Kolsimcha – Stimme der Freude

«Klezmer und Jazz? Wie passt das zusammen?», mag sich der ahnungslose Student fragen. Die Antwort auf diese Frage lieferte das von «Jazz an der Uni» organisierte Konzert der Band «Kolsimcha».

Am 13. November 2008 hat die Band Kolsimcha die A-Mensa der Universität St. Gallen gerockt. Wie die «Marc Forsters des Jazz» erschienen die fünf Bandmitglieder – Michael Heitzler, Olivier Truan, Ariel Zuckermann, Daniel Fricker und Christoph Staudenmann – ganz in schwarz gekleidet und mit millimeterkurzem Haar. Mit einem unglaublichen Tempo an Klarinette, Querflöte, Klavier, Bass und Schlagzeug eröffnete die Band ihren Gig. Das Publikum liess sich sofort mitreissen.

Grosser Lobgesang war der Band Kolsimcha vorausgeeilt. Empfehlungen kamen vom Schweizer Konsul in Hong Kong, dem Publikum der Carnegie Hall in New York und der Queen Elisabeth Hall in London. Den über 150 Besuchern, die sich am späteren Abend in der dunklen A-Mensa zusammenfanden, wurde dann auch Musik-Kunst vom Feinsten geboten.

Virtuos wechselten Kolsimcha von schnellen zu langsamen Sätzen, den Fingern der Leadmusiker an Klarinette und Querflöte war nicht zu folgen. Als Neuling im Gebiet der Klezmer- und der Jazzmusik erwartete ich eine englische Ansage des Pianisten, nachdem der erste Applaus verebbt war. Als er sich mit breitestem Baseldeutsch als Schweizer outete, war mit «Härzlig willkomme i de Mensa» der berühmte Graben zwischen Band und Publikum mit Riesenschritten überwunden. Sie hätten schon einmal in einer Mensa gespielt, erzählte der heimliche Frontmann Olivier. Nur sei damals keiner zu ihrem Konzert gekommen, weil ein Security-Mann die Besucher ausgesperrt hatte. Und überhaupt, «Konzert» sei ja eigentlich nicht richtig, unter Musikern heisse das «Gig». Und diesen setzte die Band sogleich mit ihren Eigenkompositionen und mit spezieller Choreografie fort. Spätestens jetzt sah man keine Konzertbesucher mehr, die nicht, vom Rhythmus mitgerissen, mit Köpfen und Füssen zuckten. So sehr war das ganze Publikum von der Musik fasziniert, dass der Applaus nach der ersten Hälfte um einige Sekunden zu spät kam, dafür aber umso heftiger und euphorischer ausfiel.

Dass man mit Klarinette auch Tierlaute, in diesem Fall solche von zwei spielenden Hunden, vertonen kann, erlebte das Publikum nach der Pause. Das bandeigene Maskottchen, der Rauhaardackel Jack, hatte Pianist Olivier Truan zu einer Komposition verleitet. Mit «Qunik & Jack» zeigte Klarinettist Michael Heitzler einmal mehr sein Genie. Mit dem Stück «Jerusalem» nahm Kolsimcha die Konzertbesucher dann mit in die Heimat der Klezmermusik, zu einem Tag in einer hart umkämpften Stadt, wo unter der brütenden Nachmittagssonne ein einsamer Musiker Leben in die Wüste bringt. Doch lange verweilte Kolsimcha nicht bei den langsamen, melancholischen Tönen. Pianist Olivier Truan meinte anschliessend, da Flötist Ariel Zuckermann eigentlich gar nicht Flötist, sondern Dirigent sei und dieser die Flöte mehr als Zeitvertreib spiele, werde Ariel dabei schnell langweilig. «Ollii isch langweile misch, schreib mir was Schweres!», soll er den Pianisten gebeten haben. Und Olli hat komponiert. Das Publikum kriegte sich nach dem furiosen Spiel von Ariel fast nicht mehr ein.

Beim anschliessenden kurzen Interview gab sich die Band unglaublich sympathisch und unkompliziert. Mit der Universität St. Gallen hätten sie bis anhin keine Verbindung gehabt. Da aber der Vorstand Kultur, Philip Longoni, so nett bei ihnen angefragt hätte, hätten sie einfach nicht Nein sagen können. Überhaupt würden sie kleine, intimere Gigs unglaublich schätzen. Die Leute seien der Band so viel näher und die Energie sei für sie viel leichter übertragbar. Umgekehrt würde man das Publikum viel besser spüren: für sie jeweils eine sehr inspirierende Erfahrung, an der sie immer wieder die verschiedensten Dinge ausprobieren könnten. Überhaupt hätten sie wirklich etwas verpasst, wären sie nicht nach St. Gallen gepilgert.

Der Begriff, den man des Öfteren für Bandmitglieder von Rockbands gebraucht – «Rampensäue» –, trifft auf die Musiker dieser Klezmer-Jazz-Kombo auf jeden Fall zu. Bis zum letzten Stück des regulären Sets und bis hin zur letzten Zugabe entführten sie das Publikum mit ihrer Energie in den Klezmer-Jazz-Himmel. Ganz so, als wollten sie sich nur mal schnell die Finger für ihr nächstes grosses Konzert einwärmen.


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