«Ich habe auch noch ein Privatleben»

Gamen ist an der HSG kein Thema – ausser es geht um Spiele, die an
WG-Parties gespielt werden. Blickt man hinter die Kulissen, kommen richtige Profis zum Vorschein. Richard Goos gibt Einblick und widerlegt Vorurteile.

Wie bist du zu E-Sports gekommen?

Angefangen hat es in der Sekundarschule, da haben alle meine Kollegen irgendwelche Games auf dem Computer gezockt und ich hatte genug Freizeit, um das auch zu tun. In die Community bin ich durch zwei Leute aus Bern gekommen, die den Verein ImProve gegründet haben. Gegen die habe ich eines Tages gespielt und sie haben mich dann angefragt, ob ich Gründungsmitglied von ImProve sein möchte.

Verdienst du damit Geld?

Nicht regelmässig, es ist kein Job im eigentlichen Sinne. Fürs Zocken bezahlt werden ist ein Traum. Aber da muss man schon ziemlich gut sein. Natürlich kann es sein, dass man einmal an einem Turnier ein Preisgeld gewinnt, das ist dann aber eher unregelmässig.

Ist dein nächstes Ziel Profi zu werden?

Es muss nicht unbedingt sein, aber auf nationaler Ebene wäre das sicher ein Traum von mir. Für weltweite Präsenz reicht’s nicht, da hat man keine Zeit mehr für das Studium und das möchte ich nicht aufgeben. Ich habe schon noch ein Privatleben. Das verstehen viele Leute nicht. Man wird gleich als Zocker oder «Suchti» abgestempelt. Man kann aber auch noch andere Hob-
bies nebenbei haben.

Warum spielst du in
einem E-Sports Team?

ImProve ist eher eine Community, eine Gruppe von Leuten, die sich immer wieder trifft, um verschiedene Spiele zu spielen, nicht beschränkt auf League of Legends (LoL). Es gibt auch Starcraft, Hardstone, WoW (World of Warcraft). Ich spiele momentan in einem Team – Snowmountain – pro Team ist das meistens eine andere Community.

Trainierst du damit regelmässig?

Ja, die Trainingszeiten sind meist am Abend, weil wir alle entweder studieren oder arbeiten müssen. Das ist von 19 bis 22 Uhr jeden Montag, Mittwoch und Freitag. Am Wochenende haben wir je nachdem ein Coaching-Programm, also Theorie, oder Teambesprechungen organisatorischer Natur.
An welchen grossen E-Sports-Events hast du schon teilgenommen?
Auf nationaler Ebene nur an den «Switzerlands», den nationalen Meisterschaften in League of Legends. Aber auch an anderen Spielen, wie die kleinen Turniere in Burgdorf und Bern, habe ich gespielt. Dafür musst man jeweils seinen Computer abbauen, ihn möglichst sicher transportieren und am Turnierort wieder aufbauen. Das ist ein Riesenakt für zwei, drei Tage.

Inwiefern ist E-Sport
für dich Sport?

Grundsätzlich ist E-Sports für mich nicht wirklich als Sport zu bezeichnen, da man sich nicht sportlich an etwas beteiligt. Aber wenn man dann Schach anschaut, das auch als Sport gezählt wird – so gross bewegen muss man sich da auch nicht. So gesehen kann man schon von Sport reden, vor allem wegen den schnellen Reaktionen und Interaktionen. Reaktionsgeschwindigkeit ist ein wichtiger Punkt im E-Sport, kognitive Prozesse sicherlich auch. Der Teamzusammenhalt ist extrem wichtig, die «synergy» im Spiel, also wie gut man sich mit seinen Kameraden versteht und auf diese eingestellt ist.

Was tut ihr, wenn der
Teamgeist leidet?

Wir haben einen Coach für unser Team, der schaut bei den Spielen zu, spielt teilweise auch mit. Was man im Team rausholt, wird nach dem Spiel besprochen: die positiven und negativen Aspekte und was man beim nächsten Mal verbessern muss. Das klappt natürlich nicht direkt im Spiel. Aber nach dem Spiel wird es «revisionwise» nochmals besprochen.
Nebst dem Zocken gehst du auch regelmässig ins Fitness. Wie hängen E-Sports und das Training im Kraftraum deiner Meinung nach zusammen?
Ich persönlich finde, dass dies zwei komplett verschiedene Sachen sind. Ich sehe keine Verbindung zwischen Kraftraum und E-Sports. Ich finde aber, dass beides mit Trainieren zu tun hat. Die Grundaspekte sind gleich: Man trainiert, um etwas zu erreichen. Aber grundsätzlich sind das verschiedene Sachen.

