«Manche mögen es als kindisch bezeichnen. Aber ich mag Harry Potter.»

Benjamin Schindler ist seit Frühling 2010 Professor für öffentliches Recht an der Universität St. Gallen und gibt Vorlesungen auf Master-, Bachelor- und Assessmentstufe. prisma nutzte die Gelegenheit und besuchte ihn in seinem Haus in Speicher.

Eine zehnminütige Autofahrt und eine Bilderbuchlandschaft trennen die Universität St. Gallen und das Haus von Benjamin Schindler voneinander. Am Haus, das 1820 erbaut wurde, angekommen, erwartet uns eine herzliche Begrüssung des Hausherrn, der uns freundlich Einlass in die Casa Schindler gewährt. Im Wohnzimmer setzen wir uns zusammen mit Schindler und seiner siebenjährigen Tochter Seraphine um einen rechteckigen Salontisch aus Glas und bitten zum Gespräch.

Eine Kindheit in Deutschland und der Schweiz

Das Wohnzimmer ist trotz der kleinen Fenster sehr hell und bietet einen perfekten Blick auf die Landschaft in Speicher, Appenzell Ausserrhoden. Nebst einem schwarzen Klavier, das prominent im Raum steht, fällt uns ein kleiner Fernseher aus den 60er-Jahren auf. «Den Fernseher brauchen wir nur, um die Nachrichten zu sehen. Ich wollte dafür keinen den Raum dominierenden Flachbildschirm kaufen. Vor allem sollte es etwas sein, das zum Rest des Hauses passt.» Tatsächlich wirkt das einstige Industriegut in dem fast zweihundert Jahre alten, hellen Raum mit dunklem Boden und mit Gemälden dekorierten Wänden fast schon selbst wie ein Kunstwerk. Kunst und Kultur spielen bei den Schindlers eine grosse Rolle. Jedes Werk hat dabei seine Bedeutung und ist Träger schöner Familienerinnerungen. So gehört wohl auch Leimen bei Heidelberg in Deutschland zu den schönen Erinnerungen in Schindlers Leben. In Leimen verbrachte er einen Teil seiner Kindheit, bis sein Vater, ein Theologe, 1979 in Bern eine Anstellung fand und es die siebenköpfige Familie zurück in die Schweiz zog. In Bern setzte das jüngste von fünf Kindern seine Grundschulausbildung bis hin zur Matura fort. Den Entscheid zum Jus-Studium habe er relativ pragmatisch gefällt. «Im Prinzip machte ich es wie Mani Matter und wendete das Eliminationsverfahren an. Ich schloss all jene Fächer aus, die absolut nicht in Frage kamen, und suchte mir unter den Verbleibenden jenes aus, das am ehesten zu mir passte.» Weggefallen sind so die Fächer Theologie und Germanistik. «Mein Vater war Theologe, meine Mutter Germanistin. Ich wollte etwas anderes studieren. Dass ich eine Studienrichtung gewählt habe, bei der die Arbeit mit Texten und die Sprache eine grosse Rolle spielen, ist aber sicher kein Zufall.» Während die meisten seiner Schulfreunde ihren Lebensweg in Bern fortsetzten, entschied sich Schindler für einen Tapetenwechsel und absolvierte sein Jus-Studium sowie sein Doktorat der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich. «Die meisten, welche in Bern aufwachsen, studieren dort und bleiben auch den Rest ihres Lebens in Bern. Diese Aussicht hat mich dazu bewogen, in Zürich zu studieren.»

Von Zürich nach St. Gallen

Nach dem Studium machte Schindler auch sein Anwaltspatent im Kanton Zürich, arbeitete später als Mitarbeiter im Bundesamt für Justiz und verbrachte ein Jahr zu Forschungszwecken an der Universität Oxford bis es ihn schliesslich an die Universität St. Gallen zog. Seit dem Frühlingssemester 2012 hält er unter anderem zusammen mit Bernhard Ehrenzeller die Vorlesung zum Bundesstaatsrecht auf Assessmentstufe. Wobei er zugibt, dass ihm diese Vorlesung nicht so geheuer ist. «Im Audimax herrscht eine enorme Distanz zwischen mir und den Studierenden. Ich schätze viel mehr einen interaktiven Unterricht.» Uns erstaunt es vor allem zu hören, dass Schindler trotz mehrjähriger Unterrichtserfahrung vor jeder Vorlesung ein bisschen Lampenfieber hat. «Als Assistent an der Uni Zürich musste ich Tutorien leiten. Einmal geschah es, dass ich schlecht vorbereitet zu einem solchen erschien und zwei Studierende einen Fehler in der Lösung entdeckten. In diesem Moment fühlte ich mich blossgestellt. Seither verfolgt mich dieses unangenehme Gefühl. Aber es ist auch heilsam und trägt hoffentlich zur Qualität meines Unterrichts bei.»

