«Helden werden nicht geboren»

Andres Büchi ist seit Juni 2008 Chefredaktor des Beobachters. Im Interview mit prisma sprach er über die Idee des Prix Courage und darüber, was einen Helden erst zu einem solchen macht.

Welchen Nutzen erhoffen Sie sich durch die Verleihung des Prix Courage?

Einerseits kann er allen Leuten zeigen, dass sich selbstloser Einsatz für andere lohnt. Damit meine ich nicht nur das Preisgeld, sondern auch, dass die Gesellschaft den Einsatz sieht und anfängt, ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen. Die Gewinner des Prix Courage nehmen also eine Vorbildfunktion ein.

Denken Sie, dass Zivilcourage heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr ist und deshalb belohnt werden sollte?

Ich denke, Zivilcourage war nie eine Selbstverständlichkeit. Durch die Anonymisierung der Gesellschaft ist es aber einfacher geworden, wegzuschauen. Während man sich früher in einem kleineren Umfeld bewegt hat und dadurch meist selbst betroffen war, hat man schneller eingegriffen. Darum ist es wertvoll, dass eine Gesellschaft couragiertes Verhalten nicht gänzlich verliert, sondern stets aufs Neue beweist, dass sie aus handelnden, souveränen und selbstbestimmenden Individuen besteht, die sich auch für höhere Ziele einsetzen.

Welche mutige Tat, die mit dem Prix Courage ausgezeichnet wurde, hat Sie persönlich am meisten beeindruckt?

Ich habe keine innere Rangfolge. Wir haben meistens zwei Grundkategorien, in denen der Prix Courage verliehen wird: einerseits die klassischen Lebensretter; Leute, die im Moment über sich selbst und das Leben hinauswachsen und für höhere Werte kämpfen, obwohl sie damit ihre Karriere, womöglich auch das eigene Leben gefährden. Vor diesen Leuten habe ich sehr grossen Respekt. Aus Intuition stellen sie ein höheres Ziel über sich selbst und handeln. Die zweite Kategorie, die mich genauso beeindruckt, sind Leute, die sich gegen ein Unrecht wehren, obwohl sie wissen, dass ihre Karriere darunter leiden wird, ihr Privatleben oder ihre Partnerschaft. Aber sie kämpfen für eine höhere Idee, damit es anderen besser geht. Vielleicht für fairere Löhne, für gute Arbeitsbedingungen oder gegen einen Missstand im Unternehmen.

Weshalb, denken Sie, braucht unsere Gesellschaft Helden?

Eine Gesellschaft braucht Leute, die in entscheidenden Situationen handeln, auch wenn die Folgen noch nicht abschätzbar sind, man aber trotzdem bereits sieht, dass etwas Schlimmes passiert und jemand Hilfe braucht. Leute, die sofort eingreifen, bloss weil sie da sind und handeln können. Leute, die nicht nur warten und auf Besserung hoffen, die womöglich nie eintritt. Leute eben, die uns andern voraus sind und den Unterschied ausmachen. Solche Menschen braucht jede Gesellschaft.

Wie definieren Sie einen Helden?

Helden werden nicht geboren, sondern erwachsen in dem Moment zu Helden, wo sie handeln, statt tatenlos danebenzustehen. Zu einem Teil ist es die Intuition, in einem besonderen Moment die Notwendigkeit einer Handlung höher einzuschätzen als die eigene Sicherheit. Jemand, der diesen höheren Wert klar sieht und sich gar nicht erst die Frage stellt, ob er handeln sollte oder nicht, sondern sofort handelt, so eine Person handelt meiner Meinung nach heldenhaft.

Der Prix Courage wählt einen Sieger. In einer Gesellschaft, wo mutige Taten immer seltener zu werden scheinen, sollten da nicht alle Taten gleichwertig geehrt werden?

Jede Nominierung ist bereits eine Belohnung. Wir vom Beobachter stellen jeden Kandidaten mit einem eigenen Titelbild vor, um damit die Leistung grundsätzlich zu würdigen. Wir recherchieren jede dieser Heldentaten nach und daraus ergibt sich oftmals die Möglichkeit für eine Wertung. Wie hoch war das Risiko, das diese Person eingegangen ist? Was war der Effekt und wie hart war der Kampf? Eine rein objektive Wertung ist kaum möglich. Wie bei jeder Jurywertung versucht man Kriterien festzulegen und diese zu bewerten. Bei den Leserinnen und Lesern, die den Publikumspreis vergeben, sind die Gründe vermutlich sehr unterschiedlich, so dass sich keine einheitliche Linie erkennen lässt.


Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*

*

*