Inwiefern wirst du mit Vorurteilen gegenüber deinem E-Sport konfrontiert?

Es gibt da immer die Grundeinstellung: Das ist ein Zocker, der hat keine anderen Hobbies. Ich bin nicht wirklich mit Vorurteilen konfrontiert worden, weil die meisten Leute aus meinem Kollegenkreis selber Gamer sind oder schon mal davon gehört haben und keine wirklichen Vorurteile haben. Die vorherrschenden Grundbilder sind nicht ganz falsch. Man sitzt ja beim Zocken die ganze Zeit vor dem PC, aber es muss nicht heissen, dass man übergewichtig ist oder keine anderen Hobbies hat, was oft so dargestellt wird. Auch die soziale Kompetenz ist relativ gut ausgebildet, weil man viele Leute online kennenlernt.

Was macht der E-Sport
mit deinem Ego?

Mein Grundego wird durch das Spielen nicht beeinflusst, aber das Ego aufs Spiel bezogen ist natürlich extrem. Wenn mir ein Fehler passiert oder wenn während dem Match jemand besser ist als ich und er es mir per Chat schreibt, stört mich das extrem. Doch dafür gibt es Mute-Buttons, dann kann ich die Nachrichten des Gegners nicht mehr empfangen.

Wie oft drückst du in einem Spiel
den Mute-Knopf?

Wenn ich Franzosen im Spiel habe, dann wird der Mute-Knopf grundsätzlich immer gedrückt, weil die Franzosen immer auf Französisch beleidigen. Deutsche sind auch ziemlich fies. Doch man kann das nicht auf die Herkunft verallgemeinern, das sind immer Individuen aus dem Land.

Was passiert mit dir
bei einem Sieg?

Das ist für mich immer ein positives Spielerlebnis. Ich freue mich natürlich, weil ich im Ranking aufsteige. Hingegen bei einer Niederlage rege ich mich immer extrem auf. Doch eigentlich lernt man dabei immer viel. Man kann nochmals alles analysieren und dies dann im besten Fall im nächsten Spiel bereits anwenden. Wenn man noch kein so erfahrener Spieler ist, dann schiebt man alles auf seine Mitspieler und nicht auf sich selbst. Das ist der grösste Fehler, denn man machen kann.

Wie lange hält diese innere
Aggressivität an?

Die innerliche Agressivität kann den ganzen Tag andauern. Wenn ich zwei oder drei Spiele hintereinander verliere, bin ich innerlich so unbewusst negativ beeinträchtigt, dass ich am besten aufhöre zu spielen. Sonst frage ich mich am Ende des Tages, weshalb ich das Spiel überhaupt spiele. Wenn ich verloren habe, dann setze ich mich am besten hin, schau ein lustiges YouTube-Video und mache eine Pause.

Merkt dein persönliches Umfeld, wenn du verloren hast?

Nein, ich finde, man muss die Zockerwelt und das Real-Life trennen. Ich verhalte mich den Leuten gegenüber, die ich an der Uni sehe, normal, auch wenn ich im Game einen Scheisstag habe. Das Schlimmste ist, wenn ich auf meinen Mitstreiter sauer bin, dann spreche ich nur noch das Nötigste mit ihm. Doch am nächsten Tag ist das sofort wieder anders.
Wie viel Keyboards hast du schon zerstört?
Ich persönlich noch kein einziges, weil ich sehr, sehr sorgfältig bin mit allem, was ich an E-Sports-Equipment kaufe. Ich achte immer darauf, dass es qualitativ hochwertig, aber auch preisgünstig ist, was natürlich nicht immer klappt. Manche Sachen sind trotzdem relativ teuer und da will ich halt nicht, dass das kaputtgeht. Das heisst, wenn ich mal ein schlechtes Spiel habe, dann werde ich nicht meine ganze Tastatur nehmen und die zerschmettern. Das hängt aber auch vom Individuum, also vom Charakter, ab. Vielleicht liegt es auch an mir. Ich kenne sehr viele Leute, die das machen, aber meist ist es auf einen schlechten Tag zurückzuführen.

