«Alle glauben, dass Suizid etwas Schlechtes ist …»

Joël, du studierst BWL und hast in deiner Freizeit 1’000 Stunden aufgewendet, um «Suizid ist Selbstmord» zu schreiben. Warum hast du diesen Schritt gewagt?

«Ich hatte nie das Gefühl, mit meinem Projekt etwas gewagt zu haben. Ich schreibe einfach gerne und habe immer wieder versucht, einen Roman zu schreiben.»

In seinem Buch geht es um Themis, einen narzisstischen Chefredaktor, der alles im Griff hat, einen vereitelten Selbstmord und einen unbekannten Retter, der nicht weiss, dass er um sein Leben fürchten sollte.
Suizid ist nicht gerade das angenehmste Thema. Warum schreibst du darüber deinen ersten Roman?

«Weil alle das Gefühl haben, dass es ein unangenehmes Thema ist. Und weil alle glauben, dass Suizid etwas Schlechtes ist, das man um jeden Preis verhindern muss. Dabei vergisst man, dass das Leben ohnehin endlich ist und dass man einem Individuum seine elementarste Grundfreiheit raubt, wenn man vorschreibt, wann es zu sterben beziehungsweise nicht zu sterben hat.

Doch obwohl ich diese Meinung generell vertrete, war meine Intention weniger, die gesellschaftliche Meinung zu (ver-)ändern, als vielmehr ein Thema von einer ganz neuen Seite zu beleuchten. Ich wollte etwas schreiben, das noch niemand zuvor in dieser oder einer ähnlichen Weise geschrieben hat. Und bisher kenne ich keinen, der so häretisch war, einen Suizidenten als narzisstischen Erfolgsmann und den Retter als asozialen Mörder darzustellen. Vielleicht zur allgemeinen Beruhigung: Am Ende des Buches können auch jene ruhig schlafen, die nun das Gefühl haben, meine Ansichten seien jenseits von Gut und Böse.»

Themis, der Protagonist der Geschichte, sagt hierzu: «Selbstmord und Selbstverantwortung haben nicht nur das gleiche Präfix! Das eine bedingt das andere. Das andere legitimiert das eine.»
Themis, der Held deines Romans, entscheidet sich für Selbstmord, weil er alles erreicht hat im Leben. Wie bist du auf diesen Gedanken gekommen?

«Nun ja, was ist das Gegenteil vom Klischee-Suizidenten, der verzweifelt sein Leben am Tiefpunkt sieht und dieses fluchtartig verlassen will? Ich wollte beziehungsweise brauchte für meine Idee einen Protagonisten, der diametral zu all den Klischees steht. Einen, der als Sieger angesehen wird. Einen, der nicht fluchtartig, sondern erhobenen Hauptes entschliesst, die irdische Welt auf dem Höhepunkt seines Lebens zu verlassen, um einen weiteren Schritt vorwärts- respektive aufwärtszukommen.»

Wie muss man sich Themis Persönlichkeit vorstellen? Hatte er keine bessere Idee, als Selbstmord zu begehen, nachdem er alles erreicht hat?

«Die Persönlichkeit von Themis ist natürlich bedeutend vielschichtiger, als sie bisher dargestellt wurde. Leider würde ich zu viel vom Roman verraten, wenn ich hier konkreter auf Themis Charakter einginge.

Wenn ich aber an Themis Stelle antworten müsste, dann würde ich wohl so argumentieren, dass man am absoluten Höhepunkt, am Ende seines persönlichen Traums nicht vorwärtsgeht, wenn man ein neues Projekt anfängt. Und dass ein karrieregeiler Workaholic sich schwertut, das Leben zu geniessen, verstehe ich auch irgendwie. Aber als Autor bin ich nur die Sekundärquelle und deshalb verweise ich für diese Fragen lieber auf den Roman – auf Themis Gedanken.»

Salomon sagt: «Alles ist nichtig!» (Prediger 1.2). Er hat auch alles erreicht im Leben, die innere Ruhe hat er allerdings erst durch die Begegnung mit Gott gefunden. Wie würde Themis dazu stehen?

«Eine herrliche Frage, die Themis zur Selbstreflexion zwänge. Und damit hätte er wohl Mühe. Ich glaube, Themis hat ein eher immanentes Bild von Gott. Er will ihm zwar auch begegnen – aber auf gleicher Augenhöhe. Sich in devoter Askese üben, das wäre für Themis die Hölle. Er will die Transzendenz lieber selbst erleben. Selbst mit Gott sprechen. Womöglich sogar selbst Gott sein.»

Joël Krapf

Alter: 24 Jahre
Herkunft: Bern
Studium: 6. Semester BWL
Lieblingslektüre: Markus Werner
Lieblingsmusik: alles und nichts
Lieblingsgericht: alles, was ich nicht selbst gekocht habe

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