Der Trend zum perfekten Aussehen nimmt immer extremere Ausmasse an. Wie steht ein Schönheitschirurg zum Thema «ewige Jugend und perfekte Schönheit»? Wir haben Herrn Dr. med. Ralph Hollmann, Facharzt für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie, in seiner Praxis in St. Gallen getroffen.
Herr Dr. Hollmann, Sie bezeichnen sich nicht als Schönheitschirurg, sondern als Facharzt für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie. Was ist der Unterschied?Plastische Chirurgen sind Fachärzte, die sich permanent weiterbilden und bestimmte Auflagen erfüllen müssen. Der Titel für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie wird staatlich kontrolliert und verliehen. Hingegen kann jeder Allgemeinarzt kleinere Eingriffe, wie Botox spritzen oder Fettabsaugungen vornehmen und sich dann als Schönheitschirurg bezeichnen. Im Unterschied zu plastischen Chirurgen kennen diese so genannten Schönheitschirurgen nur diesen einen Prozess, während plastische Chirurgen die gesamte Palette abdecken. Heutzutage gibt es neben Gynäkologen oder Hausärzten sogar Zahnärzte und Kosmetikerinnen, die «nebenbei» Botox spritzen. Alle wollen etwas vom Kuchen abhaben und mitverdienen.
Mit welchen Erwartungen kommen Ihre Klientinnen und Klienten zu Ihnen?Als plastischer Chirurg ist man oft auch Pfarrer oder Psychiater. Viele Klientinnen und Klienten haben übersteigerte Erwartungen und Vorstellungen und wollen am «ewigen Jungbrunnen» teilhaben. Dabei kann man operativ nur auffrischen. Jugendlichkeit zeichnet sich durch Spannkraft, Qualität und Elastizität einer Haut und durch die Ausstrahlung der Person allgemein aus. Die Erwartung, dank eines operativen Eingriffs jünger zu werden, ist eine Illusion, und das muss der Klientin oder dem Klienten von Beginn an klargemacht werden. Ich versuche im Gespräch, die Vorstellungen und Erwartungen abzuholen, und wenn ich merke, dass diese realitätsfern sind, muss ich die Klienten abweisen.
Werden nach einem erfolgten schönheitschirurgischen Eingriff die Ergebnisse den anfänglichen Vorstellungen gerecht?Es ist schwierig zu erreichen, dass das Bild, welches die Patienten und Klienten im Kopf verinnerlicht haben, am Schluss genau mit der Realität übereinstimmt. Meine Hauptaufgabe ist es, mir dieses Bild selbst vorzustellen. Wie bereits erwähnt, ist die Aufklärung und Ehrlichkeit im Vorfeld eminent wichtig. Was ist machbar und was nicht?
Gibt es ein allgemeines Schönheitsideal, nach welchem sich Patienten operieren lassen wollen? Beispielsweise die Lippen von Angelina Jolie oder die Nase von Brad Pitt?Solche Leute würde ich sofort abweisen. Bisher habe ich dies glücklicherweise nur einmal erlebt. Ein Magazin oder Heftli aufschlagen und sagen, «so will ich aussehen», ist unrealistisch. Die Models und Stars in den Magazinen sind alle retouchiert und das Ganze ist einfach ein «Bschiss». Ausserdem muss eine Nase auch zum Gesicht passen. Eine Brad-Pitt-Nase sieht nicht in jedem Gesicht gut aus.
Wie stehen Sie zum Thema «ewige Jugend»?Ich halte nichts von der so genannten ewigen Jugend. Es macht mich müde, wenn ich so etwas höre. Ich weiss nicht, wieso das so wahnsinnig wichtig ist, die ewige Schönheit. Wir werden alle älter. Aber Alter kann etwas sehr Schönes sein. Viele Frauen kommen zu mir, weil sie straffe und glatte Haut wollen. Dabei strahlt ein Gesicht mit den Jahren Erfahrung und Güte aus und macht die Gesichtszüge weicher. Klar, es gibt schönere, aber auch weniger schöne Falten: strenge Falten. Solche kann man versuchen mit vernünftigen Massnahmen zu glätten. Aber die Zeit lässt sich mit einem operativen Eingriff nicht zurückdrehen oder anhalten. Innere Ausstrahlung ist für die Schönheit einer Person von Bedeutung. Verändert man nur die Fassade, macht dies nicht zwangsläufig schöner, wenn die Person im Innern alt ist und einen schlechten Charakter hat. Dann ist das einfach eine schöne Larve ohne Inhalt.
Können Sie die Wünsche Ihrer Klientinnen und Klienten nachvollziehen?Natürlich kann ich das nachvollziehen. Es ist die wichtigste Aufgabe zu spüren, was das Ziel und die Wünsche sind. Als Facharzt kann ich dann eine geeignete Vorgehensweise finden und unter Umständen dem Klienten sanftere Methoden aufzeigen oder etwas gezielter behandeln. Empfinde ich etwas als übertrieben oder unrealistisch, so empfehle ich den Klienten, einen anderen Arzt aufzusuchen. Geld auf Kosten der Zufriedenheit anderer zu verdienen, das mache ich nicht. So wichtig ist mir Geld dann auch wieder nicht. Aber es gibt genug andere in meinem Fachgebiet, die immer mehr verdienen wollen.
Wird ihre Klientel wirklich immer jünger?Dies ist immer eine Frage, in welchem Bereich man operiert. Brustvergrösserungen sind für 20- bis 30-jährige Frauen ein Thema, während für Frauen um die 50 Bruststraffungen und Botox wichtiger sind. Aber generell stelle ich keinen Trend fest, dass bereits extrem junge Frauen im Teenageralter sich die Brüste vergrössern oder Botox spritzen lassen wollen. Grundsätzlich werden ästhetische Eingriffe nur bei Personen durchgeführt., welche das 18. Lebensjahr erreicht haben.
Welche Eingriffe führen Sie am meisten durch?Die Behandlungspalette ist riesig. Mein Hauptarbeitsgebiet ist jedoch die Brustchirurgie.
Haben Sie vermehrt auch Anfragen betreffend einer Schönheitsoperation von HSGStudentinnen und Studenten?Ich habe Anfragen von HSG-Studentinnen und Studenten, jedoch nicht auffällig oder überdurchschnittlich viele. Diese Gruppe gehört sicherlich nicht zu meiner Hauptklientel. Die Studierenden kommen mit den gleichen Wünschen, Fragen und Problemen zu mir, wie andere auch. Grundsätzlich achte ich jedoch nicht speziell auf den Hintergrund meiner Klientinnen und Klienten. Aber doch, die eine oder andere Nase an der HSG habe ich schon operiert.