Habt endlich Einsicht!

Die Prüfungseinsicht ist ein bekannter Problemherd. Doch es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Es ist endlich an der Zeit, neue Konzepte und Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.

Jedes Jahr das Gleiche. Ewig langes Warten bei den Prüfungseinsichten im Bachelor. Und auch dieses Jahr kam erneut Ernüchterung auf. Bei der Marketing-Einsicht bildeten sich lange Schlangen und Studenten mussten bis zu einer Stunde warten. Zudem wurden die Resultate der Studenten öffentlich ausgehängt, sodass jeder Einsicht auf die Noten anderer hatte. Das ist weder im Sinne der Studenten noch sinnvoll für die Universität und datenschutzrechtlich sehr fragwürdig.

Aber bereits die letzten Jahre berichtete prisma über diese Zustände und doch scheint sich nichts zu ändern. Woran liegt das?

Öffentliche Noten, lange Wartezeiten

Auf der Suche nach den Gründen kontaktierte das prisma Prof. Dr. Torsten Tomczak, und sprach mit der jetzigen Interessenvertretung und künftigen Präsidenten der Studentenschaft, Florian Wussmann. Wussmann sei das Problem der Prüfungseinsicht bekannt und verwies auf ein Gespräch aus dem letzten Jahr, bei dem sich Tomczak offen für Neuerungen zeig-
te. Dass sich nichts verbessert hätte, verblüffte ihn. Den Aushang der Noten bezeichnete er als Amateurfehler. Tomczak erläuterte hingegen, der Grund für den Aushang der Noten sei, dass es lediglich die Noten der Gruppenarbeiten seien. Diese wären per se nicht anonym.

Auch wenn es im ersten Moment verständlich erscheint, sollte dies trotzdem in Zukunft überdacht werden. Wie man erkennen konnte, waren die Ergebnisse der anderen Studenten jedem frei zugänglich. Dass Noten öffentlich so präsentiert werden, ist datenschutzrechtlich nicht vertretbar, auch wenn es sich um eine Gruppenarbeit handelt. Würde dies anders sein, könnten in Zukunft alle Prüfungsleistungen wie Präsentationen oder Gruppenarbeiten direkt dem Studenten mitgeteilt werden. Dafür
müsste man nicht monatelang warten.

Die Grösse des Kurses sei laut Tomczak auch Grund dafür, dass ein Massenansturm an der Prüfungseinsicht nicht verhindert werden könne. Laut des Professors hätte die Grösse des Kurses in den letzten Jahren zu einer starken Belastung geführt, sodass die Ressourcen für eine schnelle Prüfungseinsicht nicht mehr ausreichen würden. Wussmann hingegen betonte, es sei nur eine Frage des Wollens, um die Prüfungseinsicht zu verbessern.

Die Studentenschaft habe bereits im Jahre 2015/2016 ein Konzept für Prüfungseinsichten erarbeitet, welches zurzeit jedoch nicht bindend sei. Dieses könne man laut Wussmann auch auf der Home-
page einsehen. Wenn man bedenkt, dass dieses schon seit Jahren existiert, muss jedoch die Auswirkung eines solchen Konzeptes auf irgendeiner Hompage hinterfragt werden.

Alternative Konzepte der SHSG

Wussmann betonte jedoch, dass bereits ein fertiges Konzept für eine digitale Prüfungseinsicht vorliege. Dieses Konzept orientiere sich an Vito Roberto, der laut Wussmann ein starker Befürworter einer digitalen Prüfungseinsicht sei. Dieses würde auch schon angewendet werden. Bei einer solchen Prüfungseinsicht würde die ausgewertete Prüfung digital dem Studenten ersichtlich gemacht werden.

