Das rekordverdächtig schlechte St. Galler Wetter hat dir beim Smalltalk bestimmt schon mehr als einmal den Hals gerettet. Höchste Zeit, diesem Regen-Mythos mithilfe eines kompetenten Wetterfroschs nachzugehen.
Wenn es morgens heisst «raus aus den Federn», dann dreht sich der übermüdete Student schlaftrunken aus dem wohlig warmen Nestchen. Ein Espresso ist schnell heruntergestürzt, die Wohnung verriegelt und der Weg zum Vorlesungssaal in Angriff genommen. Der Schreck, der dem guten Studenten dann ein wenig stärker durch den Körper fährt, wenn er mit einem Griff in die Tasche feststellen muss, dass der Regeschirm aufgrund des Morgenstresses nicht darin Platz gefunden hat. Hoffen und Bangen vermag dann nicht mehr weiterzuhelfen. Denn es scheint, als könnte man sich in St. Gallen einer Sache sicher sein; der «saint»-gallische Wetterfluch wird zuschlagen. Wer seinen Schirm Zuhause lässt, steht sobald – bemitleidet von den anderen – wie ein begossener Pudel an der Bushaltestelle.
St. Gallens schlechtes Wetter wird nicht nur auf Jodel thematisiert, sondern dient auch äusserst treu als beliebtes Smalltalk-Thema. Doch wie schlecht ist das Wetter in St. Gallen wirklich? Joachim Schug, Meteorologe beim grössten Dienstleister für Wettervorhersagen in Europa, erklärt, dass St. Gallen nicht nur aufgrund seiner Nähe zum Alpenrand, sondern auch infolge der höheren Lage kühlerem und feuchterem Wetter ausgesetzt ist, als andere Universitätsstädte wie Zürich, Basel und Genf, die durchschnittlich 410 Meter tiefer liegen. Es regnet in St. Gallen mit 1324 Litern pro Quadratmeter zwar mehr als in Zürich oder Basel, aber immer noch weniger als im südlichen Locarno. Das von Studierenden oft beklagte Regenwetter ist auch von der Nähe zum Bodensee beeinflusst, über welchem sich die Wolken mit noch mehr Feuchtigkeit aufsaugen. Dies kann dann zu besonders starken Niederschlägen führen.
Rarität Badiwetter
Wer seiner Sommerfigur nicht wirklich vertraut, ist mit St. Gallen gut bedient. Mit durchschnittlich mickrigen 19 Tagen Badiwetter pro Jahr gehört St. Gallen bei den Universitätsstädten eher zu der Schlussgruppe. Zürich oder auch Basel haben da mit mehr als doppelt so vielen warmen Sommertagen klar die Nase vorne. Nur in Luzern kriegen die Studierenden noch weniger Sonne ab als in St. Gallen. Mit 1423 Sonnenstunden ist den Luzerner Studenten noch stärker ans Herz zu legen, eine elegante Blässe als universitärer Schönheitstrend zu etablieren, als den St. Gallern mit 1535 Stunden. Wenn einem die Faktenlage als Student so klar vor Augen geführt wird, erscheint jede weitere Sommerstunde in der Bib noch mehr als pure Zeit-Verschwendung.
Kopf hoch!
Wer will überhaupt schönes Wetter, wenn sowieso die Bücher rufen? St. Gallen wird gerade im Herbst und Frühling, sprich nach den Prüfungsphasen, vom Südföhn besucht. Dieser bringt warmes und trockenes Wetter, das wir dank Freizeit im Überschuss – Vorlesungen sind schliesslich nicht zum Besuchen da – voll und ganz geniessen können. Wenn ihr also wieder einmal mit dem obligaten Gläschen Weisswein oder Pitcher Bier vor dem Adhoc sitzt, dann bedeckt eure blasse Haut mit den schönsten Stoffen und dankt dem Südföhn!