E-Sports sollen 2022 an den Olymischen Spielen vertreten sein. Welche neuen Möglichkeiten eröffnet dies dem E-Sport?

Ich habe das Gefühl, das E-Sports dadurch an Anerkennung gewinnen würde. Es würde bekannter und populärer werden. Wenn E-Sports dort vertreten wären, fände ich das auch richtig cool, aber auch komisch, wenn da alle Sportarten vertreten sind, die mit aktivem Sport zu tun haben und daneben einfach die Olympia-Spieler für E-Sports an ihren Computern sitzen.

Welches Spiel würdest
du für Olympia wählen?

Ich würde definitiv League of Legends wählen, weil es eigentlich mein Hauptspiel ist und ich nur das spiele. Es gibt aber vom System her gleich aufgebaute Spiele wie zum Beispiel Dota. Dota-Turniere sind sogar noch grösser als die von League of Legends.

Warum findest du LoL so viel besser
als alle anderen Spiele?

Mir gefällt das Gamedesign extrem. Ich habe beide Spiele ausprobiert. Dota ist unübersichtlicher im Aufbau und meines Erachtens nach auch etwas komplexer. League of Legends bietet ein «userfriendly gamedesign» und hat eine grossartige Community. Riot, der Produktherausgeber, kümmert sich auch wirklich um das Spiel, es gibt laufend neue Updates und Anpassungen. Die Community finde ich also wirklich toll.

Würde es für dich einen Unterschied machen, wenn League of Legends
an den olympischen Spielen gespielt werden würde?

Da ich davon ausgehe, dass ich niemals so professionell spielen werde, kümmmert es mich nicht richtig. Doch der Antrieb und Ehrgeiz würden dadurch sicherlich gestärkt. Zu wissen, dass die eigene Sportart an den Olympischen Spielen vertreten wird, macht stolz.

Was sollte ein Einsteiger bei
League of Legends wissen?

Ich könnte jetzt einen dreistündigen Vortrag darüber halten. Also es gibt ein Tutorial in League of Legends, das man spielen sollte, bevor man startet. Das ist speziell für Einsteiger gemacht, da wird ganz kurz die Grundsteuerung erklärt. Sehr oft spielen hilft. Es kann helfen, mit Freunden, die auch spielen, zu reden. Man sollte sich auch die Fähigkeiten der Champions (Anm. d. Red: Spielfiguren in League of Legends) durchlesen.

Mit welchen Kosten muss man
als Anfänger rechnen?

Ich habe auf einem gewöhnlichen PC angefangen zu spielen. Sehr viel hängt von der Internetverbindung ab, manchmal bringt ein guter Router viel mehr als ein guter PC. Eine ganz herkömmliche Maus kann
reichen. Ich persönlich benutze
eine Maus mit drei Makrotasten, welche programmierbar sind. Eine standard Acer-Tastatur reicht. Der Monitor sollte gross sein, damit
man eine bessere Übersicht hat. Preislich würde ich sagen, wenn
man einen guten PC haben will, läuft es auf 800-1000 Franken hinaus. Also mit Headset, Tastatur, Maus und Desktop.

Was sollte man tun, um
besser zu werden?

Grundsätzlich Ablenkungen eliminieren. Womit ich persönlich Probleme habe, sind Lichtreflexionen auf dem Monitor. Die Sicht auf den Monitor ist wichtig. Was bei mir leistungssteigernd wirkt, ist, wenn ich vor dem Match einen Kaffee trinke, dann bin ich einfach konzentrierter im Game und kann auch schneller reagieren.

League of Legends, kurz LoL, ist ein im Jahr 2009 von der Firma Riot Games herausgegebenes Online-Computerspiel. Mit ungefähr 100 Millionen Spielern, die mindestens einmal im Monat spielen, gehört LoL zu den grössten Onlinespielen der Welt. Das Spiel ist gratis zum Herunterladen verfügbar, finanziert sich aber über die Möglichkeit, im Spiel Gadgets zu erwerben. Grundsätzlich wird LoL im Team gegen andere Teams gespielt, wobei es um die Verteidigung der eigenen Territorien sowie das Erobern der gegnerischen Basis geht. In E-Sports gehört LoL ebenfalls zu den beliebtesten Titeln. Seit 2011 werden Weltmeisterschaften ausgetragen, an denen es neben Ruhm und Ehre um beachtliche Preisgelder geht.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*

*

*