«Ich bin nicht so charismatisch und kein grosser Sprücheklopfer»

Lukas Reimann, SVP-Nationalrat, spricht über den Umsetzungsvorschlag der Masseneinwanderungsinitiative (MEI), den «Schwexit» und was er und sein grosses Idol Nigel Farage gemeinsam haben. Ein ungefiltertes Interview.

Was halten Sie vom Stararchitekten Kurt Fluri und seinem Umsetzungsvorschlag zur MEI?

Ich würde ihn nicht gerade Stararchitekt nennen, sondern eher «Star-Abbrecher» der direkten Demokratie und der Volksrechte. Er hat das geschickt eingefädelt. Am Schluss hatte er noch die Frechheit, dem Umsetzungsvorschlag den Titel «korrekte Umsetzung der MEI» zu geben. Ich glaube, dass sich da alle einig sind, dass es sicherlich keine korrekte Umsetzung ist, welche von der Kommission unter der Führung von Kurt Fluri vorgestellt wurde. Ich finde, wenn man sich damit nicht abfinden möchte, kann man gerne wie Thomas Geiser eine neue Volksinitiative lancieren. Was gar nicht geht, ist sich zu weigern, einen Volksentscheid und Verfassungsauftrag umzusetzen. Das ist undemokratisch und hat vor allem unschöne Nebenfolgen. Viele fragen sich mittlerweile, für was sie eigentlich noch stimmen gehen sollen. Die Politiker in Bern machen sowieso, was sie wollen.

Sie sind also mit der RASA-Initiative, welche unter anderem von Thomas Geiser lanciertwurde, einverstanden?

Ein neuer Entscheid ist sicherlich höher zu gewichten als ein älterer. Deshalb sage ich auch, dass der positive Volksentscheid zur MEI einen alten wie jenen zur Personenfreizügigkeit wieder aufhebt. Sollte sich das Volk wieder anders äussern, dann geht das in Ordnung. Ich schaue der RASA-Initiative somit ziemlich gelassen entgegen.

Wieso denken Sie, hat sich die Kommission für diese Umsetzung entschieden?

Das hat zwei Gründe. Die SP meint auf der einen Seite, dass alle Menschen gleichbehandelt werden sollen. Die FDP auf der anderen Seite hat das Motto, dass die Wirtschaft günstige Arbeitskräfte braucht, der Staat aber schlussendlich für sie aufzukommen hat. Offenbar gewichten sie dies höher als einen demokratischen Volksentscheid.
Der zweite Grund ist die Angst vor der EU. Bei jedem Artikel wurde schon gesagt, dass man aufpassen müsse, nicht in Konflikt mit der EU zu kommen. Ich war für drei Tage in der Kommission, als wir diese Umsetzung ausgearbeitet haben. Das ist taktisch ein völlig falsches Vorgehen. Man müsste einmal nach Brüssel gehen und als Verhandlungsstart sagen, dass wir gar keinen mehr in die Schweiz lassen. Danach kommt man ihnen natürlich etwas entgegen, aber am Schluss kann die Initiative umgesetzt werden. Die Engländer zeigen, wie es geht. Die sagen von Anfang an, dass es die Personenfreizügigkeit nicht mehr gibt. Mit einem solchen Vorgehen kann man natürlich viel mehr rausholen.

Wieso gewinnen Sie den Eindruck, dass die Schweiz nicht in ernstzunehmende Verhandlungen eingetreten ist?

Ich glaube, es liegt daran, dass jene Leute, welche an den Schalthebeln sitzen, die Schweiz in der EU sehen. Sei dies der Chefdiplomat Yves Rossier in Brüssel, welcher der persönliche Mitarbeiter von Pascal Couchepin war, oder Didier Burkhalter.

Was kann die kleine Schweiz denn gegen die von Ihnen beschriebene «Übermacht» der EU unternehmen?

Es ist klar, dass man sich als Mitglied an alle Vorschriften halten muss. Aber wenn man kein Mitglied werden will, dann gelten diese Vorschriften nicht. So sollte man auch als ebenbürtiger Verhandlungspartner der EU gegenübertreten. Meine Hoffnung ist, dass Grossbritannien mehr rausholt. Es gibt auch Mitgliedsländer der EU, welche die Personenfreizügigkeit nicht mehr haben möchten. Ich glaube, dass die EU denen entgegenkommen muss, wenn sie weitere Austritte von Mitgliedsstaaten verhindern möchte.

