Mit geduckten Oberkörpern betreten wir den ehemaligen Proberaum
der Professoren Band «No Business». Wer moderne Möbel und eine leistungsstarke Heizung erwartet, wird enttäuscht. Dafür wirkt das kleine Häuschen auf dem Rosenberg einladend und bodenständig – passend zum Besitzer selbst. Kuno Schedler begrüsst uns und schliesst die nostalgische Holztür. Es ist weniger die Sehnsucht nach dem Hörsaal, sondern mehr die schöne Gegend, die ihn dazu geleitet hat, seine Zelte nahe der Universität aufzuschlagen. Die Auswahl der Stadt fiel ihm leicht – als waschechter St. Galler hat er sich in der Ostschweizer Hauptstadt immer schon wohl gefühlt.
Auf die Frage, was er als stolzer Ostschweizer aus seiner Herzensstadt abschaffen würde, weiss Kuno Schedler direkt eine Antwort: «Die Reduktion der Kulinarik auf die Bratwurst! St. Gallen hat so viel mehr zu bieten.» Nichtsdestotrotz läuft auch ihm beim Gedanken an die Ost- schweizer Bratwurst das Wasser im Mund zusammen. Ein einziges Lieblingsrestaurant besitzt er aber nicht – doch die August Bar weckt als erster Treffpunkt mit seiner heutigen Frau besonders schöne Erinnerungen.
Erinnerungen sammelt Kuno Schedler heute besonders gerne als «Gallyriker» (Schnitzelbänggler) an der St. Galler Fasnacht. Die Gallyriker ziehen vergnügt durch die Beizen und tragen ihre eigens ausgedachten Spottverse vor. «Im Schnitt haben wir etwa zwölf Auftritte à elf Minuten pro Abend – ein kleines Opernprogramm für die Stimme», sagt er.
Ungeplante Laufbahn
Aus seiner Kindheit nimmt Kuno Schedler – abgesehen von der folgenlosen
Streifkollision mit einer Vespa – nur gute Erinnerungen mit. Als ehemaliger Schüler einer Knabenschule ist er der Meinung, «Jugendliche sollten sich während der Sekundarschule nicht auf die Entdeckung des anderen Geschlechts fokussieren müssen». Gerade auf Sekundarstufe findet er eine Geschlechtertrennung überaus sinnvoll. Schedler bezeichnet seine Zeit als junger Knabe als ausgesprochen frei und unbeschwert. Wer jedoch behaupten will, das habe seinen Ursprung im mangelnden Fokus auf das andere Geschlecht, liegt womöglich falsch.
Die Kantonsschule zog er spontan dem Lehrerseminar, und die HSG einer praktischen Tätigkeit bei der Schweizerischen Bankgesell- schaft vor – Hauptgründe dafür waren jeweils (kleine) Jugendschwärmereien. So hat er, auch trotz langjährigem Kindertraum des Primarlehrers, Anfang seiner 20er-Jahre ein Studium in Bankwirtschaft aufgenommen. Wir erhaschen ein kurzes Schmunzeln. Rückblickend würde er während seines Studiums jedoch nur eines anders machen: weniger ausseruniversitäres Engagement. Neben dem Präsidium der Jungen CVP und der Mitgliedschaft in der Studentenverbindung «AV Steinacher» hat er sich im letzten Jahr seines Studiums kurzerhand entschieden, für die Nationalratswahlen zu kandidieren. Obwohl ihm diese Möglichkeiten viele Türen geöffnet haben, bedauert er, wie wenig Zeit er in das Kennenlernen anderer Kommilitonen investieren konnte. Die unüberschaubare Freizeit neben dem Studium hat er schliesslich doch noch mit einem Lehrposten als Buchhaltungs- und Deutschlehrer gefüllt. Letzterer in einer Arztgehilfinnenschule – «mit 25 eine echte Herausforderung», lacht er.
Unglücklich als Headhunter
Nach Abschluss des Studiums heuerte er unter anderem als Headhunter in Zürich an. Diese Aufgabe vermochte ihn jedoch nicht zu erfüllen, sodass er – in erster Linie wegen seiner heutigen Frau – zurück ins beschauliche St. Gallen zog. In dieser Zeit konnte sich Schedler vorstellen, für die Brauerei Schützengarten zu arbeiten – vermochte er sich doch mit deren Produkten mustergültig identifizieren. Als es daraufhin zum Gespräch mit dem damaligen CEO kam, stellte sich schnell heraus, dass es für Schedlers Profil eigentlich nur einen Job gab – und das war jener des CEOs. «Das würde mich interessieren», entgegnete Schedler damals. Der CEO musste ihn jedoch enttäuschen, da der derzeit 30-Jährige hierfür schlichtweg vier Jahre zu früh kam. In der Folge kehrte er an die HSG zurück und doktorierte – gedacht als eine Art Lückenfüllung. Bekanntlich hat die HSG Schedler bis heute nicht mehr losgelassen und Schützengarten ist lediglich nach Feierabend von Relevanz.
