Prof. Fredmund Malik, berühmter Pionierdenker, monierte kürzlich am StartSummit die häufig unausgeglichene Konzeption der Ausbildung an Business Schools, lobte aber dennoch die Universität St. Gallen als eine der besten. prisma hat nachgefragt.
Fredmund Malik, Unternehmer und Titularprofessor der HSG, ist Gründer und Chef von Malik Management. Mit rund 300 Mitarbeitern, zahlreichen Niederlassungen und internationalen Partnerschaften ist es die grösste Wissens-Organisation für system-kybernetisches Management. In der ausseruniversitären Knowledge Factory werden Zehntausende von Führungskräften beraten sowie aus- und weitergebildet. Der mehrfach ausgezeichnete Autor von mehr als zehn Büchern sowie über 300 weiteren Publikationen gehört zu den profiliertesten Management-Vordenkern. Seine ganzheitlichen «Malik Management Systeme» sind hoch entwickelte Tools für das zuverlässige Funktionieren von komplexen Organisationen. Der Doyen des Managements Peter F. Drucker kategorisierte Fredmund Malik einst als den «führenden Analytiker und Experten des Managements in Europa». Business Week bezeichnete ihn als „one of the most influential business thinkers in Europe”.
Eine gewisse Ähnlichkeit der Konzepte Ihres Unternehmens mit dem neuen St. Galler Management Modell ist unverkennbar. Was hat es mit Ihrem Abschied aus der Forschung an der HSG und der alten Diskussion um das ideelle Eigentum am St. Galler Management Modell auf sich?Die originale Publikation des St. Galler Management Modells trägt das Copyright des Management Zentrums St. Gallen 1972 und 1974. Das ist das Einzige, was man wissen muss. Zwischen 1981 und 2011 haben wir mehr als zehn Modell-Releases gemacht, die in vielen Sprachen publiziert wurden. Darunter sind zahlreiche grundlegende Innovationen. Dass dies von vielen, darunter auch solchen, die bei uns als Mitarbeiter überhaupt erst das Handwerk gelernt haben, gerne geflissentlich übersehen wird und dann bemüht unzitiert bleibt, ist ein Thema für sich, das uns aber kaum beschäftigt, denn uns interessiert die Zukunft, nicht die Vergangenheit.
Die Autoren dieser Publikation sind Prof. Dr. Hans Ulrich und Prof. Dr. Walter Krieg, die beiden Schöpfer des ursprünglichen Modells. Beide haben jahrelang in den Leitungsorganen des Management Zentrums mitgewirkt. Prof. Krieg ist weiterhin Mitglied unseres Verwaltungsrates. Unsere Modelle sind weltweit im Einsatz, wofür wir global rund ein Dutzend Büros etablierten. Besonderes Interesse besteht in den Emerging Markets, z. B. in China, Russland und Brasilien und seit der Krise auch in den USA, wo unsere Konzepte immer mehr Beachtung finden.
Sie sehen die Dienstleistungen Ihres Managementzentrums St. Gallen als nicht vergleichbar mit jenen gängiger Strategieberatungen an.Strategie ist eine unserer Kernkompetenzen. Wir beherrschen jedoch sämtliche Management-Themen inklusive Governance und Leadership im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes. Aufgrund dessen kommen wir für die meisten Managementfragen zu weitgehend anderen Lösungen als der Mainstream. Ausserdem verwenden wir fast durchgängig andere Methoden. Unsere durchdeklinierten vernetzten Modelle sind ganzheitlich einsetzbar, weil sie speziell für das Meistern von Dynamik hochkomplexer, vernetzter Systeme gebaut sind. Möglich wurde dies durch unsere fundamentalen Innovatio-nen in den Komplexitätswissenschaften Systemik, Kybernetik und Bionik.
Wieso gibt es diese Form der Beratung nicht viel häufiger?Weil man dafür ganz neue Wege beschreiten muss. Ich spreche hier von konzeptionellen und methodischen Fundamental-Innovationen. In meinem Buch über „Systemisches Management“ habe ich 1993 die gesellschaftlichen Umbrüche von heute als die „Grosse Transformation“ beschrieben. Folgerichtig haben wir die herkömmlichen Management-Approaches hinter uns gelassen, um neue Methoden und Tools zu entwickeln, die wir jetzt zeitgerecht einsetzen. Dazu gehören auch unsere bahnbrechenden sozialtechnologischen Innovationen, mit denen wir das Makro-Change Management neu erfunden haben. Mit diesen können wir das Schaffen von Konsens, sowie das Entscheiden und Umsetzen um mehr als das hundertfache beschleunigen und die Wirkkraft des Topmanagements um mehr als das achtzigfache erhöhen, weil wir mit diesen Methoden Intelligenzverstärkung und Wissensnutzung revolutionieren.