Was ist denn für Sie das Problematische am Umsetzungsvorschlag?

Dass die MEI nicht umgesetzt wird, gefährdet die Wirtschaft. Denn dies birgt die Gefahr, dass das Volk einer viel radikaleren Initiative, welche beispielsweise bestimmte Prozentzahlen vorgibt, zustimmt. Diese Verantwortung tragen die Leute, welche diese Initiative jetzt einfach nicht umsetzen wollen. Unsere Initiative sieht eine Anpassung an die wirtschaftlichen Gegebenheiten vor, wie zum Beispiel eine Kopplung an die Arbeitslosenzahl. Ich persönlich wäre sogar für eine weltweite Personenfreizügigkeit, aber die Unternehmen müssten für die Personen aufkommen. Es geht nicht, dass man eine Person einstellt und nach wenigen Wochen wieder entlässt, weil man gemerkt hat, dass es doch nicht geht. Gesamtwirtschaftlich liegt das nicht im Interesse vom Staat, dass dieser wieder für die Kosten aufkommen muss.
Gemäss Bundesrat Burkhalter ist der Rahmenvertrag der Schlüssel zu einer zukünftig erfolgreichen Zusammenarbeit mit der EU. Mit diesem Abkommen würde sich die Schweiz zur Übernahme des EU-Rechts und dessen Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof verpflichten. Was halten Sie vom Argument des Bundesrats?
Das ist ganz kurios. Der Bundesrat wollte dies schon seit Jahren. Jetzt sagt die EU plötzlich, dass sie nur mit uns über die Personenfreizügigkeit verhandelt, wenn wir den Rahmenvertrag mit der Umsetzung der MEI verknüpfen. Der Bundesrat meint aber plötzlich in einer parlamentarischen Anfrage, obwohl dies ursprünglich seine Idee gewesen wäre, dass er diese Verknüpfung ablehne. In einem Interview hat Burkhalter gesagt, dass sie sowieso keine Chance gehabt hätten, diesen Vorschlag durchzubringen. Das ist für mich keine Handlungsweise, die im Interesse des Landes liegt.

Was wäre denn Ihrer Meinung nach eine angemessene Handlungsweise?

Der Brexit hat uns gezeigt, dass wir die Unabhängigkeit nicht aus der Hand geben sollten. Denn einmal aus der Hand gegeben, ist es schwierig, sie zurückzugewinnen. Das zeigen auch die Diskussionen, welche in Grossbritannien stattfinden. Ich wünsche den Engländern aber viel Glück. Und ein bisschen haben wir ihnen auch geholfen, indem wir das hängige EU-Beitrittsgesuch der Schweiz, welches vom Bundesrat 1992 eingereicht wurde, drei Tage vor der Abstimmung zurückgezogen haben.

Sie sind ein grosser Fan von Nigel Farage. Sehen Sie Parallelen zwischen seiner und Ihrer eigenen Person?

Ich bin nicht so charismatisch und kein so grosser Sprücheklopfer wie er. Aber ich glaube, zumindest inhaltlich sind wir auf der gleichen Wellenlinie. Die United Kingdom Independence Party (UKIP), welcher Farage angehört, wird dem Rechtspopulismus zugeordnet, obwohl sie auch wirtschaftsliberal und teilweise libertär ist. Sie haben eigentlich ein sehr sozialistisches Programm und sind einzig und allein bei den Ausländerfragen sehr rechts orientiert. Aber was heisst schon rechts. Wenn ich im Ausland eine Partei suchen müsste, welche zu mir passt, dann wäre es die UKIP.

Wie soll es denn Ihrer Meinung nach weitergehen?

Man müsste die MEI nunmehr umsetzen und mit der EU Verhandlungen eingehen. Die Einwanderung soll strikte mit Kontingenten reguliert werden und dann gehen wir nach Brüssel. Ich glaube, man wird sich schon finden. Die Engländer machen es auch so. Die EU wird sich mit ihnen einigen, denn beide Seiten sind daran interessiert gemeinsam Lösungen zu finden. Nicht anders wird es mit uns sein.


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