger weg von mehr Staat im Journalismus! Dass der gigantische Geldverteilungmechanismus nicht funktioniert, zeigt sich am ausaufernden, künstlich induzierten Angebot von SRF (und den entsprechend hohen Billag-Gebühren). Was es aber braucht, ist mehr politische Bildung und die Partizipation vieler Bevölkerungsschichten, die immer noch vollkommen vom demokratischen Prozess ausgeschlossen werden, es braucht mehr Pioniere, die auch wirtschaftliche Missstände benennen und einen Schutz für whistleblower, der diesen Namen verdient. An die Adresse der SP ist deshalb nur die typische Sommerpausen-Antwort angemessen: Currently out of office. Please try again… (oder nöd).


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