Inwiefern hat sich Ihr persönliches Humorverständnis über all die Jahre hinweg verändert?
Ich bin Netflix-süchtig und schaue mir vor allem die ganzen Stand-up-Comedians an. Dadurch habe ich einen völlig anderen Anspruch an den Humor. Dann ist es schwierig, mit jemandem zusammenzusitzen, der tagtäglich im Büro sitzt und über Dinge «gigelet», die mich halt wirklich nicht mehr vom Hocker reissen. Nicht, dass es überheblich wäre, aber ich habe schon so viele Dinge gesehen, dass ich das Humorverständnis gewisser Leute doch als etwas schwierig einstufe.
Haben Sie das Gefühl, im Alltag lustig sein zu müssen?
Nein, ich habe das sehr stark zurückgeschraubt. Logischerweise kommt man nicht zufällig in die Komiker-Branche, kann es sich nicht aussuchen. Ich absolvierte die Mittelschule, arbeitete einige Jahre auf der Bank und versuchte dann in St. Gallen zu studieren, was furchtbar war. Dann kam ich zum Radio und auch zum Fernsehen. Und dann kam ich zufällig in die Comedy rein. Wahrscheinlich musste das so sein. Bevor die Komik zu meinem Beruf wurde, hatte ich wohl das starke
Bedürfnis, Leute unterhalten zu können.
Lachen Sie über sich selbst?
Es gibt schon Dinge, von denen ich finde, dass sie mir gelungen sind. Mir bleiben aber mehr die peinlichen Dinge im Kopf. Ich nerve mich dann, dass ich diese Dinge unbedingt erzählen musste. Das ist Horror. Ich beobachte mich selbst auch sehr stark – nicht nur die anderen Leute. Sachen, die ich mache und mir gleichzeitig bei anderen Leuten auffallen, können durchaus ein tolles Thema für die Bühne liefern.
Wie sieht für Sie ein typischer Arbeitstag aus?
In der Regel stehe ich jeweils zwischen sechs und sieben Uhr auf. Dann gehe ich mit dem Hund spazieren und meine Frau und ich bereiten die Kinder für die Schule und den Kindergarten vor. Sie arbeitet zwei Tage die Woche. Ich hingegen gehe zwei Mal pro Woche für eine Stunde ins Fitnesscenter. Es gibt aber auch viele Tage, an denen ich nicht viel mache. Dann schreibe ich an meinem neuen Programm. Hierfür gehe ich häufig ins Engadin, wo wir eine Ferienwohnung besitzen. Nicht jeder Tag ist gleich, aber meistens bin ich bis am Nachmittag viel zu Hause.
Wie finden Sie an einem schlechteren Tag die Motivation, sich hinzusetzen und am Programm zu schreiben?
Diesen Schreibfluss kann man weder forcieren noch planen. Den Text zu überarbeiten oder Passagen zu streichen fällt dabei leichter, da es mehr eine mechanische Arbeit ist. Ideen überkommen einen einfach – beim Duschen, Spazieren, oder am Morgen, wenn ich aufwache. An Tagen, an denen ich mich hinsetze und am Programm arbeiten will, respektive muss, komme ich oft nicht wirklich in einen Flow. Das Schreiben ist sehr stimmungsabhängig. Wenn es nicht läuft, dann läuft es nicht und ich mache etwas anderes.
Wie teilen Sie sich die Zeit zwischen Arbeit und Privatleben auf?
Das ist schon sehr stark vermischt. Wenn die Premiere kurz bevorsteht, bin ich intensiver dran. Zwei, drei Tage lang kann ich neun Stunden pro Tag am Programm arbeiten, aber dann ist genug und ich muss das Programm wieder liegen lassen. Ich lasse ein Programm hin und wieder auch einen Monat oder zwei unberührt. Danach finde ich einige Dinge wieder doof und werfe sie aus dem Programm.
Wie stellen Sie sicher, dass die Premiere nicht in die Hose geht?
Vor der Premiere mache ich immer ein sogenanntes Tryout, wo ich vor Publikum das Programm austeste, um zu merken, ob ich nicht komplett am Publikum vorbei gearbeitet habe. Zu diesem Zeitpunkt muss ich wirklich bereit sein.
Was ist die grösste Herausforderung im Komiker-Business?
Beim Sport, Film und eben auch bei der Komik glauben die Leute zu wissen, wie es gehen müsste. Sie gehen etwas schauen und finden nachher, dass es ein «Seich» war oder aber sie finden, dass es super war. Da sind sie gnadenlos und beim Humor ist es sicherlich am extremsten. Jeder Mensch hat das Gefühl, dass sein Anspruch an den Humor wahnsinnig hoch ist. Vermag ich diesen nicht zu erfüllen, werden sie fast wütend, anstatt zu sagen, dass sie sich etwas anderes vorgestellt haben.
