Das Kolmar’sche Freiheitsprinzip

Macht der zweite Porsche im dritten Ferienhaus wirklich frei? Unsere Umfrage hat gezeigt, dass Freiheit eng mit Wohlstand verknüpft ist. Martin Kolmar beleuchtet dieses Thema ökonomisch und philosophisch.

Sozialwissenschaftlich gesehen, erklärt Martin Kolmar, ist Geld eine Konvention: «Geld hat eine spezielle Ontologie – nur solange wir daran glauben, dass es existiert, existiert es auch.» Um eine Verbindung zwischen Geld und Freiheit herstellen zu können, müsse man sich aber auf eine metaphorische Ebene begeben. Er erläutert: «Wenn jemand sagt, Geld gebe ihm Freiheit, dann ist nicht dieses ontologische Etwas gemeint, sondern ein Mittel, das es ihm ermöglicht, seinen Willen in die Aussenwelt zu verlängern.»

Macht Konsum frei?

«Einer der Grundmythen unserer Gesellschaft ist, dass wir bestimmte existenzielle Probleme durch Konsum befriedigen können», meint der Professor. Je mehr man seine Vorstellungen vom guten Leben an Materielles binde, desto eher verfalle man der Idee, durch Konsum ein erfülltes Leben erlangen zu können. Umso schwieriger werde es aber auch, seine Bedürfnisse zu stillen. «Ob der zweite Porsche im dritten Ferienhaus dann wirklich das Sinnversprechen, dessen Einlösung man sich erhfft, erfüllt, muss jeder für sich selbst entscheiden», lacht er.

Martin Kolmar
Martin Kolmar

Es brauche Zeit zu erkennen, inwieweit Geld frei mache: «Uns ist ein pawlowscher Reflex anerzogen: Wenn wir Geld sehen, setzt Speichelfluss ein. Das zu korrigieren ist aufwendig, selbst wenn man bald merkt, dass dieser Relfex einem nicht gut tut.»

Zu Beginn ihrer Karriere seien viele zu dieser Einsicht noch nicht gekommen, meint Kolmar: «Das geschieht durch Frustration – indem man merkt, dass man der Idee verfallen ist, die Spielräume, die einem Geld ohne Zweifel verschaffen, die wichtigen Spielräume sind und der nächste Konsumakt nun aber dauerhaft ein bestimmtes Bedürfnis befriedigt. Und irgendwann muss man einsehen, dass das nicht stimmt.»

Was ist Freiheit?

«Durch unser soziales Umfeld werden wir stark geprägt», erklärt der Professor. Der derzeitige Trend gehe dahin, das Humboldtsche Bildungsideal einer zweckfreien Persönlichkeitsbildung zu Gunsten einer Vorbereitung für den Arbeitsmarkt zu ersetzen: «Trotzdem hat jeder die Möglichkeit, Dinge zu hinterfragen und seine Einstellung dazu zu ändern. Freiheit ist im Wesentlichen eine Haltung den Dingen gegenüber. Wir reden aus historisch nachvollziehbaren Gründen fast ausschliesslich über äussere Freiheit; wenn wir aber bei der Haltung den Dingen gegenüber ansetzen, meinen wir innere Freiheit, Autonomie. Diese scheint mir für ein erfülltes Leben wichtiger zu sein.»

Zur Beziehung von Arbeit und Freizeit stellt er klar: «Es wird oft die Wichtigkeit einer Work-Life-Balance betont. Das impliziert zwei widersprüchliche Narrative: Zum einen herrscht eine protestantisch geprägte Auffassung von Arbeit vor, nämlich dass diese dem Leben Erfüllung gibt. Zum anderen grenzen wir davon eine ‹sinnvolle› Freizeit ab. Aber es ist doch furchtbar, einen grossen Teil seines Tages mit etwas zu verbringen, das einem nicht intrinsisch wichtig ist.»

Laut Kolmar ist es deshalb essenziell, für sich etwas Sinnstiftendendes zu finden, und diese Unterscheidung überflüssig zu machen. «Ob das im Endeffekt viel Geld einbringt, sei dahingestellt. Man erreicht so aber eher das Ideal der Autonomie.» Geld allein hingegen garantiere dies nicht.


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