Alles prima mit dem Klima?

Unsere Zivilisation steht vor dem Kollaps. Wir können uns selbst nicht hinreichend versorgen und bis 2050 wird es noch 3.5 Milliarden Menschen mehr auf diesem Planeten geben. Eine Abwendung des Klimawandels ist bereits heute unmöglich.

Das Wunder von Bern kennst du, aber das Wunder von Kopenhagen sagt dir nichts? Das ist keine Schande. Es liegt weniger an deiner Ignoranz als an der Tatsache, dass es einfach allgemein nicht bekannt ist. Fast niemand kennt das Wunder von Kopenhagen.

Konferenz mit unbeachtetem Ausgang

Die mediale Berichterstattung zur UN-Klimakonferenz in Kopenhagen Ende 2009 beschränkte sich vor allem auf die Fortschritte, die es nicht gab. Ein Nachfolgeprotokoll zu Kyoto beispielsweise. Oder ein Brechen der arroganten und ignoranten Haltung der Vereinigten Staaten. Beides gab es nicht. Stattdessen geschah etwas anderes, etwas Einzigartiges. Es ist so imponierend, dass wir es als das Wunder von Kopenhagen bezeichnen wollen: Die grossen Schwellenländer Indien und China verpflichteten sich informell, ihren CO2-Ausstoss nur noch unterproportional zum Wirtschaftswachstum zu steigern. Und dies ohne einen finanziellen Ausgleich oder ein Entgegenkommen der Industrieländer. Zugegeben, auf den ersten Blick scheint das Wunder nicht allzu wundersam zu sein. Es stellt aber die notwendige Grundlage für eine vertragliche Fixierung dar, mit der die CO2-Emissionen zukünftig stärker gesenkt werden können. Nur so kann ein Nachfolgevertrag für das Kyotoprotokoll überhaupt geschaffen und das 2°C-Ziel vielleicht doch noch erreicht werden. Dieses Ziel bedeutet, dass die Erdtemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter um nicht mehr als 2°C steigen soll. Nur so kann eine globale Erwärmung ausreichend abgeschwächt und eine Klimakatastrophe noch abgewendet werden.

Unsere einzige Chance

Dieses ultimative Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn es der Weltgemeinschaft gelingt, bis zum Jahre 2050 nur eine Menge von maximal 750 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre zu emittieren. Und dann besteht auch lediglich eine 66%ige Chance, das 2°C-Ziel zu erreichen. Ja, solche Dinge kann man anscheinend tatsächlich ausrechnen. Nun scheinen 750 Mrd. Tonnen ziemlich viel zu sein. Allerdings gibt es auch eine Menge Menschen auf dem Planeten und es werden immer mehr. Zudem muss am Anfang des Prozesses sehr viel mehr gespart werden als am Ende, da momentan emittierte Treibhausgase über einen längeren Zeitraum und dadurch potenzierter wirken als später emittierte.

Was wir tun müssen

Für dich als Bürger eines westlichen Industrielandes heisst das, dass du deinen persönlichen CO2-Ausstoss bis 2025 auf 5.36 und bis 2050 auf 3.0 Tonnen reduzieren musst. Bist du nun Franzose, ist das gut, denn wegen eures vielen Atomstroms liegen deine aktuellen Emissionen nur bei 5.8 Tonnen im Jahr, das bekommt man mit einem reduzierten Entrecôte-Konsum locker hin. Als Deutscher hast du da eine grössere Aufgabe vor dir. Um deinen aktuellen Ausstoss von 9.7 Tonnen zu verringern, muss wohl schon ein Elektroauto oder eine BahnCard her. Die Schweizer liegen auch hier mal wieder vorne und müssen bei 5.6 Tonnen CO2 im Jahr nur hin und wieder mal den Töff stehen lassen. So weit die guten Nachrichten. Jetzt die schlechte: Das Ziel ist für die Periode von jetzt bis 2025 nicht mehr erreichbar. 2006 wäre es noch möglich gewesen, aber nun ist es bei gegebenem Wirtschaftswachstum und ohne Wohlstandsverlust nicht mehr einzuhalten.