Wie gehen Sie mit Kritik an Ihrem Programm um?
Ein Programm geht zwei Stunden. Und während dieser Zeit kann nicht jeder gleich unterhalten werden. Das ist normal. Am unangenehmsten ist Kritik nach der Vorstellung. Wenn man gerade fertig mit Spielen ist, hat man keine Lust, darüber zu diskutieren. Die Leute wollen aber immer ihren Senf dazugeben. Hin und wieder gibt es in solchen Situationen aber tatsächlich brauchbare Inputs.
Betrachten Sie andere Komiker als Konkurrenten?
Natürlich stehen wir in Konkurrenz zueinander. Wir sind kein grosses Land und dementsprechend überschaubar ist auch das Publikum. Deshalb können nicht alle Comedians jeden Abend einen vollen Saal haben. Daraus resultiert eine Konkurrenz, die jedoch nicht negativ sein muss. Natürlich kennt man sich. Ich moderiere respektive bestreite oft auch Mixed-Abende, an denen verschiedene Künstler gemeinsam auftreten.
Warum bieten die Schweizer viel Pointen-Potenzial?
Ich glaube nicht, dass das eine Länder-Diskussion ist, sondern vielmehr der Mensch im Allgemeinen. Ich habe einfache Themen und mache auch überhaupt kein politisches Kabarett. Der Schweizer hat aber beispielsweise ein wahnsinniges Problem mit touristischen Orten. Er sagt dann immer, dass man dorthin gehen soll, wo es keine Touristen gibt. Schlussendlich ist man jedoch selbst der Tourist. Am liebsten würden wir in der Landestracht ankommen, damit wir nicht als Touristen entlarvt werden.
Sie nehmen Ihre Inspiration also primär aus dem Alltag.
Ja, absolut. Das sind teilweise wirklich simple Themen. Gewisse Leute machen sich null Gedanken. Beispielsweise gibt es viele Leute, die sagen «ich weiss es ist doof, aber ich mache das…». Hin und wieder sollte man sich selbst halt schon auch ein wenig hinterfragen.
Können Sie uns weitere Beispiele nennen?
Leute sprechen in gewissen Phasen immer wieder in derselben Art. Alle sagen: «Ich habe wie keine Lust». Zurzeit verwenden alle das Wort «wie». Ich finde das extrem lästig und werde das deshalb in meinem nächsten Programm auch thematisieren. Zudem haben viele Leute das Gefühl, dass es ihnen gleichgültig sein kann, wie sie ausschauen. Das ist eigentlich schade, da es insbesondere für die Mitmenschen unangenehm ist…
Sie haben Ihr Wirtschaftsstudium nach zwei Semestern abgebrochen. Hat Sie das viel Überwindung gekostet?
Das brauchte schon sehr viel Überwindung – vor allem, diesen Entscheid meinen Eltern mitzuteilen. Es ist immer eine Niederlage, wenn man etwas abbricht. Und ich musste eine Alternative haben. Wenn die Situation eintritt, dass etwas zu Ende ist und man sich zwangsläufig für etwas Anderes entscheiden muss, ist man jedoch viel kreativer und motivierter, etwas zu finden. Man geht auf die Hinterbeine und sucht etwas. Das habe ich ein paar Mal erlebt in meinem Leben. Schlussendlich bin ich so bei dem gelandet, das mir am meisten liegt. Wenn alles funktioniert hätte, wäre ich heute irgendwo auf einer Bank. Und das wäre definitiv nicht das gewesen, was ich mir für mein Leben gewünscht hätte.
Welche Verhaltensmuster konnten Sie bei Studenten beobachten?
Während meines Jahres in St. Gallen 1993 beobachtete ich die Verhaltensweisen der Studenten noch nicht sehr stark. Sowohl optisch als auch vom Verhalten her gibt es aber schon gewisse Stereotypen. Man sieht durchaus, wer studiert. Insbesondere alternative Studenten fallen auf, sind an der HSG aber wohl nicht sehr stark vertreten. Es gibt authentische Menschen, und jene, die sich verkleiden. Die nicht authentischen erkenne ich sofort. Meine einzige Erinnerung an meine Studentenzeit ist, dass ich uh schlecht war.
Welche Tipps geben Sie Studenten mit auf den Weg?
