Ein Interview mit David Bosshart (CEO des Gottlieb Duttweiler Instituts) nach dem HSG TALENTS Conference Opening Panel über den Einfluss der Technologie in unserer Gesellschaft und was er dir zur Laufbahnplanung raten würde.
Herr Bosshart, Sie haben während der Podiumsdiskussion immer wieder von einem Wettkampf zwischen Mensch und Maschine gesprochen. Wie meinen Sie das?
Die Zeit, die wir im Alltag mit Technologie verbringen, ist heute viel grösser als noch vor zehn, zwanzig Jahren. Sie wird weiter zunehmen und damit einhergehend natürlich auch exponentiell unsere Abhängigkeit von technologischen Leistungen. Schon nur das Smartphone, das Sie gerade in der Hand haben, verfügt über dieselbe Leistung wie ein Militärcomputer einer mittelgrossen Nation vor 15 Jahren. Dies zeigt auf, wie mächtig die Maschine geworden ist. Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Wie gestalten wir die Zusammenarbeit mit dem «Partner» Technologie am besten?
Wie sollte diese Zusammenarbeit denn gestaltet werden?
Wenn wir, die Gesellschaft, es schaffen, kreativ und diszipliniert mit der Technologie umzugehen, kann sie ein Segen sein.
Sind wir dazu in der Lage?
Die Beantwortung dieser Frage hängt, das war in der Diskussion mit Herrn Grübel und Herrn Rechsteiner gut ersichtlich, sehr stark vom Menschenbild ab. Je nach Menschenbild schreibt man jeder Person ein gewisses Mass an Vernunft und Lernfähigkeit zu, oder eben nicht (lacht). Unser persönliches Verhalten jedenfalls hängt stark von unseren Bezugsgruppen ab, das konnte die Verhaltenswissenschaft nachweisen.
Sie haben angesprochen, dass technisch hochentwickelte Gesellschaften wieder eine gewisse Robustheit entwickeln sollten, da dies langfristig erfolgreicher sei. Ist die Schweiz «robust»?
Die Schweiz verfügt über gute Voraussetzungen: Die Trägheit des föderalistischen Systems hat in dieser Situation den Vorteil, dass neue Fragen aus einer gewissen Distanz und eher mit Bedacht bearbeitet werden. Wir Schweizer «schlafen lieber eine Nacht darüber», bevor wir uns entscheiden. Durch das Mitspracherecht aller Stimmberechtigten ist eine informierte und breite Diskussion im Vorfeld möglich, wodurch ein qualitativ guter Entscheid gefällt werden kann.
Die Qualität angesprochen, wie können wir die Digitalisierung positiv nutzen?
Betrachten wir die Bandbreite an Produkten, von Musik über Bücher bis zu wissenschaftlichen Arbeiten, haben wir bei einer rationalen Nutzung zunächst einen Kostenvorteil. Diese Digitalisierung birgt aber auch die Gefahr, dass standortunabhängige Arbeitsplätze vermehrt in billigere Produktionsstätten ausgelagert werden. Als Reaktion darauf werden Re-Shore-Projekte lanciert, die diese Werkplätze wieder zurückholen wollen, das können wir heute schon beobachten. Aber wie sich die Konsequenzen der Digitalisierung weiterentwickeln, ist für mich noch offen.
Zur sozialen Entwicklung: Zunehmend wird vom Paradox der Entfremdung durch soziale Netzwerke gesprochen, womit gemeint ist, dass Beziehungen oberflächlicher gestaltet werden. Unterstützen Sie diese These oder sehen Sie eher Potenzial zur Intensivierung der Kontakte?
Die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Vernetzung durch soziale Netzwerke unsere «Robustheit» eher fördert. Zudem werden Nachbarschaften und Freundschaften intensiver gepflegt. Es ist nach wie vor nicht so, dass meine aktiven Freunde über die ganze Welt verstreut sind. Nein, sie leben in einem Umkreis von fünf bis zehn Kilometern. Eine bessere Information fördert aber die gegenseitige Hilfe. Wenn ich zum Beispiel real-time erfahre, dass meine Nachbarin krank ist, kann ich ihr schneller helfen.
Sie haben am HSG TALENTS Conference Opening Panel teilgenommen. Was würden Sie den Studierenden bezüglich ihrer Karriere raten?
«Without passion no career.» Um herauszufinden, in welcher beruflichen Tätigkeit die Leidenschaft am grössten ist, sollten die Studierenden bereits in jungen Jahren möglichst viele praktische Erfahrungen sammeln. Das ausgegebene Geld sollte zum Teil auch selbst erarbeitet werden. Das Erleben der unterschiedlichen Kulturen der Firmen und der Kontakt mit Mitarbeitern stellen nämlich einen Spiegel für die persönlichen Werte dar. Es ist wie beim Musikgeschmack: Nutzen Sie die wertvolle Zeit bis dreissig, um so viele Richtungen wie möglich zu testen! Und: Fehler können lehrreich sein und machen robuster!