Den öffentlichen Sektor hat er erstmals durch seine Dissertation lieben gelernt. Was Kuno Schedler als Person ausmacht, findet er selbst auch in der Verwaltung so spannend: den Pluralismus. Während sich hierbei BWL, Recht und Politik mischen, findet er auch persönlich Geradlinigkeit besonders langweilig – je origineller und einfallsreicher, desto besser. Das trifft nicht nur seitens Musik, sondern auch in Bezug auf Forschungsarbeit zu, welche er heute vielfach als zu unoriginell einschätzt. Bereits mit der Gründung der Professoren-Bands «No Business» und «B110» (die den HSG-Song schuf) konnte er seine Liebe zur Musik verdeutlichen. Nach mehreren veröffentlichten Alben ist sein nächster Traum die
«Aufnahme eines eigenen Recordings in Nashville».
Hundeliebhaber inkognito
Wer ihm neben der Musik und sei- ner Familie immer wieder als emotionaler Ausgleich dient, ist der Familienhund «Heidi». So ist er trotz ehemaliger Abneigung doch noch froh, das «Vieh» vor drei Jahren in die Familie aufgenommen zu haben. Seine Rolle als Familienvater umschreibt er als vertrauensschenkend, freiheitsliebend und fordernd. «Ich fordere wahrscheinlich viel von meinen Kindern. Dadurch, dass ich selbst sehr viel unternehme, unterstütze ich auch, dass sie dementsprechend viel machen.» Trotz innerfamiliär stark verbreiteter Vorliebe für Musik, sieht er für eine Familienband keine Zukunft, da die Generationen schlichtweg viel zu unterschiedlich seien.
Durch seine vielen Geschäftsreisen weiss Kuno Schedler heute, in welchen Punkten die Schweiz von ihren Nachbarländern besonders stark abweicht:«Die Schweizer Verwaltung kann es sich nicht erlauben, eine Sprache zu sprechen, die man nicht versteht.» Anders als Deutschland oder Österreich sei man in der Schweiz durch ihre direkte Demokratie dazu gezwungen, stets eine einfache und allgemeinverständliche Sprache zu verwenden.
Das Stichwort Sprache hat uns zum nächsten Thema gebracht: Als Dozent des New Public Management scheint der Bezug zum SGMM für ihn nicht völlig absurd. «Ich kann das SGMM in der Praxis in so vielen Bereichen anwenden», entgegnet er. Nichtsdestotrotz sagt Schedler, dass die Entscheidung für den Posten als neuer BWL-Dozent des Assessments nicht nur seine eigene war. Obwohl er zustimmt, dass das Management-Modell alles andere als einfach verständlich ist, sieht er sich damit jedoch nicht überfordert. «Wir denken in vielen fachlichen Dingen ähnlich», betont er in Bezug auf seinen Vorgänger Johannes Rüegg-Stürm. Der anfängliche Respekt vor dem Audimax hat sich durch die von ihm mehrmals hervorgehobene, wahnsinnig nette und anständige Art der Assessment-Studierenden gelegt. «Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Studierende in die Vorlesungen kommen – und auch tatsächlich zuhören.» Trotzdem gibt er verlegen zu, dass «die Uni es leider immer wieder schafft, jungen, motivierten Studierenden die Freude an der BWL zu nehmen». Dementsprechend viel Hoffnung setzt er in die aktuelle Reformierung des BWL-Majors.
Darauf angesprochen, dass er ein möglicher Nachfolger von Rektor Thomas Bieger gewesen wäre, wird der 57-Jährige für einen kurzen Moment nachdenklich. Sodann sagt er: «Ich wäre gerne Rektor geworden, doch die Umstände haben einfach nicht gepasst.» Frustriert ist er deswegen jedoch nicht – im Gegenteil: Er ist sehr dankbar, dass Bernhard Ehrenzeller sich zur Verfügung stellte und hochgradig überzeugt davon, dass dieser für die aktuelle Situation die perfekte Person ist.
Über Diven und Cool Guys
Während Kuno Schedler dem überaus netten, anständigen, aber doch angepassten und vielleicht etwas zu CV-orientierten HSG-Studenten mehr positive als negative Attribute zuordnet, bekundet er mit der Aufzählung seiner eigenen Stärken und Schwächen mehr Schwierigkeiten. Nach langem Grübeln ordnet er seine Kommunikations- und Auftrittskompetenz als klare Stärken ein. Er habe es schon immer geliebt, vor Audienz zu sprechen: «Ich habe die grosse Gabe, mich aus peinlichen Situationen immer wieder geschickt rauszureden», sagt er lachend. Seinen persönlichen Ehrgeiz ordnet er jedoch der Schwächen-Schublade zu. Das aus dem einfachen Grund, dass er sich selbst als egozentrisch bezeichnet. «Wir Professoren sind alles Diven und wollen auch so behandelt werden.» Trotzdem schätzt er sich selbst als weich und harmoniebedürftig ein. «Ich hatte immer schon Mühe, unangenehme Befehle zu erteilen und durchzusetzen. Ich möchte lieber gefallen – und der Cool Guy sein.» Unsere Cool-Guy-Auszeichnung hat er auf alle Fälle verdient.