Guter Duft und klare Worte

Seit 14 Jahren steht Vreni Giger, ausgezeichnet mit 17 Gault-Millau-Punkten, in der Küche des Jägerhofs und verwöhnt ihre Gäste mit erlesenen Speisen. Grund genug für uns, für einen Tag hinter die Kulissen zu schauen und einen Einblick in den Arbeitsalltag einer Meisterköchin zu bekommen.

Um 9 Uhr morgens fängt unser Ausflug in die Brühlbleichestrasse an. In der Küche beginnen die zwei Köche in Ausbildung und ihre Chefin mit der Planung der Arbeitsschritte und entscheiden, welche Gerichte bereits vorbereitet werden können. Wir wundern uns derweil ein wenig, dass man aus der Küche bis in den Gastraum schauen kann, doch Frau Giger klärt uns auf: «Das Prinzip der offenen Küche ist mir sehr wichtig. Die Gäste sollen dadurch ermuntert werden, auch mal einen Blick in den wichtigsten Raum des Restaurants zu werfen!» Etwas verloren kommen wir uns als Laien in den ersten Momenten in diesem Reich aus Edelstahl und Küchenmaschinen, mit riesigen Herdflächen, Kresse auf den Sideboards und den grossen Dosen mit Salz, Zucker oder Mehl dennoch vor. Jeder Koch hat hier seinen eigenen Posten, ist zum Beispiel zuständig für Stärkebeilagen, kalte Vorspeisen, Gemüse oder Saucen. Nur das Fleisch, das ist natürlich der Chefin vorbehalten. Einer der ersten Gänge des Tages führt einen Koch in den Kühlraum des Hauses, der erstaunlich leer scheint, doch er klärt uns schnell auf: «Die meisten Zutaten kommen frisch aus der Umgebung und müssen deshalb auch nicht lange gelagert werden.»

Kleider machen Köche

Währenddessen wird in der Küche Käse gehobelt, Suppengemüse eingekocht, und dutzende Zwiebeln geschnitten (nicht zu fest mit dem Messer drücken, dann muss man auch nicht weinen, sagt der Profi). Und zwischen Amuse-Bouches und Pré-Dessert wird sogar aus uns prisma-Redaktoren ziemlich schnell ein Teil der Crew – zumindest äusserlich: An die hochgeschlossene Küchenbluse werden die Knöpfe gesteckt, dazu kommen die Schürze und der Torchon – das Geschirrtuch für alle Fälle – und schon halten wir die erste Rezeptkarte mit der Tagesaufgabe in der Hand: Schwiegermutterzungen, eine Art breite Crossini, die den Gästen als Knabbergebäck für zwischendurch auf den Tisch gestellt werden. Doch natürlich ist das gar nicht so leicht. Wir versuchen uns im Abwiegen und Bedienen der rumpelnden Knetmaschinen, scheitern zunächst kläglich beim Auswalzen und schaffen es letztlich aber doch, das eigene Werk mit einem gewissen Stolz in den Backofen zu schieben. Die beiden jungen Köche, die seit zwei respektive drei Jahren im Jägerhof lernen, erzählen derweil, dass sie sich zuhause vor dem Kochen eher drücken, weil sie einfach ständig von ihren Kollegen belagert werden. Und auch die unvorhersehbaren Dienstenden sind Gift für Verabredungen: «Jeder Tag ist anders, und bekanntlich bestimmen die Gäste, wann die Arbeit zu Ende ist.»

Auch ein Koch muss einmal essen

Bevor die Mittagsgäste eintreffen, versammelt sich das gesamte Team des Jägerhofs zum Mittagessen: Käsehörnli mit Salat. Hungrig könne man nicht gut kochen, sagt Frau Giger lachend. Lange Zeit fürs Essen kann man sich dabei nicht lassen: Gegen 12 Uhr füllt sich der Gastraum und auch die Atmosphäre in der Küche ändert sich. Alle paar Minuten bringen die Kellner neue Bestellungen, die von Frau Giger verteilt werden. Jeder Angesprochene antwortet mit einem klaren «Jawohl!» und macht sich wie selbstverständlich an sein Werk. Wir Laien können spätestens ab jetzt nur noch zuschauen: Auf dem Posten der kalten Vorspeisen werden die bunten Salate drapiert und der Beilagenkoch macht in einer Minute aus einem gelblichen Klumpen formvollendete Pasta. Vreni Giger bringt ganz vorn noch Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchte und die dazugehörigen Saucen auf den Teller und gibt ihr Okay, bevor der Teller die Küche endgültig verlässt. In der Küche wird es währenddessen unglaublich warm, es brutzelt und duftet in jeder Ecke des Raums. Die erste Schicht des Tages ist geschafft.