Bei Bedarf kann ein Gespräch folgen. Damit könne verhindert werden, dass im Nachhinein Ergebnisse verfälscht werden und Studenten, die nur Punkte zählen wollen, könnten dies schon zuhause machen. Dies sei laut Wussmann auch der Grund, weshalb manche Professoren die Prüfungseinsicht absichtlich unattraktiv gestalten würden. Einige Professoren verträten die Meinung, die Prüfungseinsicht würde nur genutzt, um nachträglich um Punkte zu feilschen.

Dabei würde allerdings vernachlässigt, dass dies bei den Wenigsten der Beweggrund sei. Stattdessen sei es ein wesentlicher Aspekt, den Lernkreis zu schliessen. Eine Rückmeldung über die Ergebnisse bekäme man sonst bekanntlich nicht.

Digitale Prüfungseinsicht an der HSG

Die Lösung wäre eine digitale Prüfungseinsicht. Laut Wussmann wäre die Nichtumsetzung reiner politischer Unwille. Er gehe von einem Nullsummenspiel aus, da der Aufwand durch die digitale Prüfungseinsicht nicht grösser wäre, als die benötigten Ressourcen für die herkömmliche. Das Argument, dass die HSG eine Campus-Uni sei und daher die Prüfungseinsicht auch am Campus sein solle, liesse er nicht gelten.

Für eine qualitative Diskussion der Prüfungsergebnisse benötigen Studenten Zeit. Da zudem weder Buch noch Sonstiges in die Prüfungseinsicht mitgenommen werden könne und die Zeit dort begrenzt wäre, müsse dem Studenten durch die digitale Prüfungseinsicht Vorbereitungszeit zuhause ermöglicht werden.

Tomczak hingegen argumentiert, dass die benötigten Ressourcen die Kapazitäten überschreiten würden. Alles müsse eingescannt werden und der personelle Mehraufwand wäre nicht verhältnismässig. Studenten würden zudem immer noch Feedback bekommen wollen. Der Aufwand würde sich somit verdoppeln. Wenn die Klausur digital sein solle, dann müsse die Marketing-Klausur auch anders gestellt werden und das wolle er nicht. Dies würde auf ein Multiple-Choice-Format hinauslaufen, welches in einem Fach, in dem es mehrere Antwortmöglichkeiten gäbe, nicht zu rechtfertigen sei.

Die Zukunft der Prüfungseinsicht

Allerdings sieht der Marketingprofessor natürlich ein, dass die Situation für alle Beteiligten nicht optimal sei. Daher käme seiner Ansicht nach ein Konzept mit zwei Terminen für die Einsicht in die Marketingprüfung in Frage. Zudem betonte Tomczak, dass endlose Diskussionen während der Einsicht einer der Gründe sind, weshalb sich der Prozess der Einsicht verlangsame. Das Angebot, im Nachhinein einen Termin für ein Gespräch in Anspruch zu nehmen, hätten dieses Jahr allerdings nur fünf Personen
genutzt.

Zu einer Universität, die den Anspruch erhebt, auf internationalem Niveau Forschung und Lehre zu betreiben, gehört auch die Weiterentwicklung. Es gibt viele Baustellen an der Universität – die Prüfungseinsicht ist eine davon. Wie Florian Wussmann betonte, sei die Prüfungseinsicht Teil des Lernprozesses. Wenn dem Studenten die Möglichkeit gegeben wird, eine Klausur in Ruhe zuhause zu betrachten und sich wirklich auf diese einzulassen, dann kann dies nur positiv für den Prüfungsnehmer sein.

Schliesslich heisst es, nur aus Fehlern lernt man. Wenn dem Studenten jedoch nicht die Möglichkeit gegeben wird, sich auf diese Fehler einzulassen, dann kann man daraus auch nicht lernen. Zehn Minuten während der Prüfungseinsicht reichen dafür nicht aus. Dass der Student zudem bezahlen muss, um im Nachhinein die Prüfung ausgedruckt zu erhalten, ist schlichtweg Studentenunfreundlich. So wie sie zurzeit abläuft, kann und sollte die Prüfungseinsicht in diesem Rahmen nicht weitergeführt werden.

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