Drei Herren, drei Posts, drei Geschichten

Auf Sharing Is Caring wird so gut wie alles gesucht – von Lernunterlagen bis hin zu Giraffen-Handpuppen. Vereinzelte Posts wecken Neugier und bergen das Potenzial für Geschichten. Drei davon werden nachfolgend erzählt.

Dolce Vita zu verschenken

«Ich habe eine Reise nach und in Italien vom 21.07. – 02.08. zu vergeben.» Mit diesen Worten begann Ende der Prüfungsphase ein Post auf Sharing Is Caring, welcher die Aufmerksamkeit der ausgelaugten, von weissen Sandstränden und tropischen Inseln träumenden Studenten auf sich zog. Insbesondere das Wort «gratis» im nächsten Satz gab Anreize, den doch relativ ausführlichen, darauffolgenden Text zu lesen.

Fjodor (1)Fjodor Davidis hatte eine zweiwöchige, romantische Reise durch fünf Städte Italiens mit seiner Freundin geplant – ungeahnt der Absicht seiner jetzigen Ex-Freundin, ihn kurz vorher zu verlassen. So kam es, dass er drei Wochen vor Abflug mit ungewollt neugewonnener Freiheit und einer vorbezahlten Reise für zwei Personen alleine dastand. Es blieben zwei Möglichkeiten: jemand anderen, fremden mitzunehmen oder das Gesamtpaket zu verkaufen.

Der Idee seines Stiefvaters folgend, wandte er sich daraufhin mit seinem Dilemma und den zwei Optionen an die HSG-Community: «Wenn ich schon gezahlt habe, warum sollte ich nicht einfach eine (fremde) Person mitnehmen?!» – und wurde durch die positive Rezeption überrascht. Die erwarteten spotthaften Kommentare blieben aus, stattdessen hagelte es von allen Seiten Likes, Mutzusprechungen und Lob.

Doch nicht nur leere Worte folgten. Der Post trug Früchte und es meldeten sich vier Personen bei ihm: drei zur Begleitung und eine zum Kauf. «Ich bevorzugte jedoch eine Begleitung. Zum einen, da ich die Reise geplant und mich darauf gefreut hatte. Zum andern wäre der Verkaufspreis tiefer ausgefallen, als was ich ursprünglich dafür gezahlt hatte», so der gebürtige Stuttgarter. Direkt zwischen den Kandidatinnen entscheiden musste Fjodor sich schlussendlich nicht, da zwei der drei Frauen aufgrund kurzfristiger Praktika und Überraschungsreisen wieder abspringen mussten. «Ich wollte einfach jemanden dabei haben, der es wertschätzt – und zwar mehr als meine Exfreundin.»

Vor dem Antritt der dolce vita trafen sich die beiden Reiselustigen lediglich einmal, um eine gegebenenfalls unsägliche gegenseitige Abneigung auszuschliessen und genossen danach 13 Tage lang die Kulturstädte Italiens. Damit seine Exfreundin doch auch noch etwas von besagten Kulturstädten hatte, postete Fjodor nach Rückkehr unzählige Bilder von seiner Reise. «Ich poste ja ansonsten eigentlich nie etwas auf Facebook, aber da machte ich jetzt einmal eine Ausnahme.» Und wie ging es mit den zwei Reisevögeln weiter? «Wir begrüssen uns wenn wir uns sehen, aber wir unternehmen jetzt nichts zusammen.» Das Fazit aus der ganzen Geschichte: «Es war eine coole Erfahrung, die ich nie wieder möchte machen müssen.»

Über Facebook ins Ballkleid

«Da meine Ballbegleitung leider kurzfristig aus familiären Gründen verhindert ist, habe ich noch ein Ticket zu vergeben. Hätte jemand spontan Lust, mich zu begleiten?» Mit dieser simplen Frage, knapp 24 Stunden vor Türöffnung des diesjährigen HSG-Balls im Oktober, versprühte Jeremy Helbling einen Funken Hoffnung unter den etlichen Damen, welche vergebens versucht hatten, eines der begehrten Tickets zu ergattern. Bei Vorfreude und gekauftem Smoking war die Enttäuschung über den Ausfall der Ballbegleitung gross, und so folgte der Bündner dem Rat eines Freundes, über Sharing Is Caring nach einem Ersatz zu suchen – besagter Freund übernahm dann sogleich auch den redaktionellen Teil des Rats. Jeremy (2)Wenig zuversichtlich wurde das Handy zur Seite gelegt, um zwei Stunden später verblüfft den Nachrichten fünfer Frauen entgegen zu starren. Die Bedenken, dass der Aufruf als Verkaufsangebot aufgefasst werden könnte, stellten sich als unbegründet heraus, denn es wurde durchgehend das ausdrückliche Interesse an der Begleitung bekundet. Vom Rücklauf überwältigt, wurde die Wahl dann im Plenum getroffen. Das Rennen machte eine Münchnerin, welche mit ihrer aufrichtig sympathischen Nachricht überzeugte. Nach einer spontanen Autofahrt in die Heimatstadt zur Abholung des Ballkleids und zurück, verbrachte man einen gelungenen Abend voller Glanz und Gloria in der Alma mater. «Ich hätte nie gedacht, dass es so gut rauskommen würde, weder die Rückmeldungen noch der Abend an sich», sagt Jeremy und fügt an: «Für Spontanität wird man definitiv belohnt.»

Familiäre Verkuppelungsversuche

«Ich biete meinen: ziemlich gutaussehenden, amüsanten, hilfsbereiten, höflichen und gut erzogenen Bruder für ein Date an», hiess es im Oktober in einem Post auf Sharing Is Caring – und ging mit 430 blauen Däumchen durch alle Decken. Besagter Bruder, Laurent Lohmann, stand zur Zeit der Veröffentlichung nichtsahnend unter der Dusche. Im Minutentakt gingen daraufhin Nachrichten von bestürzten Freunden ein, die sich erkundigten, was denn hier abginge. «Meine Schwester und ich haben dieses Geplänkel, wo wir uns gegenseitig Streiche spielen. Mit dem Post hat sie es auf ein ganz neues Level gebracht!» Sein Image habe sich über Nacht komplett verändert und auf dem Campus fand er sich etlichen amüsierten Blicken ausgesetzt. Laurent (1)Unangenehm war ihm die plötzliche Provinz-Berühmtheit jedoch nicht: «Mir fehlt irgendwie der Sinn fürs Peinliche. Vielleicht fällt das irgendwann auf mich zurück, aber dann nehme ich das auch mit Humor.» Zwei Monate später wird der Zürcher noch immer rund vier- bis fünfmal pro Abend von Unbekannten auf den Vorfall angesprochen. Doch führte der ironisch beabsichtigte Post auch unverhofft zu einem positiven Ergebnis? Drei Frauen beglückten tatsächlich Laurents Posteingang – die grosse Liebe blieb allerdings aus. Die Nachrichten vermochten nie über einen kurzen Smalltalk hinaus. Auch wenn Laurent sich selber nie auf einen derartigen Aufruf gemeldet hätte, so behandelt er das Ganze mit einem klassischen Entrepreneurship-Motto, das ihn, obgleich in weiten Kreisen umstritten, in seinem Handeln begleitet: There is no such thing as bad publicity.

Bilder: Luana Rossi


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