Kurze Video-Clips im Internet, in denen Leute «failen», sind sehr beliebt. Doch wie kommt es, dass wir uns am Scheitern anderer belustigen können?
Fail-Videos haben sich seit ihren ersten medialen Auftritten einer grossen Beliebtheit erfreut. In diesen kurzen Video-Clips werden komische Situationen gezeigt, in denen Leute scheitern oder ihnen Missgeschicke passieren. Im November 1989 wurde die erste Sendung der «Americaʼs Funniest Home Videos» ausgestrahlt und konnte einen grossen Erfolg verbuchen. Im August 2005 fand ein Ableger dieses Programms seinen Weg nach Deutschland, heutzutage ist «Upps! – Die Pannenshow» eine allseits beliebte Unterhaltung spät abends im deutschsprachigen Raum. Der allgemeinen Verlagerung der Medien von traditionellen Kanälen wie Radio und Fernsehen hin zu webbasierten Auftritten folgend, entwickelten sich immer mehr Plattformen, auf denen Fail-Videos publiziert und verbreitet werden. Einen grossen Einfluss hatte auch Youtube, so hat der in dieser Sparte führende Kanal «FailArmy» fast zehn Millionen Abonnenten.
Freude am Scheitern anderer
Doch wie kann man dieses Ergötzen am Scheitern anderer beschreiben oder definieren? Naheliegend ist es zu sagen, es sei Schadenfreude. Laut Definition erlebt man Schadenfreude, wenn man sich über das Scheitern anderer freut. Prof. Dr. Willibald Ruch, Professor für Persönlichkeitspsychologie an der Universität Zürich, dementiert dies allerdings und sagt, man müsse eine negative Einstellung gegenüber der Person haben, um es als Schadenfreude klassifizieren zu können. In den Fail-Videos würden hingegen situative Unstimmigkeiten entstehen, welche für das Zielpublikum belustigend sein können. Diese bedrohungslose Unstimmigkeit oder Inkongruenz sei die Basis aller Witze und komischen Situationen.
Dr. Monika Kritzmöller, Dozentin für Soziologie an der Universität St. Gallen, verweist in ihrem Erklärungsansatz auf das Spannungsfeld zwischen dem Perfektionismus, den wir in unserem täglichen Leben zu zeigen bemüht sind, und den Pannen, die einen kleinen, unfreiwilligen Einblick hinter diese Fassade gewähren. Dies mache deren besonderen Reiz aus. Ihrer Auffassung nach folgen diese Videos einem aktuellen Trend: dem Streben nach Authentizität. Fail-Videos seien die Momente, in denen wir ganz wir selbst seien – allerdings in einer Weise, wie wir es nicht sein möchten.
Scheitern und Missgeschicke seien kleine authentische Einblicke in das richtige Leben anderer, welche uns zeigen, dass auch diese nicht perfekt sind. Kritzmöller gibt ein Beispiel und weist auf einen Sturz Naomi Campbells bei einer Modenschau auf dem Laufsteg hin. Die sich vor über 20 Jahren zugetragene Szene sei heute noch legendär und ein klassisches Beispiel dafür, dass solche Missgeschicke auch berühmten Persönlichkeiten unterlaufen.
Zu geniessen mit etwas Empathie
Ruch sagt, dass solche Videos auch Empathie hervorrufen können, denn manche Leute können sich nicht an misslichen Lagen oder am Scheitern anderer erheitern. Doch wird dem entgegengehalten, dass solche Fail-Videos unsere Bereitschaft und Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen, verstümmeln lassen und generelle Stereotypen und Vorurteile gefestigt werden, dadurch dass bestimmte Personengruppen häufiger porträtiert werden als andere. Abschliessend sei zu sagen, dass Fail-Videos lustig sein können, jedoch mit einer gewissen Portion an Empathie zu geniessen seien.
Bild Livia Eichenberger