20 Sack Hirse reichen fürs Jahr

In Kamerun ist Geld stets ein Thema. In Gesprächen, in Träumen und auch in Scherzen.

Für die meisten von uns sind CHF 1.25 kaum der Rede wert. An unserer Uni kriegt man nicht einmal einen Automatenkaffee dafür. In Kamerun müssen 7 Millionen Menschen (bei einer Bevölkerung von 19 Millionen) mit weniger pro Tag auskommen. Trotzdem – oder gerade deshalb – spielt Geld in Kamerun eine ganz andere Rolle als bei uns in der Schweiz. Bei meiner dreimonatigen Reise durch dieses Land konnte ich erfahren, wie man dort mit Geld umgeht.

Ein trauriger Aspekt ist die unermüdliche, geradezu verzweifelte Suche nach Geld. Ganz im Norden des Landes besitzen die Menschen kaum finanzielle Mittel. Oftmals können wenige Francs den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Eine Malaria-Erkrankung kann man, wie ich selber herausfinden musste, mit ca. 7‘000 Francs (CHF 21.-) vollständig bekämpfen. Aber auch mit weniger kann man wieder gesund werden. Für viele Menschen sind jedoch schon die ersten 500 Francs (CHF 1.50), die man bar bezahlen muss, bevor man überhaupt einen Arzt zu Gesicht bekommt, ein Hindernis. Glücklicherweise sind die Dorfbande stark und die Menschen versuchen einander zu helfen. Vor allem alte Menschen sind oft auf die Unterstützung von Verwandten, welche in der Stadt leben, angewiesen. Und genau dorthin, in die reiche Stadt, zieht es die junge Bevölkerung von Kamerun. Zuerst in die näher gelegenen Kleinstädte, dann nach Douala: Kameruns Wirtschaftszentrum, pulsierende Metropole mit über 3‘000‘000 Bewohnern, und jeden Tag werden es mehr. In Douala geht die Suche nach Geld weiter. Das Leben ist in der teuersten Stadt Afrikas nicht einfach. Es gibt viele Arbeitskräfte und wenig Jobs. Und sollte man wirklich einen Arbeitsplatz finden, brauchen die Verwandten im Dorf Geld für Medikamente und den Schulbesuch der Kinder. So ziehen die Träume weiter und die Menschen richten ihre Hoffnung auf Europa oder Amerika. Europa, welches die meisten Kameruner nur aus dem Fernsehen kennen, aus Soaps und aus den Disney-Channel-Serien. Dort, wo das Geld auf der Strasse liegt, wird das Leben sicher einfacher sein.

Aber das Leben der Menschen in Kamerun hat auch schöne Seiten. Viele besitzen wenig, und das Wenige, das sie besitzen, teilen sie gerne. Auch mit der weissen Schweizerin, welche nur zu Gast ist. Ein Besuch ist jederzeit willkommen, ja, Menschen sind gar enttäuscht, wenn man sie nicht besucht, obwohl man in der jeweiligen Gegend war. Dabei ist es üblich, immer eine Kleinigkeit mitzubringen, wie zum Beispiel ein paar Kekse, Joghurt, Brot oder Wassermelonen. Beim Gastgeber wird man dafür verpflegt. Bei der Ankunft – der Fernseher läuft bereits, damit man sieht, dass ein Fernseher im Haus vorhanden ist – wird man gefragt, was man gerne trinken möchte. Der Gastgeber schickt ein Kind des Hauses in den nächsten Laden, welcher gleich um die Ecke liegt. Jeder Wunsch ist willkommen und die Familie wird alles versuchen, den Wunsch zu erfüllen. Auch auf dem Land ganz im Norden wird zumindest Wasser angeboten. Ist man angekün-digt, kann es vorkommen, dass ein Huhn zu Ehren des Gastes geschlachtet wird, welches man dann alleine oder, sofern man den Mann des Hauses einlädt, zu zweit essen soll. Bei einem solchen Huhnessen mit dem Familienoberhaupt erfuhr ich auch, dass er und seine Familie – eine Frau, zehn Kinder und, so Gott es will, werden es noch mehr – pro Jahr gerade einmal 20 Sack Hirse zum Überleben brauchen. Das reicht für die Familie und für ein paar Hühner, welche man dann bei Besuch schlachten kann. Der gleiche Mann fragte mich auch, ob die Schweiz in Südamerika liege, und als ich das verneinte, meinte er: «Ja, dann muss es wohl auf dem Kontinent Frankreich liegen.» Da er seine 10 Kinder zur Schule schicken möchte, bat er mich darum, seinem Onkel in Douala mitzuteilen, dass er Geld für die Schule brauche.


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