Einmal die Beretta 92 oben links, bitteschön!

Nach jedem Amoklauf in den USA wird die Gesetzeslage zum Waffenerwerb kontrovers diskutiert. Es sei in den USA zu einfach, Waffen zu kaufen, so das Hauptargument der Waffenkritiker. Doch wie leicht ist es eigentlich in der Schweiz, an Waffen zu kommen? Wir haben versucht, in St. Gallen eine Waffe zu kaufen – und dabei Erstaunliches gelernt.

Allein im Jahr 2012 starben in den USA 39 Personen durch Amokläufe, bei welchen gestörte Einzeltäter legal erworbene Waffen auf sich trugen. In der Schweiz hingegen sucht man vergeblich nach ähnlichen Zwischenfällen. Und das, obwohl die Schweiz mit 2.5 Millionen registrierten Waffen nach dem Jemen und den USA die dritthöchste Schusswaffendichte pro Kopf aufweist. Zwar liegt dies hauptsächlich an den 1.2 Millionen Militärwaffen, die zu Hause aufbewahrt werden, doch trotzdem kann man sich fragen: Wie ist das möglich? Gibt es in der Schweiz einfach weniger gewaltbereite Einzelgänger? Oder liegt es vielleicht daran, dass Privatpersonen nur sehr schwer an Waffen und Munition kommen?

Wir wollen herausfinden, wie schwer es denn für zwei ganz normale Studierenden wie uns tatsächlich ist, eine Waffe zu kaufen. Gleich zu Beginn werden wir überrascht: In der Stadt St. Gallen gibt es erstaunlich viele unauffällige Geschäfte, die Schusswaffen anbieten. So führt unser Selbstversuch zunächst in die Brühlgasse, wo dank dem Trischli nebenan die Kundschaft nie ausgehen dürfte. Der Laden wird gerade von drei jungen Männern heimgesucht, die sich in gebrochenem Deutsch nach Softair-Pistolen erkundigen. Wir geben vor, unserem guten Freund, Sportschütze und Waffennarr, zum Geburtstag eine Waffe schenken zu wollen. Der Verkäufer mit dünnem, weissen Oberlippenbart zeigt uns verschiedene Schusswaffen. Von Pistolen, Gewehren bis hin zu von John Wayne handsignierten Western-Revolver gibt es für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas Passendes. Sogar Pistolen in so exotischen Farben wie Pink oder gravierte Waffen sind auf Bestellung erhältlich. Wer eher vergangenen Zeiten nachtrauert, wird auch fündig: Die etwa 100-jährigen Ordonnanzrepetiergewehre sind sogar mit Bajonett, einer auf das Gewehr aufgesetzten Speerspitze, erhältlich.

Es dauert jedoch nicht lange, bis der Verkäufer auf den für einen Kauf erforderlichen Waffenerwerbsschein hinweist, welchen wir aber nicht besitzen. Was wir denn auch ohne einen solchen Schein kaufen könnten, wollen wir wissen. Da zeigt er uns in der Kategorie der Repetierwaffen (das heisst, die Munition muss von Hand nachgeladen werden) ein Gewehr mit angeblich 3’500 Joule Eintrittsgeschwindigkeit. Diese Waffe, erklärt er bereitwillig, würde glatt sechs hintereinander aufgereihte Personen mit einem einzigen Schuss durch den Kopf töten. Und um diese zu erwerben, müssten wir lediglich einen aktuellen Strafregisterauszug vorweisen. Leicht schockiert stehen wir da und hören in Folge wilde Verschwörungstheorien über Korruption, Immigranten und die St. Galler Polizei, welche die eigenen Bürger im Stich lasse. Deshalb gäbe es immer mehr Leute, die sich bewaffnen wollten, vom Zuhälter bis zum Pfarrer, wie uns der Verkäufer erklärt. Da wir weder Waffenerwerbsschein noch Strafregisterauszug besitzen, müssen wir das Geschäft mit leeren Händen wieder verlassen. Wir versuchen unser Glück an der Rorschacher Strasse.

Der Laden wird von einem Jäger geführt, was die Vielzahl von ausgestopften Tieren an der Wand nahelegt. So lächeln uns Rehköpfe und Fasane entgegen, während wir unsere Geschichte vom waffennärrischen Freund wiederholen. Auch hier werden wir prompt auf den obligatorischen Waffenerwerbsschein hingewiesen, der für (halb-) automatische Waffen vorausgesetzt wird. Ein aktueller Strafregisterauszug hingegen würde beispielsweise für eine Jagdflinte schon ausreichen. Als wir uns nach deren Tötungsfähigkeit erkundigen, lacht der Verkäufer über unsere Ahnungslosigkeit und betont: «Wir erschiessen damit ausgewachsene Rehe.» Als wir uns für ein UZI-ähnliches Modell interessieren, erfahren wir zudem, dass Waffen mit Serienfeuer, also Maschinenpistolen, in der Schweiz eine Sondergenehmigung voraussetzen. Diese Sondergenehmigung beinhaltet unter anderem, dass die Polizei jederzeit eine Hausdurchsuchung beim Inhaber durchführen darf, um zu kontrollieren, ob die Maschinenpistole tatsächlich beim Besitzer ist.