Als besonders beeindruckend empfinden unsere Kunden auch die Kulturveränderungen, die dadurch spontan entstehen, speziell die Freisetzung sozialer Energie.
Was genau macht die Universität St. Gallen besser als andere Business Schools und wodurch zeichnen sich Absolventen dieser Institution in Ihren Augen aus?An der HSG ist zwar vieles besser als anderswo – der Vergleich nach unten ist aber weit weniger wichtig als die Frage, um wieviel man noch besser sein könnte. Die HSG könnte heute insbesondere in Management, das eben nicht identisch mit BWL ist, an der Weltspitze der Universitäten stehen, wenn man einige Weichen anders gestellt hätte. Im Prinzip ist das zwar noch immer möglich, aber die Zeit für grundlegende und rasche Reformen läuft aus. In der Pole Position ist man allein und muss daher innovativ und schnell sein – heute aufgrund der globalen Transformation noch viel mehr als je zuvor.
Welche Weichen hätte man Ihrer Meinung nach anders stellen müssen und sollte man jetzt anders stellen?Ich spreche natürlich nicht über alle Fakultäten, wovon ich zu wenig verstehe, sondern nur über die BWL. Einige Vorschläge sind: Ein neues Verständnis von Management, nämlich mehr „Right Practice“ und weniger „Best Practice“, weil diese schon morgen die „Worst Practice“ von gestern ist. Mehr echte Wissenschaft und weniger bemühte Verwissenschaftlich- ung. Mehr selbstbewusste Global Swissness und weniger Imitation des rasch veraltenden Anglo-Approaches. Die Rankings selbst neu erfinden, und weniger die Diktate der Mehrheiten erfüllen; Mehr Innovation und weniger Bologna; Die innovative Praxis von morgen erfinden und weniger das Heute und Gestern empirisch kartographieren. Es gäbe noch ein paar radikale Manöver für die Beschleunigung, aber das sollte vorerst genügen.
Was sind aktuelle häufig nicht hinterfragte «Worst Practices» in Unternehmen und im Wirtschaftsleben, die junge Studierende in Zukunft anders angehen sollten?Das Finanzsystem wird sich von Grund auf umgestalten, wobei Crashes nur dann zu vermeiden sein werden, wenn man die neuen Changemethoden anwendet. Da diese sehr rasch greifen, kann die kurze verbleibende Zeit optimal genutzt werden. Aber weit mehr als das: Der herkömmliche am Aktien- und Unternehmenswert orientierte angelsächsische Approach veraltet immer schneller, und funktioniert in der Dynamik und Komplexität des sich beschleunigenden Wandels immer weniger. Die Pioniere unter den Topmanagern distanzieren sich immer öfter vom «Anglo-MBA», den sie als ein Durchgangsstadium verstehen.
Sie selbst gelangten von einer langjährigen Forschungskarriere in die Praxis. Wie beurteilen Sie die Wichtigkeit einer möglichst extensiven akademischen Laufbahn für Führungskräfte? Zählt Prestige oder das erlangte Wissen?Forschung und Praxis gehörten für mich untrennbar zusammen, so wie das auch in den technischen Fächern und der Medizin der Fall ist. Die praktische Anwendung ist unser Forschungslaboratorium. Mehr als zwei Drittel der Managementbücher würden gar nicht geschrieben, wenn die Autoren ihre Konzepte auch an den praktischen Erfolgen messen müssten.
Prestige hilft nur, wenn es auch durch solides Wissen unterfüttert ist, andernfalls nützt es sich rasch ab.
aber nicht nur die BWL. Auf den Topetagen sind schon heute Vertreter der Naturwissenschaften, der technischen Disziplinen, Informatik, Mathematik und Statistik, aber auch immer mehr Sozialwissenschaftler in der Überzahl. Prestige hilft nur, wenn es auch durch solides Wissen unterfüttert ist, andernfalls nützt es sich rasch ab.