Mensa-Card, Kopierkarte, Druckerkarte, Legi, ÖV-Billett – das Portemonnaie eines durchschnittlichen St. Galler Studierenden steht einer Pariser Modenschau an Buntheit und Vielfalt in nichts nach.
Während die Fortschrittlichkeit der HSG weit über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt ist, wirkt der St. Galler Kartendschungel auf die meisten Studierenden aus Freiburg, Zürich oder Bern rückständig. Die Luzerner etwa besitzen in Form der CampusCard eine Lösung für alle Fragen (siehe nebenstehende Tabelle). Auch für St. Gallen wäre «Eine für alles» wünschenswert – doch wo bleibt sie?
Möglich ist vieles
Schliesslich gäbe es viele Funktionen, um die eine Legi erweitert werden könnte. Besonders an der HSG würde sich etwa eine allgemeine Geldkartenfunktion anbieten, mit der das Essen in der Mensa oder die Kopien und Mahngebühren in der Bibliothek schnell und bargeldlos bezahlt werden könnten. Auch der GastroPass für AdHoc und MeetingPoint und der Nachweis für die Kraftraumeinführung liessen sich auf einer integrierten Legi speichern. Schliesslich könnte über eine solche Karte ebenfalls der Zugang zu Räumen und Gebäuden reguliert werden, auch wenn dies an der HSG im Gegensatz zu Universitäten mit Labors und anderen sensiblen Bereichen weniger relevant ist. Die Einsatzmöglichkeiten wären also vielfältig.
Die integrierte Legi – ein alter Hase
Die Frage nach einer multifunktionalen oder auch «integrierten» Legi ist allerdings keineswegs erst seit kurzem ein Thema. Im Gespräch mit Theresa Niederle, Vorstand der Interessensvertretung der SHSG, und Max Hesse, dem letztjährigen Vorstand Campus, ergab sich, dass bereits mehrere Generationen von Studentenvertretern in diesem Punkt mit der Verwaltung der Universität verhandelt haben. «Natürlich geht es einmal darum, dass man nicht immer tausende Karten dabeihat. Vor allem muss man aber eine solche integrierte Legi-Karte als notwendiges Infrastrukturprojekt sehen, schliesslich sollte unsere Universität auch in diesem Bereich zukunftsfähig sein», so Theresa. Die Verwaltung der Universität andererseits habe bisher kein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis gesehen: Die Kosten im Bereich von mehreren hunderttausend Franken liessen sich in keinem Falle durch den begrenzten Mehrwert hinsichtlich Praktikabilität und fortschrittlichem Auftreten rechtfertigen.
Plötzliches Einlenken
Im November kam dann das überraschende Einlenken der Universitätsverwaltung. Ein Projektantrag wurde in Auftrag gegeben, kurz darauf sollten Offerten eingeholt werden. Die Gründe für diesen plötzlichen Umschwung blieben dabei unklar. Viel weiter als bis zur Fertigstellung des Projektantrags kam es dann sowieso nicht, da wurde er auch schon wieder gestoppt und mit einer laut Verwaltungsdirektion günstigeren und besseren Variante ersetzt.
Auch an der Fachschule St. Gallen war die Einführung einer integrierten Legi-Karte geplant. Anders als an der HSG üblich, erhält die FHS jedoch kein Gesamtbudget vom Kanton zugeteilt, sondern nur projektbezogene Mittel. Für eben dieses FHS–Projekt waren nun die nötigen Mittel durch den zuständigen Hochschulrat nicht genehmigt worden. Den Hintergrund dafür bildeten vermutlich die aktuellen finanziellen Probleme des Kantons St. Gallen: Gemäss Finanzplan 2010 bis 2012 fährt der Kanton in diesem Zeitraum ein jährliches Defizit zwischen 124 Millionen und 224 Millionen CHF. Aufgrund dieses Defizits beschloss der Kantonsrat im Februar 2011 ein Massnahmepaket, das Einsparungen auf allen Gebieten beinhaltet. In diesem Massnahmepaket wurde beispielweise die jüngste Erhöhung der Studiengebühren beschlossen. Diese Einsparungen wurden in zwei Runden im Mai und Dezember umgesetzt. Warum das nun trotzdem Auswirkungen auf die Legi-Pläne der HSG hat, ist umstritten. An der HSG kursieren zwei Theorien dazu.
