Gewaltausschreitungen rund um Sportveranstaltungen veranlassten die Kantone, ein bereits bestehendes Konkordat zu verschärfen. Nach anfänglich klarer Zustimmung der Politiker wächst in den Sportstädten Zürich, Basel, Bern und Zug der Widerstand.
Pro
Schikane, Bevormundung, Missachtung von Grundrechten; so oder so ähnlich tönt es, wenn sich vermeintlich Sportbegeisterte über die im Hooligan-Konkordat verankerten Massnahmen erzürnen. Anlass zur Diskussion bieten Mittel wie Stadion- und Alkoholverbote, Leibesvisitation oder das Führen einer Hooligan-Datenbank. Wenngleich mit all diesen Massnahmen sicherlich auch Unannehmlichkeiten für die «gewöhnlichen Besucher» verbunden sind, so sind sie dennoch aus verschiedenen Gründen zu befürworten, sofern sie in einem verhältnismässigen und vernünftigen Rahmen durchgeführt werden.
Verschiedentlich machen die Kritiker des Hooligan-Konkordats geltend, die Grundrechte würden verletzt, allen voran das Recht auf persönliche Freiheit und der Schutz der Privatsphäre. Dem ist entgegenzuhalten, dass – selbst wenn ein Grundrecht betroffen ist – dieses unter entsprechenden Voraussetzungen eingeschränkt werden kann. Dabei ist eine sorgfältige Abwägung zwischen den schützenswerten Interessen an öffentlicher Sicherheit und Gesundheit sowie den Eingriffen für den Privaten vorzunehmen. Man darf sich hier schon fragen, wie denn der Staat dieses legitime Interesse anders erfüllen soll, als zum Beispiel über die Leibesvisitation zur Sicherstellung von pyroähnlichem Material von dem nachweislich eine grosse Gefahr für Leib und Leben ausgeht. Gleichsam scheint mir das Führen einer Datenbank über notorische Vandale geradezu die mildeste geeignete Massnahme, diesen Schutz präventiv zu gewährleisten. Dies, weil in persönlicher Hinsicht nur diejenigen getroffen werden, die tatsächlich eine Gefahr darstellen. Meines Erachtens mögen die Grundrechte der Zuschauer wohl tangiert sein, eine unzulässige Einschränkung vermag ich aber nicht zu erblicken.
Wer argumentiert, dass die im Hooligan-Konkordat vorgesehenen Massnahmen nichts bringen, weil zum Beispiel Alkohol bereits zu einem grossen Teil vor Anpfiff konsumiert wird oder Feuerwerkskörper zur guten Stimmung beitragen, muss sich entgegenhalten lassen, dass eben gerade das Spiel im Stadion der Katalysator für eine Eskalation sein wird. Selbst wenn ein grosser Teil des Alkoholkonsums ausserhalb der Spielstätten stattfindet, läuft das Fass eben gerade erst während des Spiels über. Die im Rausch ausgeübte Gewalt, wie auch die mehrere hundert Grad heissen Feuerwerkskörper entfalten ihr grösstes Gefahrenpotenzial schliesslich mitten in einer Menschenansammlung ohne unmittelbar zur Verfügung stehende Schutzmöglichkeiten. Der Vergleich mit Feiern im Freien ist daher geradezu absurd, fühlt man sich doch – zumindest bei den gefährlichen Spitzenspielen – wie in einer Sardinenbüchse. Ein Alkoholverbot und eine Leibesvisitation sind deshalb unumgängliche Mittel zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung im und um das Stadion.
Schliesslich darf man sich aber auch fragen, was wir denn als Bürgerinnen und Bürger vom Staat verlangen wollen und dürfen. Selbst wenn man den Staat auf das absolut Grundlegendste zurückdrängt; selbst wenn man alles, was mit Sozialem und Leistungen zu tun hat, schubladisiert – man also bei dem so liebevoll genannten «Nachtwächterstaat» ist – bleibt immer noch die Aufgabe der Sicherheitsgewährleistung nach innen und aussen übrig. Genau diese Aufgabe erfüllt das Gemeinwesen im vorliegenden Fall. Selbst mit dem liberalsten Weltbild erfüllt der Staat hier nur eine Aufgabe, die von ihm erfüllt werden muss, gerade weil die Privaten hierzu offensichtlich nicht in der Lage sind.
