Filmtipp: 12 Angry Men

Bereits 1957 kam das Gerichtsdrama mit Hollywood-Legende Henry Fonda in die Kinos und stellt bis heute eine unerreichte Parabel für menschliches Gruppenverhalten dar. Angehende Juristen finden darin eine Bestätigung ihrer Studienwahl.

Schuldig oder nicht schuldig? In einem Prozess um den Mord an einem puertoricanischen Einwanderer sollen zwölf Männer darüber entscheiden. Die Geschworenen treffen sich in einem kleinen Raum und wollen möglichst schnell zu einem Schuldspruch kommen. Die Mehrheit zumindest. Es ist ein heisser Sommertag und einige wollen zu einem wichtigen Spiel am Abend gehen. Zuerst plaudern die Männer und beschliessen, nach kurzem Smalltalk und ohne weitere Diskussion, per einfacher Abstimmung zu einem Ergebnis zu kommen.

Doch so schnell wie geplant kommen die Geschworenen nicht vom Tisch weg: Einer der Anwesenden, gespielt von Fonda, schliesst sich nicht der Meinung der Allgemeinheit an. Er plädiert nicht für unschuldig, nur ist er sich eben nicht ganz sicher – und im Gegensatz zu vielen seiner Mitstreiter will er nicht auf dieser Grundlage über den Tod eines Jugendlichen entscheiden. Ihm war aufgefallen, wie schnell der Staatsanwalt über manche Zeugenaussagen oder Beweise hinweggegangen war und dass manche Annahmen sehr leichtfertig getroffen wurden. Im Laufe der Versuche Fonda doch noch von der Schuld zu überzeugen, stossen die anderen Geschworenen selbst auf immer mehr Unstimmigkeiten und müssen einer nach dem anderen ihre Meinung überdenken. Fondas grandiose Argumentationen führen zwar nicht zu einer Aufklärung des Falls, lassen aber die Darstellungen des Staatsanwaltes im Bezug auf den Beschuldigten immer unglaubwürdiger erscheinen. Dabei beeindrucken insbesondere die zwölf Figuren mit ihren Geschichten und Wesenszügen, die alle für einen bestimmten Typus Mensch stehen. Es ist so gelungen, ein Dutzend greifbarer Charaktere über die Dauer eines ganzen Filmes zu zeichnen. Die meisten davon werden innerhalb der anderthalb Stunden Handlung auch noch eine Entwicklung durchmachen, wie sie in klassischen Dramaturgien eigentlich nur dem Hauptdarsteller vorbehalten ist.

Gerichtsfilme hat es nach 12 Angry Men noch Dutzende gegeben, 1997 wurde sogar ein Remake produziert, das aber trotz Farbe und Startbesetzung schauspielerisch und eben gerade in Sachen Charaktere nicht überzeugen kann. Den Meisten ist gemeinsam, dass sie selten ohne den Auftritt genialer Verteidiger, resoluter Richter oder übertriebener Plädoyers auskommen. In diesem Klassiker wird die Geschichte der Jury im Hinterzimmer erzählt, wo lebensechte Charaktere streiten und jeder Gruppenarbeit einen ungemütlichen Spiegel vorhalten. Es wäre vermutlich eine Überlegung wert, statt theoretischen Vorlesungen über Teamprozesse einfach diesen Film zu zeigen. Auf jeden Fall sehenswert!

12 Angry Men

96 Minuten
Erschienen: 1957
Regie: Sidney Lumet
Besetzung: Henry Fonda, Lee J. Cobb und Martin Balsam

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