Ich würde sicherlich versuchen, das Studium fertig zu machen. Ein Studium abzubrechen ist immer schade. Die Möglichkeit, später etwas komplett anderes zu machen, geht hierdurch nicht verloren. Primär sollte man hinterfragen, was man persönlich wirklich gerne machen würde. Denn das, was man gerne macht, beherrscht man in aller Regel auch gut. Problematisch ist, dass man als junger Mensch noch gar nicht wirklich merkt, was einen interessiert. Beispielsweise hatte ich in der Mittelschule null Interesse für all die Klassiker, die wir lesen mussten. Man hat noch keine Lebenserfahrung und versteht die Bücher teilweise überhaupt nicht. Erst später denkt man, dass es eigentlich interessant gewesen wäre. Das Leben ist ein Stück weit falsch aufgebaut. Eigentlich sollte man zuerst rund 30 Jahre des Lebens geniessen und erst dann mit Lernen anfangen.
Welches ist Ihr bester Witz über Studenten?
Da habe ich zurzeit nichts auf Lager, da ich in dem Sinn gar kein Witzeerzähler bin. Da muss ich die Leute immer enttäuschen. Der Student hat das Gefühl, dass er die Welt verändern kann, wenn er rauskommt. Das ist dann leider nicht der Fall. Irgendwann landet man dann trotzdem am Kopierer und muss dies und jenes erledigen. Und das ist auch richtig so.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf Ihr bisheriges Leben zurück?
Ehrlicherweise bin ich doch sehr zufrieden. Ich hatte grosses Glück und durfte schon sehr viel Schönes erleben. Das habe ich mir so wirklich nie auszumalen getraut.
Was war das Highlight Ihrer bisherigen Karriere?
Ich kann auf eine ganze Menge Highlights zurückblicken. Für mich ist natürlich das jährlich stattfindende Humorfestival in Arosa ein Highlight. Dazu kommen meine nicht wenigen Auftritte bei «Benissimo». Wenn du da hinter der Bühne wartest und weisst, dass du gleich live zu einer Million Zuschauern sprechen wirst, ist das schon krass.
Sicherlich mussten Sie auch schon Tiefschläge wegstecken.
Eine wirklich schwierige Zeit war das Jahr beim Circus Knie. Und zwar nicht, weil ich es nicht hätte machen können. Aber ich habe da etwas erlebt, das ich niemandem wünsche: Eine Medienkampagne, die ich einfach irgendwie durchstehen musste. Für mich ist es aber auch generell etwas Falsches, als Einzelkomiker, der mit Worten arbeitet, im Zirkus aufzutreten.
Was konnten Sie aus dieser schwierigen Zeit beim Circus Knie mitnehmen?
Seither habe ich eine ganz andere Sicherheit auf der Bühne. Ich machte in dieser Zeit 200 Vorstellungen und musste mich jeden Tag auf etwas einstellen, das nicht wegen mir da war.
Sie haben zwei Töchter. Wie hat man sich Claudio Zuccolini als Vater vorzustellen?
Als Vater bin ich ziemlich normal. Meine Kinder wissen auch gar nicht recht, was ich mache. Ich habe den grossen Vorteil, dass ich nicht das Gefühl habe, mit meinen Kindern etwas verpasst zu haben. Schliesslich bin ich viel zu Hause und wir unternehmen vieles gemeinsam. Es gibt Zeiten, da bin ich aber auch viel weg. Das ist aber nicht weiter tragisch, da auch Kinder gerne mal alleine sind.
Welchen Ratschlag geben Sie künftigen Eltern mit auf den Weg?
Wenn Kinder eine Idee haben, muss man diese als Eltern unbedingt unterstützen. Bei meiner älteren Tochter warte ich zurzeit darauf, dass sie eine solche Leidenschaft entwickelt und sich für etwas begeistern lässt. Generell sind Eltern heute zu stark auf ihre Kinder fixiert, etwas mehr Lockerheit im Umgang mit den eigenen Kindern würde nicht schaden…
Inwiefern fühlen Sie sich in Ihre eigene Schulzeit zurückversetzt?
Ich mache heute mehr Hausaufgaben, als ich früher während meiner Schulzeit löste. Die Ansprüche sind gegenüber früher schon sehr viel höher. Wenn ich heute sehe, was und wie früh Kinder etwas wissen müssen, ist das beeindruckend. Ich möchte, dass meine Kinder möglichst gut durch die Schulzeit kommen. Die ersten sechs Jahre habe ich während meiner Schulzeit gar nichts gemacht und war immer gut. Dann kam ich an die Kantonsschule und wurde extrem schlecht. So ist das Einzige, das ich vom Französisch noch weiss, dass ich es gehabt habe…