Helden der Kindheit: Ein offener Brief

Liebes König-der-Löwen-Ensemble,

auch wenn ich es wohl nie zugegeben hätte, für die Version von mir, die sich durch Kindergarten und Primarschule kämpfen durfte, seid ihr die absoluten Helden gewesen. Niemand genoss in meinem Universum mehr Glaubwürdigkeit. Von euch habe ich so einiges gelernt, auch wenn ich später mit Wehmut feststellen musste, dass anscheinend doch nicht jeder automatisch zum König geboren wird.

Dennoch, die Tatsache, dass Daddy einen aus jedem Schlamassel herausboxt, hätte wohl niemand besser auf den Punkt bringen können als der grosse Mufasa. Auch die Frage, wo all die Sterne am Himmel herkommen, kann ich seitdem prima beantworten: Es handelt sich ganz einfach um Augenpaare, die einem stets den Weg weisen können.

Und wenn es mir mal so richtig scheisse ging, dann hattet ihr für mich auch in dieser Situation den richtigen Ratschlag parat: einfach weglaufen. Warum sollte ich mich auch darum kümmern, welchen Kummer dies den Zurückbleibenden einbringen würde. Schliesslich bin ich es doch, der Spass haben sollte, und wer lange genug läuft, der findet einen tollen Urwald mit lieben Erdmännchen und Warzenschweinen, die erstens interessante Namen tragen und zweitens die offenen Rätsel sämtlicher Philosophen kurz und knapp gelöst haben: Käfer sind eine Delikatesse, Fleisch ist generell überbewertet, und wenn man nur lange genug «Hakuna Matata» vor sich her murmelt, wird man seine Sorgen normalerweise im Alleingang los. Bis heute verstehe ich nicht, warum der ein oder andere Professor gerne zehn bis fünfzehn Seiten schriftliche Ausarbeitung von mir hätte, wenn doch alles in zwei Worten gesagt ist.

Auch die Erkenntnis, dass einem die grosse Liebe, die man in seinem Egoismus allein gelassen hat, mit grosser Wahrscheinlichkeit so lange hinterherläuft, bis sie einen wiedergefunden hat, einem nach einem kurzen Techtelmechtel im Dschungel alle Untaten verzeiht und zum krönenden Abschluss dabei hilft, die eigenen Feinde aus dem Weg zu räumen, hätte ich ohne eure Hilfe nie herausgefunden. Man stelle sich nur vor, wie kompliziert die Welt wäre, wenn zum Erreichen persönlicher Ziele der eigene Wille oder die eigene Einsatzbereitschaft tatsächlich von Bedeutung wären.

In diesem Sinne bleibt mir nicht viel übrig, ausser mich bei euch zu bedanken und allen Simbas dort draussen ein ausgiebiges «Hakuna Matata» entgegenzuwerfen.

Beste Grüsse,
Sebastian

P.S.: König der Löwen 2 kann nicht euer Ernst gewesen sein!?!


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