Theorie eins: Angst vor Budgetkürzungen
Die erste Theorie besagt nun folgendes: Laut eines unter Uni-Mitarbeitern und der Studentenschaft kursierenden Gerüchts führten die bisherigen Einsparungen bei den HSG-Verantwortlichen zu Furcht vor Kürzungen. Wenn sie auf dem Rosenberg das Legi-Projekt umsetzten, das zuvor am Fuss des Rosenbergs gescheitert war, würde der Fokus verstärkt auf die Ausgaben der HSG gelenkt. Das hätte nicht gerade positiven Einfluss auf künftige, kostspielige Pläne (siehe Ausgabe Protest, Campus 2022). Die Folge davon wären nämlich wiederum tiefe Einschnitte in Form von Mittelkürzungen. Doch nicht nur mögliche finanzielle Folgen, auch potenzielle Schäden in der Aussenwahrnehmung seien Teil des Kerns der administrativen Sorgen gewesen: Genannte Sparanstrengungen machten auch vor der Einstampfung bisher freiwilliger kantonaler Leistungen oder vor der Streichung von Zuschüssen zum Spital nicht Halt und schürten damit Unmut in der Bevölkerung – und Angst vor ähnlichen Kürzungen beim HSG-Budget.
Theorie zwei: Klare Prioritätensetzung
Markus Brönnimann, als Verwaltungsdirektor zuständig für die Frage nach der integrierten Legi, verneint diese Theorie jedoch vehement. Auch er sähe eine ganzheitliche Legi gerne, die im Übrigen auch als Betriebsausweis für das Personal dienen könne. Jedoch hätten sich gleichzeitig mit dem Projektantrag zur integrierten Legi die finanziellen Aussichten des Kantons stark verschlechtert. In der Folge wurde die HSG vom Erziehungsdepartement beauftragt, verschiedene Sparmassnahmen für die Folgejahre zu präsentieren. Auch sei von den jährlichen Ausgabeüberschüssen von zirka 108 Millionen CHF, die aus Mitteln der öffentlichen Hand finanziert werden, ein Grossteil in Lehre und Verwaltung gebunden, so dass für neue Investitionen nur zirka drei bis fünf Millionen CHF übrig blieben: «Klar, ich fände es als Student ebenfalls toll, wenn mein Portemonnaie nur noch halb so dick wäre wie bisher. Für mich stehen aber andere Projekte weiter im Vordergrund, zum Beispiel die Entwicklung eines Intranets, das seinen Namen auch verdient, oder der Bau von festen Lehrräumen, die die Provisorien ersetzen.»
Wie geht es weiter?
Was auch immer nun die tatsächlichen Beweggründe der Verwaltung waren, in der Folge wurde der erste Projektentwurf zugunsten eines neueren in Form eines Kompromisses abgelehnt. Dieser versucht, mit Hilfe einiger Einschränkungen in den Möglichkeiten der Legi, ein akzeptableres Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen zu finden. Der neue Entwurf sieht eine Zusammenführung der bisherigen Legi samt Ausleih-Funktion mit der Drucker-/Kopierkarte vor. Nötig wäre allein der Aufdruck des bisherigen Legi-Designs inklusive Ausleihe-Barcode auf die bisherigen Kopierkarten-Rohlinge. Neu sei bei diesem Vorschlag ausserdem die Möglichkeit, die Legi durch die Nutzung eines speziellen Thermobereichs über mehrere Semester hinweg zu verwenden. Eine solche Lösung komme bereits an der ETH Zürich zum Einsatz: Am Anfang des Semesters wird die Legi an entsprechenden Terminals neu validiert, also das alte Gültigkeitsdatum vollständig entfernt und das zum neuen Semester gehörende eingesetzt, so der HSG-Projektverantwortliche Eduard Lanker. Letztendlich fielen bei einer solchen Karte also nur die Kosten der Karte selbst und die Anschaffungs- und Installationskosten für die Terminals an. Diese seien aber mangels eingegangener Offerten seitens des Anbieters noch nicht genau zu beziffern.
Für die Studierenden stellt die Kombination aus Drucken, Bücherausleihe und Legi in einer einzigen Karte vorerst einen akzeptablen Kompromiss dar, der bereits eine Verbesserung der aktuellen Situation bedeutet. Praktischerweise lässt sich das geplante Trägersystem in Zukunft einfach um einzelne Funktionen erweitern, sofern die entsprechenden Mittel verfügbar sind. Eine zentrale Frage bleibt freilich unbeantwortet: Auch an der ETH oder der Universität Bern existieren bereits seit längerem vergleichbare Systeme. Selbst die Pädagogische Hochschule St. Gallen mit gerade einmal 1’000 eingeschriebenen Studierenden hat eine integrierte Legi zum bezahlen, Bücher ausleihen, kopieren und weitere Vergünstigungen. Dabei ist das Budget der PHSG nur unwesentlich geringer als das der HSG. Wieso müssen also ausgerechnet wir Angst vor Einsparungen haben und auf eine zeitgemässe Legi verzichten?
«Die Anderen»
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