Benjamin Schindler ist ein Mensch, der darauf bedacht ist, wenn möglich keine Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Dies ist wohl mitunter ein Grund, wieso er die räumliche Distanz zur Universität schätzt. «Auf der kurzen Heimfahrt mit dem ‹Bähnli› kann ich etwas Abstand zur Arbeit gewinnen.» So lese er auf der Fahrt nach Hause oft eine Zeitschrift, um sich etwas zu entspannen. Die Distanz zwischen Arbeitsplatz und Wohnung stellt für Schindler auch ein willkommenes Hindernis dar, an Wochenenden das Büro aufzusuchen, obwohl dies leider manchmal doch vonnöten sei.

Der Rote Faden der Ästhetik

Während unserer Hausbesichtigung fällt uns auf, dass Ästhetik eine zentrale Rolle bei der Hauseinrichtung spielt. Selbst in der Bibliothek scheinen die Bücher optisch, in Farbe und Form, aufeinander abgestimmt zu sein. Dank der Beleuchtung und einigen kleineren Skulpturen und Figuren in ein, zwei Regalabteilen wirkt die hauseigene Bibliothek fast ein bisschen wie ein Museum. «Bei den Büchern ist mir – neben dem Inhalt – auch eine schöne Optik sehr wichtig. Form und Inhalt müssen zueinander passen.»

Auffallend ist, dass in der Bibliothek des Juristen keinerlei Fachliteratur zu finden ist, dafür entdecken wir aber Harry-Potter-Bücher. «Manche mögen es als kindisch bezeichnen. Aber ich mag Harry Potter.» Schindler verrät uns, dass auch seine Zeit in Oxford seine Faszination für Harry Potter genährt hat. Wir finden das sympathisch und wollen wissen, wieso das Buch für ihn so besonders sei. «Ich liebe es, am Abend vor dem Einschlafen meinen Kindern vorzulesen. Derzeit lese ich ihnen Harry Potter vor und der entführt uns für kurze Zeit zu gemeinsamen Abenteuern nach Hogwarts.»

Die Familie, vor allem die Kinder, scheint bei jeder Freizeitbeschäftigung von Schindler eine grosse Rolle zu spielen. So gehört auch der Garten zu den Hobbys des Juristen. Die Gartenarbeit verschaffe ihm den nötigen Ausgleich zur Universität und ermögliche es ihm auch gleichzeitig, Zeit mit seinen drei Kindern, Seraphine (7), Josette (5) und Fridolin (2), zu verbringen. «Wenn ich und mein grüner Daumen mit dem Gärtnern beschäftigt sind, helfen die Kinder entweder mit oder spielen im Garten.» Früher, bevor die Kinder auf der Welt gewesen seien, hätte er auch mal in seiner Freizeit Sport getrieben, doch heute sei seine gesamte Aufmerksamkeit auf seine Sprösslinge gerichtet.

Birnen, Musik und Rotwein

Die letzte Station unseres Hausrundgangs stellt eine kleine Toilette im ersten Stock des Hauses dar. «Mir ist auch ein schön eingerichtetes WC wichtig», erklärt uns der Hausherr sichtlich amüsiert und fügt hinzu, dass es zu seinen Lieblingsorten im Hause gehört. Wir gestehen, auch uns gefällt der kleine Raum mit dem Klosett. Mit den vielen Bildern an den Wänden wirkt es nämlich fast so gemütlich wie ein kleines Wohnzimmer. Nebenbei erfahren wir, dass die Bilder Erinnerungsstücke aus all jenen Orten sind, die Schindler für kurze oder längere Zeit bewohnt hat. So schmückt zum Beispiel ein kleiner Stich vom Schlosspark in Schwetzingen, einem beliebten Ausflugsziel der Schindlers aus der Heidelberger Zeit, den kleinen Raum. «Ich muss hinzufügen, dass die Wichtigkeit eines Ortes für mich nicht nur mit dem Optischen zu tun hat. Die Atmosphäre im Allgemeinen spielt dabei eine viel grössere Rolle. Gestern beispielsweise, als die Kinder im Bett waren, habe ich die Birnen aus unserem Garten geschält und mit Rotwein und Zimt eingekocht. Dazu habe ich an einem Glas Rotwein genippt und klassische Musik gehört. In solchen Momenten wird auch die Küche zu einem meiner Lieblingsorte.»

Nebst der Kunst spielt auch die Musik eine herausragende Rolle im Hause Schindler, dies verrät nicht nur das schwarze, von der Abendsonne beschienene Klavier im Wohnzimmer; auch seine beiden Töchter Seraphine und Josette verraten uns, dass sie im Chor singen, Geige spielen und wüssten, wer Mozart ist. Der einstige Cellospieler Benjamin Schindler selbst hört sehr gerne klassische Musik, wobei er auch von Jazz angetan ist. «Ich mag es, im Wohnzimmer am Abend noch etwas Musik zu hören», fügt er hinzu.

Zu guter Letzt erhalten wir noch ein Gläschen Weisswein, selbst gemachtes Gebäck und die Möglichkeit zu etwas Smalltalk. Wir bedanken uns herzlichst.

Zu Prof. Benjamin Schindler
Geboren: 24.07.1971
Hobbys: Garten, Zeit mit der Familie verbringen, Kochen
Lieblingsgericht: Italienische Küche
Lieblingsmusik: Klassische Musik und Jazz
Lieblingsbücher: Der Mann ohne Eigenschaften und Harry Potter

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