Zwei HSGler haben mit dem Projekt Gartengold ihr eigenes Unternehmen gegründet, das nicht nur regional Apfelsaft produziert, sondern auch Menschen mit einer Behinderung in den Arbeitsprozess integriert.
Die klassischen Ostschweizer Nebelschwaden haben sich in der kühlen Herbstluft bereits aufgelöst, als über dem Rosenberg erste Sonnenstrahlen blenden und das bunte Grüppchen vom Projekt Gartengold die reifen Früchte eines 80-jährigen Apfelbaums in Augenschein nimmt. Es ist eine verheissungsvolle Szene für den Saisonstart der Initiative, welche zwei HSG-Studenten im vergangenen Winter ins Leben gerufen haben.
Das Obst im Rotmontener Privatgarten ist nur der Auftakt zu einer intensiven Saison: Mehr als 360 Bäume wurden in der Region «gespendet». Deren Früchte werden mithilfe sozial benachteiligter Arbeitskräfte geerntet und zu Apfelsaft verarbeitet. Dass Lifestyle bei Gartengold nicht nur ein Verkaufsargument ist, wird bereits bei den ersten Arbeitsschritten klar: Spass und Freude an der Sache stehen im Vordergrund, der Baum wird auf seine Kletterqualitäten getestet, dem Herbst mit kräftigem Schütteln nachgeholfen (man geht vorzugsweise in Deckung). Auch die Gründer packen eifrig mit an und die Outdoor-Arbeitsstätte lässt Raum für Scherze und Gelächter.
Apfel statt App
Intensive Monate liegen hinter den beiden Jungunternehmern Leonard Wilhelmi und Albert Gebhardt, die nun endlich ihre ersten Äpfel ernten können: «Am Anfang wurden wir von einigen Bekannten belächelt. Als Start-up entwickelt man heute in der Regel eine App und wir kommen mit Apfelsaft …» Nun, wo sich erste Früchte zeigen, werde man ernst genommen – auch dank dem Seif Award für Social Entrepreneurship.
Da Albert und Leonard bereits im Elternhaus lernten, dass Unternehmertum nicht wie im Bilderbuch funktioniert, haben sie sich von Beginn weg intensiv engagiert: Auf der Suche nach Baumspendern gingen sie von Garten zu Garten und klopften an alle Türen, hinter welchen sie einen potenziellen «Goldbaumspender» vermuteten. Neben viel positiver Resonanz machten sie dabei auch immer mal wieder unfreiwillig Bekanntschaft mit angriffslustigen Hunden. Nur ist die Arbeit mit der Spenderakquise längst nicht getan: Die meisten Äpfel hängen noch an den Ästen, die Mostpresse ist noch nicht angeworfen und die Holzkisten für die stilgerechte Auslieferung an den Kunden werden aktuell noch in einer Behindertenwerkstatt produziert. Die HSG-Absolventen wollen mit dem Saftverkauf die Kosten für die Arbeitskräfte decken – und natürlich wünscht man sich bei Gartengold auch Kapital für neue Investitionen in die nachhaltige Weiterentwicklung des Projekts.
«En Saft für e gueti Sach»
An goldenen Zukunftsvisionen fehlt es nicht, denn das Entwicklungspotenzial ist vielfältig: neue Produkte, weitere Obstsorten, Erlebnis-Apfelpflücken oder eine geografische Expansion; manchmal sei es schwierig, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und den Realitätsbezug nicht zu verlieren. Vorerst liegt der Fokus jedoch auf dem Apfel. Ihr Konzept und die neu erworbenen «Mosterkompetenzen» wollen Albert und Leonard auch in anderen Regionen der Schweiz unter die Leute bringen.
Was neben grossen Zukunftsvisionen nie in Vergessenheit gerät, ist die eigentliche Mission der Gartengoldgründer: Momentan sei man sehr saisonal ausgerichtet – «wir wollen uns jedoch dahingehend entwickeln, dass wir das ganze Jahr Menschen beschäftigen und integrieren können». Klar ist, dass Albert und Leonard in erster Linie aus Überzeugung handeln, genau wie ihre Spender, denn: «Gratis Apfelsaft gibt es für die Baumspender nicht, dafür werden auch faule Äpfel beseitigt und im Garten etwas aufgeräumt.»