Kuk ist Künstler, Sammler und Revolutionär. Was macht ihn so einmalig? Seine eigenartige Denkweise sei bloss Zufall, denn nur weil die Welt ist, wie sie ist, nur deswegen entstehen Künstler.
Kuk, alias Matthias Krucker, begrüsst mich recht herzlich als ich bei ihm ankomme während er seine Katze im Arm hält. Wir setzten uns in seinen Garten und er bietet mir frische Milch vom Bauern an. Zu meinem Erstaunen schmeckt die Milch richtig deliziös und schön cremig. Er schaltet sphärischen Psytrance ein und erzählt mir, er würde schon seit 1999 hier wohnen, direkt neben meinem alten Schulhaus Sommertal, in Schwellbrunn, welches in Appenzell Ausserhoden liegt. Kuk empfindet das kleine Dörfchen mit 1‘531 Einwohner als bäuerlich. Dieser Eindruck entsteht vor allem am Jahrmarkt, wenn die schönsten Kühe prämiert werden. Nichtsdestotrotz sagt Kuk, dass Schwellbrunn der Nabel des Universums ist, denn von hier aus spinnt er die Fäden seiner Kunst.
Die Wahrheit der Kunst: Alle, die sie leben, leben unverfälscht
Man braucht revolutionäres Denken, um sein eigenes Ich zu finden, meint Kuk. In der Kunst geht es darum Sachen zu machen, die im ersten Moment abgefahren erscheinen. Alles was nicht normkonform ist, bringt einem weiter im Dasein. Die Revolution ist eine Auseinandersetzung mit dem was ist, und mündet folglich in eine Neuorientierung. «Durch das Hinterfragen von Tatsachen findet man heraus, dass gewisse Sachen noch cremiger sind als man dachte», erklärte er mir. Seinen Kunststil nennt er Kukismus. Kukismus bedeutet für ihn, das Dasein als Mensch zu studieren und in Bildern festzuhalten. Es ist das Geheimnis der Farben, die ein Künstler nimmt um der äusseren Welt zu zeigen, dass alle nicht richtig ticken, sagt Kuk laut und lacht. Zu meiner Frage wieso er Künstler geworden ist, meinte er, dass er gar nicht anders kann, sonst würde es ihm nicht gut gehen.
Das Haus von Kuk ist auch zugleich sein Atelier. Es sieht von aussen wie von innen aus wie riesiges sich immer wandelndes Kunstwerkt. Graffitis, Zeichnungen, Skulpturen, Bilder und verschiedene Antiquitäten zieren den Garten und die Hausfassaden. Drinnen hat man das Gefühl, dass man in einem hervorragend assortierten Brockenhaus oder einer beachtlichen Kunstaustellung gelandet ist. An den Wänden hängen entartete Instrumente. Eine Violine wurde bemalt und mit Pinseln durchbohrt. Mehrere Barbiepuppen haben hier ein Zuhause gefunden. Eine sitzt in der Missionarsstellung auf einem Porzellanzwerg und die andere umarmt Jesus Christus, welcher ans Kreuz genagelt wurde. Auch andere religiöse Motive sind vorhanden. Kuk hat diverse heiligen Bildern, Ikonen und Buddhas aufgestellt. Hier und dort sieht man mit Pinsel bemalte Judensterne an den Wänden und Möbeln. Alles steht chaotisch herum und doch hat es seinen Platz. Ganz nach dem Motto von Albert Einstein: «Nur das Genie beherrscht das Chaos”. Während seiner Hausführung dröhnt immer noch der elektrisierende Psytrance durch Kuks Haus. Zu meiner Frage, ob er an Goas ginge oder Drogen nähme, sagte er mir, er wäre schon an ein paar Festivals gegangen, aber hätte keine Drogen genommen. Manchmal würde er sich mit einer Frau einlassen, das sei die krasseste Droge und mehr brauche er nicht.
Ein unerschütterliches Selbstbewusstsein
Mit stolz präsentiert er mir seine Meisterstücke, die ich mit Beachtung zu würdigen weiss. Die Farbzusammenspiele sind spannend und wie er mit dem Licht umzugehen weiss, ist fantastisch. Die meist mit Ölfarben kreierten Gemälde thematisieren hauptsächlich unbehaglich düstere Abenddämmerungen. Kuk weiss die mystische Stimmung des Appenzeller Hinterlandes auf seine eigene Art und Weise zu reproduzieren. Die Bilder sind voller freizügigen Frauen. Eine langfristige Beziehung kann er sich nicht vorstellen. Es wäre ihm sehr fremd eine Freundin zu haben, die immer alles aufräumen und putzen will. Tatsächlich habe er es ganz gerne, wenn etwas Staub herumliegt. Seine Kunst, die niemand anfassen oder verstellen darf, ist oft das Resultat von Einsamkeit.
Die grösste Weltrevolution liegt im Lächeln aus wahrer Freude
Wie Kuk die Realität abstrahiert und darstellt, zeugt davon, dass er die Welt mit anderen Augen sieht. Schon das Schweizer Fernsehen berichtete über ihn und seine Kunst in der Fernsehserie SRF bi de Lüt. Auch das St. Galler Tagblatt und die Thurgauer Zeitung berichteten über ihn. Er erlangte schweizweit ein wenig Ruhm und bekam lange Briefe zugeschickt, die er dann auch immer persönlich beantwortete. Er ist kein Fan von Technik, E-Mails zu schreiben kann er sich gar nicht vorstellen. Dann sässe man irgendwann nur noch vor dem Affenkasten und sei nicht mehr kreativ, sondern vermehrt rezeptiv.
Gerade wegen seiner Eigenartigkeit, und der Tatsache, dass er dazu steht, bewundern und beneiden ihn viele Menschen. Er ist wahrhaftig ein Revolutionär, wenn man bedenkt, wie er sich als bunter Hund im ruhigen Schwellbrunn niedergelassen hat. In unserer Gesellschaft haben viele Leute Angst davor, anders zu sein, und wollen nicht auffallen. Sie haben verlernt, ihre verrückte Seite auszuleben und unterdrücken ihre Kreativität. Kuk lebt mit grosser Freude in seinem kleinen quirligen Holzhaus. Und eben diese Freude an der Einzigartigkeit suchen die Liebhaber seiner Kunst, wenn sie sich eines seiner verrückten Bilder in die oft kahle und minimalistisch eingerichtete Wohnung hängen.