Wenn wir einen Strafregisterauszug vorweisen könnten und uns beispielsweise für ein Jagdgewehr interessierten, so dürften wir dann aber auch gleich die passende Munition dazu kaufen. Wir könnten das Geschäft also theoretisch mit einer schussbereiten, absolut tödlichen Waffe verlassen – und das vollkommen legal.

Wer lieber kein sperriges Jagdgewehr möchte, sondern eine handliche halb- oder vollautomatische Waffe, braucht einen Waffenerwerbsschein. Doch wie erhält man diesen ominösen Waffenerwerbsschein? Ein Blick auf das Antragsformular für eine solche Genehmigung auf der Webseite des Bundesamtes für Polizei genügt, um zu sehen, dass die Kriterien äusserst spärlich ausfallen. Neben den Personalien und einem guten Leumund, was der beizulegende Strafregisterauszug beweisen sollte, wird lediglich der Grund für den Kauf erfragt. Hier hat man die Wahl zwischen Sport-, Jagd- und Sammelzwecken, wobei Letzteres als Auffangbecken für so ziemlich jeden Kauf fungieren dürfte. Grundsätzlich ist also jede unbestrafte Person im Stande, einen Waffenerwerbsschein zu erhalten und somit scharfe Feuerwaffen zu erwerben. Allerdings sind vor dem Waffenbüro, so heissen die kantonalen Zulassungsstellen, nicht alle gleich. Für Bürger bestimmter Länder ist der Erwerb von Waffen jeglicher Art verboten, unabhängig von ihrem Leumund. Von dieser Regelung der Waffenverordnung sind unter anderem Kroaten, Albaner, Türken und Sri-Lanker betroffen.

Wer weder Waffenerwerbsschein noch Strafregisterauszug beantragen möchte, muss sich mit weniger scharfen Waffen begnügen. Jedoch gibt es auch hier einige Überraschungen. So fallen beispielsweise Schlagringe und Stöcke unter die verbotenen Waffen und sind somit auf der gleichen Sicherheitsstufe angesiedelt wie Maschinengewehre. Pfeffersprays hingegen sind ab 18 Jahren frei erhältlich, da sie offiziell nicht als Waffen gelten und deshalb unter das Chemikaliengesetz fallen. Die Möglichkeit, sich Waffen mit fadenscheinigen Gründen zu erschleichen, besteht aber kaum. Waffenanbieter halten sich strikt an die Bestimmungen und verweisen gleich zu Beginn auf die nötigen Dokumente, was bei einem Strafmass von bis zu fünf Jahren Gefängnis bei illegalem Vertrieb von Waffen auch naheliegt.

Unser Selbstversuch hat gezeigt, dass jede gewillte, nicht straffällige Person in der Schweiz an eine Waffe kommen kann. Dabei seien die Möglichkeiten, die der Schwarzmarkt bietet, mal aussen vor gelassen. Dass es in der Schweiz trotzdem nicht zu- und hergeht wie im Wilden Westen, liegt daher nicht an einer eingeschränkten Erhältlichkeit von Waffen, sondern an anderen Faktoren. Ein hoher Lebensstandard, soziale Sicherheit sowie die professionelle Betreuung von psychisch labilen Patienten sind wohl nur einige Gründe dafür, dass wir nur äusserst selten Amokläufe erleben müssen, die in den USA schon fast an der Tagesordnung sind. Dass wir dabei aber eines der liberalsten Waffengesetze weltweit haben, dürfte den wenigsten bewusst sein.


1 Comment

  • Louis M.

    Ich bin Weder Links no bin ich Rechts, Schwarz no Weiss! Ich wäre froh wen mir kei Waffen me müssten ha.
    Ich find das Gesetz schon ein bisschen hart, vor allem fürs Militär. Wenn man uns nach der RS, nicht für waffentragfähig hält. Heisst das nichts anderes als das die Armee zuwenig Ausbildung anbietet. Oder wir mit Amerikaner verglichen werden und alles amoklaufende Psychos wären. Ich find das ein schweizer Ur-Recht, sich angemessen verteidigen zu dürfen, wenn man seine Pflichten erfüllt.
    Und wer jetzt sagt wir leben in einer friedlichen und gerechten Welt. Dann schaut euch mal genau um in Europa und drumherum. Alle sind am aufrüsten und am rumpöbeln, ist nur eine Frage der Zeit bis es richtig knallt!
    Ja leider werden mir Waffen nicht los, solange nicht alle auf der Welt den Handel und Produktion mit Waffen stoppen. Und zwar ALLE ohne Ausnahme.

    mfg

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