HSG Founder of the Year 2018 in der Kritik

Auf ihrer Website strahlt die mobile Bank «N26» eine scheinbar lockere Arbeitsatmosphäre in der sonst so hierarchischen Welt des Bankwesens aus. Doch der Schein trügt.

Die Startup@HSG Wand mit Valentin Stalf (Bild: Severin Grob)

Die Kommentare auf dem Job-Bewertungsportal «kununu» möchten nicht zum Bild eines jungen Unternehmens mit Sofalounge und Streetart an den Wänden passen: Man werde «ausgebeutet», «nicht geschätzt» und «nicht angehört», liest man dort über die Arbeitsbedingungen von «N26». Die Onlinebank wurde 2013 von HSG-Alumnus Valentin Stalf mitgegründet. Das Berliner Unternehmen mit europäischer und amerikanischer Banklizenz besitzt kein Filialnetz. Ihre Kundschaft verwaltet ihr Bankkonto über eine App. Nach eigenen Angaben hatte die Bank anfangs 2020 über 5 Millionen Kundinnen und Kunden. Die Hälfte davon seien unter 35. Mit einem geschätzten Unternehmenswert von 2,3 Milliarden belegt «N26» seit 2019 den ersten Platz im Ranking der wertvollsten Finanz-Startups Deutschlands und hat es somit zum elitären Club der sogenannten «Unicorns» geschafft.  

Doch nun steht die innovative Onlinebank und mit ihr wieder einmal ein HSG-Alumus negativ in den Schlagzeilen. Denn im August ist zwischen der Unternehmensleitung und den Arbeitnehmenden ein Konflikt um mehr Mitbestimmung ausgebrochen. Die bunte Fassade einer scheinbar horizontalen Start-Up-Unternehmenskultur reisst ein.  

Gegenwehr aus der Führungsetage 

Schon seit längerem seien viele Mitarbeitende frustriert und unzufrieden. Da bisherige Initiativen mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen und Feedbackkultur zu verbessern, gescheitert sind, formierten sich die Mitarbeitenden zu «worker26» und wollten einen Betriebsrat gründen. Doch auch diese Initiative der Belegschaft von «N26» stiess auf Gegenwehr aus der Führungsetage. Mit zwei einstweiligen Verfügungen versuchte das Management das erste Treffen, an dem ein Vorstand für eine Betriebsratswahl bestimmt werden sollte, zu verhindern. Mit Hilfe der Gewerkschaft «ver.di» konnte dennoch ein Informationsevent abgehalten werden. Ein solcher Betriebsrat sei dringend notwendigheisst es auf der Website von «worker26». Ein grosser Teil der Belegschaft sei aus dem Ausland nach Berlin gezogen und mit dem deutschen Arbeitsrecht kaum vertraut und wisse nicht, was ihnen zustehe. Zudem existiere eine starke Lohnungleichheit. «Worker26» schreibt, dass es nicht um Konfrontation gehe: «Zweck ist es, für den Erfolg des Unternehmens zu arbeiten, wobei ein besonderes Augenmerk auf die richtige Behandlung der Beschäftigten gelegt wird.» 

Ein gefallener Shooting-Star? 

Auf dem HSG-Campus begegnet man «N26» und Valentin Stalf immer wieder. Professoren schwärmen in ihren Vorlesungen vom innovativen Geschäftsmodell der Smartphone-Bank. An der «Startup@HSG» Wand vor der Mensa A ziert das Portrait von Valentin Stalf als «HSG Founder of the Year 2018». Ein Fenster des Gründerzentrums ist mit einem Zitat von ihm vermerkt: «Tu’s einfach. Ich gründe eine Bank.» Die Universität ist sichtlich stolz auf ihren Accounting and Finance Absolventen aus dem Jahr 2012Die problematische Unternehmenskultur von «N26» wird hingegen unter den Teppich gekehrt.  

Doch als Aushängeschild der HSG-Gründerszene strahlen solche Kontroversen auch auf die Universität aus. Gerade wenn Kommunikation und Mitarbeiterführung eines Unternehmers wiederholt negative mediale Aufmerksamkeit erregen, stellt sich die Frage, welche Konsequenzen das für die Universität hat.  

Keine Distanzierung durch die HSG 

Auf Anfrage von «Prisma» schreibt Jürg Roggenbauch von der Kommunikationsabteilung der HSG, dass sich die Universität im allgemeinen auf die «Studierenden während ihrer Zeit an der HSG» konzentriere und «darauf, ihnen in dieser Zeit so viel Wissen für Fach und Leben wie nur möglich mitzugeben.» Die Universität könne sich nicht anmassen, auf Basis von Medienberichten oder anderen Sekundärquellen über Firmen und Menschen zu urteilenerklärt Roggenbauch. Zudem beziehe sich die mediale Berichterstattung nicht auf Valentin Stalfs Rolle als «HSG Gründer des Jahres 2018». Die Universität schliesst ihre Antwort mit dem Grundsatz: «Moralisches Verhalten von ehemaligen Studenten und Studentinnen wollen und können wir nicht beurteilen.» 

Die HSG im kommunikativen Spagat 

Dass sich die Universität auf die Zeit konzentriert, in der die Studierenden tatsächlich an der Uni sind und sich nicht für das verantwortlich sieht, was ihre Alumni später mit der erhaltenen Ausbildung anstellen, leuchtet ein. Doch ein gewisser Widerspruch ist nicht von der Hand zu weisen, da sich in der Realität doch gerne mit den Federn der ehemaligen Studierenden geschmückt wird, während die Misserfolge aus eigener Sicht nicht mehr in den eigenen Verantwortungsbereich fallen würden. Auch dass man moralisches Verhalten nicht beurteilen möchte, ist zugleich verständlich wie auch streitbar. Von Unternehmen und Organisationen wird zunehmend erwartet, genau in diesen Punkten Flagge zu zeigen und sich proaktiv für gewisse Werte einzusetzen. Hier befindet sich die Universität als öffentliche Organisation in einem Spannungsfeld: Wie weit muss man zu gewissen Themen Farbe bekennen, ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen und die angebrachte Objektivität zu verlieren? 

Der angesprochene Fall um Valentin Stalf ist zu klein, als dass sich die Kommunikationsabteilung der HSG dazu in grösseren Medien äussern musste. Doch zeigt er auf, welche kommunikativen Schwierigkeiten bei einem gewichtigeren Fall in Zukunft auf sie zukommen könnten. Was wäre, wenn ein Gesicht der HSG eines Tages beispielsweise für einen Skandal in der Grössenordnung von Wirecard verantwortlich ist und sich nicht «nur» das interne Studierendenmagazin für den Fall interessiert? Es wird sich zeigen, ob dann der öffentliche Druck gross genug wäre, um den Grundsatz, sich nicht zum moralischen Verhalten seiner Alumni zu äussern, aufzuheben. 

Inzwischen haben die Mitarbeitenden von «N26» einen Betriebsrat gewählt. Valentin Stalf äusserte sich via Twitter erfreut darüber: «Ich bin der festen Überzeugung, dass die Beteiligung und Vertretung der Mitarbeitenden ein Schlüsselelement für den Aufbau einer noch stärkeren N26-Kultur ist.» Schwächer kann sie auch nicht mehr werden. 

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