Leadership à la HSG

Die zweite Etappe beginnt um knapp 18 Uhr. Mittlerweile ist der Abend eingekehrt in Frau Gigers gemütlicher Küche und die Vorbereitungen für einen gästereichen Freitagabend laufen auf Hochtouren. Das Team, bestehend aus fünf Köchinnen und Köchen, plant das Abendgeschäft. Es herrscht ein angemessen straffes Arbeitstempo, ohne dass Hektik in der Luft liegt. Während auf dem Herd zwischen fünf und sieben Töpfe dampfend vor sich hin kochen und wohlriechende Düfte in die Luft befördern, planen die Chefin und ihr Team nebenher die letzten Details für einen reibungslosen Ablauf. Alle Kollegen hören auf Frau Gigers bedachte Vorgaben und halten sich an ihre schriftlich festgehaltenen Meisterrezepte. Sie selbst hat die Lage voll im Griff: Während sie routiniert mehrere Speisen synchron zubereitet, sind ihre Augen überall zugleich. Stets weiss sie den Kollegen im richtigen Moment den richtigen Ratschlag zu geben und behält den Überblick; eine Führungsperson fast schon nach HSG-Manier!

Ein guter Duft liegt in der Luft

Pralle Orangen werden mit schneller Hand gepresst, ein Arbeitsfeld weiter verlieren Riesengarnelen ihre Haut und finden sich kurzerhand fein gehackt in einem exquisiten Soufflé wieder. Feinstes Fischfilet zischt beim Kontakt mit der heissen Gusspfanne, massenweise Gänseleber wird gebraten, auf der Kochplatte nebenan beginnen sich die in Knoblauchsauce gebratenen Miesmuscheln langsam zu öffnen. Immer wieder wird zu der zentral stehenden Schüssel mit Salz gegriffen. Gekonnt werden Gewürze abgeschätzt, andere Zutaten exakt mit der silbernen Küchenwaage abgemessen. Wohlige Gerüche finden ihren Weg in unsere Nasen, der Grossteil des Dunstes aber steigt auf in die riesige Abzugshaube und gelangt von dort nach draussen in die kalte Abendluft. Nicht zuletzt von diesem feinen Odeur angelockt, kommen die ersten Gäste des Abends in den Jägerhof. «Der Grossteil hat reserviert», verrät die sympathische Kellnerin, «für heute erwarten wir etwa 40–50 Gäste.» Ganz voll wird es also nicht werden. «Wir hatten schon über 70 Gäste hier, da wurde es aber wirklich eng», erzählt Claudia, die freundliche Sommelière, und poliert mit ihrer Kollegin die letzten Messer und Gläser. Nebenher ist noch Zeit für einen kurzen Plausch, denn noch ist der erwartete Andrang des Abends nicht eingetroffen.

Ein langer Abend steht bevor

Das Fischfilet von vorhin befindet sich mittlerweile umgeben von einer köstlich anmutenden sowie aufwändig zubereiteten Weinsauce und macht einen servierfertigen Eindruck. Gemeinsam mit einer aufregenden Schaum-Crème richtet Frau Giger es auf Rande an, bevor der Teller seinen letzten Weg in die Speisezimmer antreten darf. Während wir uns von unserer kleinen Reportage langsam auf den Heimweg machen, hat der Stress für das gesamte Team gerade erst begonnen. Noch bis mindestens 22 Uhr werden sie in der Küche die leckersten Gaumenfreuden zubereiten und ihr Können erneut unter Beweis stellen.


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