Unter dem Strich ist klar: Was dem einen eine Strapaze, ist dem anderen ein Stück gewonnene Sicherheit. Fragen muss man sich nur, wie viel einem Sicherheit und Gesundheit wert sind …
Contra
Seit einigen Jahren stellt eine Horde von Politikern und Medienvertreter die Fankultur unter Generalverdacht. Angeführt von FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter und Blick-Journalisten werden schärfere Gesetzte gefordert und solange diese noch nicht stehen, mutmassliche Randalierer am öffentlichen Pranger ohne gerichtliches Verfahren verurteilt. Als Fussballfan bekommt man immer mehr das Gefühl, automatisch ein Straftäter zu sein, wenn man seine Lieblingsmannschaft im Stadion anfeuert. Diese Vorverurteilung von Sportfans soll nun durch die Verschärfung des sogenannten «Konkordat anlässlich Gewalt an Sportveranstaltungen» verankert werden.
Doch durch den angeblichen «Kampf gegen Hooligans» wurden eine Reihe von Grundrechten verletzt und Sportveranstaltungen unattraktiv gemacht. Das Konkordat geht so weit, dass es private Sicherheitskräfte ermächtigen soll, bei allen Matchbesuchern ohne konkreten Verdacht Intimdurchsuchungen durchzuführen und die Identitätskarten zu scannen. Dies ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Erstens stellt es eine klare Verletzung des Gewaltmonopols des Staates dar. Zweitens ist es für den Normalbürger entwürdigend, sich im Intimbereich abtasten zu lassen und würde somit eine klare Verletzung der Verfassungsrechte der Menschenwürde und der Privatsphäre darstellen. Drittens schaden übertriebene Intimdurchsuchungen der Attraktivität von Sportveranstaltungen. Ein Familienvater mit seinen Kindern wird es sich zweimal überlegen, ob er diese Schikanen auf sich nehmen oder doch lieber zu Hause vor dem Fernseher das Spiel schauen will.
Und was will man mit den Intimdurchsuchungen überhaupt genau verhindern? Das Zünden der verteufelten Bengalos. Noch in den 90er-Jahren wurden die Brennkörper als attraktives Stimmungsmittel bejubelt, doch mittlerweile werden sie als Symbol des Hooliganismus verteufelt. Ausschlaggebend sind Einzelfälle, wie beispielsweise der Fakelwurf während dem Zürcher-Derby im Herbst 2011, welcher zum Spielabbruch führte. Solche Aktionen sind klar zu verurteilen, jedoch krasse Ausnahmen. An jedem 1. August gibt es wohl mehr Verletzte durch Feuerwerkskörper als in der ganzen Geschichte des Schweizer Fussballs. Trotzdem wird kein Feuerwerkskörperverbot für den 1. August gefordert.
Ein weiterer Punkt, der Fragen aufwirft, ist die krasse Bevormundung des Bürgers. So soll man nur noch in Gästesektoren dürfen, wenn man mit einem organisierten Transport anreist. Wie kann also ein in Genf beheimateter GC-Fan in den Gästesektor im Stade de Genève gelangen? Muss er zuerst nach Zürich, um dort in den Extrazug nach Genf einzusteigen, damit er sich ein Matchticket besorgen kann?
Unter Bevormundung fällt auch das Alkohol-verbot im Stadion. Warum soll es dem Normalbürger verwehrt werden, den Match mit einem Bier zu geniessen? Es ist nicht so, dass ein Fan gleich das Feld stürmt, nur weil er zwei Bier getrunken hat. Zudem würde dies die Wirtschaftsfreiheit stark einschränken. Sehr fragwürdig, wenn man bedenkt, dass die Fussballclubs in der Schweiz – der FC Basel ausgenommen – ohnehin schon mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Diese Probleme würden überdies zusätzlich verstärkt werden, wenn sich die Sportfans die Spiele zu Hause ansehen.
Wenn man auch noch beachtet, dass die Gewalt in und um Stadien in den letzten fünf Jahren abgenommen hat, wird dem Konkordat langsam aber sicher jegliche Grundlage entzogen. Zum Schluss: Kürzlich wurde im Stade de Suisse unter YB-Fans eine Umfrage zum Thema Sicherheit im Stadion durchgeführt. Resultat: 99 Prozent der Matchbesucher fühlen sich sicher. Wieso braucht es also noch dieses verfassungswidrige und populistische «Hooligan-Konkordat»?
1 Comment
Kakanana Pupolowski
ok