Land unter in Down Under

In Australien drücken sich die Naturkatastrophen die Klinke in die Hand: Überschwemmungen, Feuer und Zyklone. prisma war in Australien und berichtet vom Ort des Geschehens nach den Katastrophen.

«Begeben Sie sich zusammen mit Ihrer Familie in den kleinsten Raum Ihres Hauses (meistens das Bad). Nehmen Sie Matratzen und genug Esswaren mit. Füllen Sie Ihre Badewanne mit Wasser, damit Sie später genug Trinkwasser zur Verfügung haben. Wenn das Dach weggeblasen wird, ziehen Sie die Matratzen über den Kopf und beten Sie.»

Was sich wie Kriegsvorbereitungen anhört, ist eine Durchsage der australischen Regierung in den Abendnachrichten vom 2. Februar. Die Bewohner des Bundesstaates Queensland müssen sich an jenem Abend gefühlt haben wie am Vorabend der Apokalypse. Ein Zyklon der höchsten Kategorie 5 und mit einem Einflussgebiet, dessen Grösse ganz Westeuropa bedeckt hätte, näherte sich der Küste – und die Leute mussten ausharren und abwarten, bis die Katastrophe in der Nacht über sie hereinbrechen würde. Evakuationszentren waren überfüllt und wiesen Leute ab, und der Sturm war zu gross, um vor ihm fliehen zu können.

Der Zyklon Yasi zerstörte Dörfer, Plantagen, unzählige Häuser – und das im selben Bundesstaat, der in den Wochen zuvor schon eine der schlimmsten Überschwemmungen in der Geschichte Australiens erdauern musste. Ein Gebiet so gross wie die Flächen von Frankreich und Deutschland zusammen wurde überflutet. Ironischerweise in einem Land, welches erst vor zwei Jahren eine 15 Jahre andauernde Dürreperiode überstanden hatte. Im Jahr 2009 war es im Bundesstaat Victoria so trocken, dass bei Buschfeuern im Frühjahr 4‘500 Quadratkilometer Land verbrannt wurden, wobei 173 Menschen starben.

Umweltschutz, das Stiefkind der Gesellschaft

Man sollte meinen, dass in einem Land, das sich solch extremen Umweltbedingungen ausgesetzt sieht, die Diskussion über Umweltschutz und Nachhaltigkeit einen höheren Stellenwert hätte als anderswo. Dennoch gibt es auch in Australien noch Vertreter der Meinung, dass diese Katastrophen alle natürlichen Ursprungs seien; die Fluten und der Zyklon seien schliesslich nur von einem verstärkten La-Niña-Zyklus ausgelöst worden. Dieses Phänomen ist sehr komplex; bewiesen ist aber, dass die Rekordwassertemperaturen im Indischen Ozean eine grosse Rolle in der Verstärkung des periodisch auftretenden Phänomens gespielt haben. Leider ist aber zu beobachten, dass auch auf höchster Regierungsstufe die Themen Umweltschutz und Klimaveränderung sehr unbeliebtes sind.

Joshua Sydney-Smith absolviert momentan seinen Bachelor of Environmental Sciences an der Deakin University in Melbourne und ist Co-Präsident des Deakin Enviro Club. Er ist der Meinung, dass Australien global eine Vorbildrolle in Sachen Umweltschutz einnehmen könnte und auch sollte. Dem stehe aber die Ignoranz der momentan führenden liberalen Politiker im Wege. 2010 wurde der damalige Premierminister Kevin Rudd praktisch zum Rücktritt gezwungen – hauptsächlich, weil er einen Kohlendioxid-Reduktionsplan (Carbon Pollution Reduction Scheme, CPRS) in seiner eigenen Regierung nicht durchsetzen konnte. Sydney-Smith befürchtet, dass, solange die dafür verantwortlichen Politiker der Liberal Party und der Family First Party das Sagen haben, Australien weiterhin einer der grössten Kohlendioxid-Emittenten (pro Kopf) weltweit bleiben wird.