Das Verrückten-Dilemma

Doch genau bei diesem Wohlstandsverlust müsste man wiederum ansetzen. Jedem vernünftigen Menschen sollte klar sein, dass bei beständig wachsender Weltbevölkerung (von denen ein aufstrebender Teil überdies ständig wachsende Bedürfnisse hat) eine Abwendung der Katastrophe ohne Wohlstandsverlust für gewisse Gruppen gar nicht denkbar ist. Und jedem vernünftigen Menschen sollte umso mehr klar sein, dass die Katastrophe selbst erst recht der Inbegriff von Wohlstandsverlust wäre. Und zwar für alle Gruppen. Angenommen, wir sind eher philanthropisch veranlagt und glauben daran, dass der Grossteil der Weltbevölkerung vernünftig ist und bereit wäre, im Kollektiv für die gute Sache gewisse Nachteile auf sich zu nehmen, dann ist es genau ein Wort dieser Formulierung, das ein Problem verursacht: Kollektiv. Wir erinnern uns an das berühmte Gefangenendilemma aus der Spieltheorie. Das hier thematisierte Verrückten-Dilemma ist sehr eng verwandt mit unserem alten Bekannten: Eine noch so grosse Ansammlung Vernünftiger wird durch die Entscheidung eines einzigen Verrückten spieltheoretisch dazu veranlasst, eine ebenso unvernünftige Entscheidung zu treffen, um nicht schlechter gestellt zu werden. Vorausgesetzt natürlich, die Vernünftigen bilden mit dem Verrückten ein gemeinsames System. Doch werden wir konkret: Sobald ein einziger (verrückter) Staat dieser Erde, der ausreichenden wirtschaftlichen Einfluss hat, nicht bereit ist, in seiner Klimapolitik zu kooperieren und damit geringfügige Einschränkungen in Kauf zu nehmen, sind die anderen (vernünftigen) Staaten spieltheoretisch gezwungen, es ihm zumindest partiell gleichzutun, um nicht wirtschaftlich ausgebootet zu werden. Wie beim Gefangenendilemma wird ein Ergebnis weitab des Optimums gefunden – wegen einzelner Verrückter, und dies, obwohl es durchaus kooperationswillige Staaten gibt. Hier muss die Politik ansetzen.

Das Grossvaterproblem

Ein Argument, das von den soeben als Verrückte titulierten Staaten bisweilen geäussert wird, ist das so genannte Grossvaterproblem. Es besagt, dass man nur dann viel Dreck machen darf, wenn der eigene Grossvater auch viel Dreck gemacht hat. Und wenn der eigene Grossvater bescheiden gelebt hat und wenig Dreck verursacht hat, dann ist man selbst ja auch an wenig Dreck gewöhnt und kann folglich besser kooperieren als die anderen. Das ist die Theorie der USA, wenn sie von China erwarten, den totalen Energieverbrauch zu senken, obwohl deren Pro-Kopf-Verbrauch völlig jenseits dem der USA liegt und auch in Jahrzehnten dieses Niveau nicht erreichen kann. Offensichtlich haben die USA entschieden, dass der Pro-Kopf-Verbrauch irrelevant ist und der Totalverbrauch zählt. Wenn sich die USA sowie China und Indien an Gipfeln wie Kopenhagen die Köpfe einhauen, dann liegt das meistens daran, dass die USA mit dem Finger auf China zeigen, so nach dem Motto: «Wir machen erst was, wenn ihr mit euren 1.4 Milliarden im Land bereit seid, so viel einzusparen, wie wir mit unseren knapp 200 Millionen.» Der Energieverbrauch Chinas entspricht heute dem der USA. Der Lebensstandard noch lange nicht. Mit anderen Worten: «Bitte, Indien und China, macht keinen Stress und bleibt arm, damit es uns weiterhin gut gehen kann.»