Gelebte Ökologie an den Universitäten

An den australischen Universitäten hingegen bietet sich ein weit fortschrittlicheres Bild. Sydney-Smith berichtet, dass das Angebot an Studiengängen zu Umweltthemen in den letzten Jahren signifikant angestiegen sei, fügt jedoch hinzu, dass das jeweilige Engagement der Universitäten für Nachhaltigkeit sehr stark vom verfügbaren Budget abhänge. Es sei gern gesehen, wenn eine Universität Anstrengungen unternehme, um zum Beispiel ihre CO2-Emissionen zu senken – aufgrund des grossen finanziellen Aufwands setzten die meisten Universitäten aber ihre Prioritäten anderweitig. Grosse Universitäten wie die University of Sydney oder die University of Queensland etablierten aber ein ziemlich umfangreiches Programm zur Verbesserung der Nachhaltigkeit auf dem Campus. Dazu gehören Umbauten von bisher nicht umweltverträglichen Gebäuden, Umstellung der universitätseigenen Fahrzeugflotte auf energiesparende Modelle (z.B. Toyota Prius) oder das Suchen nach energieeffizienten Lösungen für IT-Systeme. Dazu kommen verschiedene studentische Initiativen wie Car-Pooling-Gemeinschaften oder Clubs wie Sydney-Smiths Enviro Club. Solche Clubs beschäftigen sich mit Umweltschutz, Biodiversität und Nachhaltigkeit. Der Deakin University Enviro Club versucht einerseits, das Bewusstsein für umweltbezogene Themen an der Universität zu fördern; eines der Ziele dabei ist es, die Universität in Richtung CO2-Neutralität zu bringen. Dazu wurden auch schon in einer Guerilla-Aktion auf dem Campus Bäume gepflanzt. Andererseits versuchen sie, durch selbst organisierte Aktivitäten einen Teil zu einer nachhaltigeren Umwelt beizutragen. Im letzten Jahr wurden in den Gebieten, deren Vegetation von den Buschfeuern praktisch ausradiert wurde, Bäume wieder angepflanzt; Strände wurden gesäubert, Studierende arbeiteten an Programmen zum Schutz von Meeresschildkröten, Fledermäusen, Reptilien und Koalas mit.

Sydney-Smith ist klar, dass all diese Massnahmen nicht mehr als Tropfen auf den heissen Stein sind – solange die Regierung in Canberra nicht mitspielt, ist es schwierig, in grossem Masse etwas zu verändern. Dass nach sämtlichen apokalyptisch anmutenden Umweltkatastrophen, die das Land kürzlich gebeutelt haben, immer noch eine solche Ignoranz herrscht, ist traurig und wird zum Beispiel auch dadurch reflektiert, dass die Gelder, die dem Wiederaufbau nach den Queensland-Fluten zugute kommen, direkt dem extrem nötigen Umweltschutzbudget abgezogen werden.

Lethargie im Angesicht der Probleme

Normalerweise sollten Umweltkatastrophen wie jene in Australien Anreiz genug sein, sich ernsthaft mit dem globalen Problem Umweltschutz zu beschäftigen – zumindest in Australien selbst. Doch offensichtlich scheinen auch die kürzlichen Ereignisse keinen genügend starken Anreiz darzustellen. Gründe dazu könnten vielleicht in der australischen Einstellung gegenüber Katastrophen zu finden sein. Ein grosses Mass an Pragmatismus und der Gedanke des «we’ll be alright» führen dazu, dass man sich halt auf Fluten oder Zyklone so gut vorbereitet, wie es eben geht, die Katastrophe abwartet und hinterher wieder aufräumt und versucht, die ganze Situation irgendwie positiv zu sehen. Joshua Sydney-Smith hat Angehörige in Queensland, deren Häuser komplett zerstört wurden. Sein Kommentar dazu: «It’s devastating but they’ll rebuild. It really isn’t that bad.»

Die University of Queensland in Brisbanes Stadtzentrum wurde von den Fluten stark beschädigt; grosse Teile des Campus standen unter Wasser. Einen guten Monat später wird der Lehrbetrieb pünktlich zu Semesterbeginn aber wieder aufgenommen – mit praktisch keinen Einschränkungen. Dazu wurden finanzielle Hilfspläne für von den Fluten Betroffene und eine spezielle Unterkunftshotline für Studierende eingerichtet, deren Wohnheime beschädigt wurden.

Mit unglaublich effizienter Vorbereitung und dem Wiederaufbau nach Katastrophen wie der Flut oder dem Zyklon wird diesen ein Grossteil ihres «Schreckenspotenzials» genommen. Durch den gewaltigen Zyklon Yasi ist direkt kein einziger Mensch ums Leben gekommen – dies wohl dank der guten Informationslage vor dem Sturm und die vorbereitenden Massnahmen der Bevölkerung. Doch im Prinzip ist das nur reine Symptom-Bekämpfung. Optimismus und Pragmatismus alleine werden die klimatischen Verhältnisse nicht ändern – ein bisschen mehr Panik wäre zumindest in der politischen Arena also wünschenswert. Sonst muss man sich fragen, welche Form von Apokalypse nötig ist, um die Australier dazu zu bringen, auch auf höchster politischer Ebene eine globale Vorbildrolle in Sachen Umweltschutz einzunehmen.


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