Global Governance

Diese Überlegungen führen zu einer prekären Überlegung: Gibt es ein Menschenrecht, Dreck zu verursachen? Und wenn ja, hat jeder Mensch das gleiche Recht dazu? Und schon sind wir an der Stelle, uns zu fragen, wie demokratisch diese Themen eigentlich behandelt werden. Die USA sind mit knapp 20 Prozent Anteil der grösste Energieverbraucher des Planeten (mit China zusammen auf Platz 1). Ihre Bevölkerung umfasst 3 Prozent. Das aktiv wählende Volk der USA beträgt davon noch mal etwa die Hälfte. Trotzdem beeinflusst die politische Ausrichtung der USA die gesamte Weltbevölkerung – und zwar zu keinem geringen Grad, insbesondere, wenn wir uns die globalen Implikationen des Klimawandels anschauen (von militärischer Macht ganz zu schweigen). Das bedeutet, sehr auf die Spitze getrieben, dass 1.5 Prozent der Weltbevölkerung über den Rest entscheidet. Das entspricht einem schlechteren Demokratieverständnis, als wir es im Dreiklassenwahlrecht Preussens kannten. So weit mal veranschaulicht, wie demokratisch in der Realität Global Governance wirklich funktioniert. Interessant ist dennoch, dass der Westen gerne nach China zeigt und die Ansicht zu vertreten scheint, dass eine Demokratisierung Chinas notwendige Grundlage für eine globale Kooperation ist.

Drei Szenarien

Das klingt nun bisher doch alles relativ pessimistisch. Vielleicht also verstehen wir nun, warum es so besonders und einzigartig war, was in Kopenhagen passiert ist. Dass die Gesamtrechnung aufgeht, ist jedoch keinesfalls garantiert. Denn bisher haben wir noch nichts Verbindliches vorliegen und auch die USA halten sich weiter feige hinterm Berg. Dazu, wie es weitergeht, hat der Club of Rome drei Szenarien entworfen: Zunächst müssen wir uns damit konfrontieren, dass die ganze Sache schiefgeht. Dann tritt die ökologische und in deren Folge die soziale Katastrophe ein, wie sie sich jährlich durch Naturkatastrophen jedweder Art bereits ankündigt. Dieses Kollaps-Szenario kommt zurzeit mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 15 Prozent daher. Die Chancen, dass wir den Pfad der Nachhaltigkeit doch noch einschlagen und den Kollaps durch einen globalen Masterplan von einer stark reduzierten CO2-Emission, kombiniert mit massiver Aufforstung, noch abwenden können, liegen immerhin bei 35 Prozent. Am wahrscheinlichsten ist jedoch das Szenario der Brasilianisierung der Welt. In diesem Falle wirst du als Bewohner eines westlichen Industriestaates nicht unbedingt gut wegkommen. Es sieht vor, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich weiter deutlich auftut, was letztlich zu einer extremen Aufspaltung führt – in eine sehr kleine und sehr vermögende Oberschicht und in die breite Masse, auf deren Kosten die Erstere leben wird. Letztere wird nicht mehr in der Lage sein, ihre grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen, das heisst wir müssen mit einem gravierenden Verlust unseres Wohlstands und unseres Lebensstandards rechnen. Die nötigen Einsparungen werden der Mehrheit der Menschen einfach von der herrschenden globalen Elitekaste aufgezwungen. Durch exorbitant steigende Energiepreise wird es zudem zu einer zunehmenden Verarmung kommen.

Die Natur siegt in jedem Fall

So wie er es schon in den Jahrmillionen vor unserer Existenz getan hat, wird sich unser Planet also auch in diesem Falle erneut selbst regulieren. Auf unsere Kosten. Wir werden die Verlierer sein, wir, die Menschen, vor allem die Menschen in Europa, die ihren Wohlstand lange genug auf den Schultern von so genannten Entwicklungsländern aufgebaut haben. Fest steht, dass dieses eine Wunder nicht reichen wird, um unseren Planeten zu retten.


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