Beinahe zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Apartheid-Ära in Südafrika hat die Rassentrennung noch Nachwirkungen, auch in der Wirtschaft. Florian Luckes Firma Uconomy versucht, Differenzen zwischen Arm und Reich mit Komplementärwährung und Mobile Banking zu überbrücken.
Woodstock ist eine schöne Gegend. Nicht der schönste Suburb Kapstadts, und sicherlich auch nicht der reichste. Vielmehr ist Woodstock das Symbol der modernen Kultur Kapstadts, das immer mehr Vergleiche mit San Francisco und Sydney laut werden lässt. Florian Lucke wohnt seit knapp einem Jahr in Woodstock. Nicht weil er es schön findet – zumindest nicht nur –, sondern auch, weil ihn die soziale Struktur Südafrikas fasziniert. Und weil er etwas verändern möchte.
Während des Studiums kam Florian die Idee, armen Sektoren eines Wirtschaftssystems mit Hilfe eines auf Mobiltelefontechnologie basierenden Komplementärwährungssystems bei der Optimierung des Wertschöpfungsprozesses zu helfen. In armen Communities ist der so genannte Multiplikatoreffekt oft extrem tief – Geld, das in das System hineinkommt, verlässt es beinahe sogleich wieder, statt einige Male zu zirkulieren und so Mehrwert zu schaffen. Durch die Komplementärwährung soll das Geld nun an die Community gekoppelt werden, womit der Multiplikatoreffekt erhöht wird.
Südafrikas Probleme als Chance
Die wirtschaftlichen Ungleichhei-ten, die Apartheid in Südafrika verur-sachte, sind noch immer nicht ausgeglichen. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich sind derart gross, dass man von zwei unterschiedlichen Wirtschaftssystemen, von first und second economy, spricht. Damit bildet Südafrika einen beinahe optimalen Standort für die Umsetzung von Florians Idee – zumal die Region am Kap seiner Freundin sehr gut gefällt. So ziehen die beiden im Mai 2009 ans Kap der Guten Hoffnung und Florian gründet die Unternehmung Uconomy. Diese bietet ein Servicepaket, mit dessen Hilfe einerseits Kleinunternehmer ihre Geschäfte finanzieren können, indem sie Kredite in der Komplementärwährung erhalten, Kapitalgeber den Verlauf ihrer Investition andererseits genau verfolgen können. Schliesslich erlauben die Trading Points – wie die Uconomy-Komplementärwährung genannt wird – einen einfacheren geldlosen Handel als die in ärmeren Gebieten Südafrikas weit verbreitete Tauschkultur. Insgesamt soll so erreicht werden, dass Geld länger in den ärmeren Communities zirkuliert, bevor es sie wieder verlässt, wodurch mehr Wertschöpfung generiert wird.
Die Zukunft: Lancierung – und dann?
Bisher blieb es allerdings bei der Firmengründung. Erste Pilotprojekte wurden gerade erst lanciert und befinden sich momentan in einer sechsmonatigen Testphase. Florian Lucke ist jedoch zuversichtlich, dass sein Projekt funktionieren wird. Vergleichbare Systeme wie Banco Palmas in einer der ärmsten Gegenden Brasiliens oder auch die Schweizer WIR-Bank zeigen, dass ein so genanntes Bartersystem das nationalstaatliche Währungskonstrukt komplementär ergänzen kann. Vor allem am Beispiel WIR lässt sich erkennen, dass komplementäre Währungen eine kontrazyklisch-stabilisierende Ergänzung zur Währungspolitik darstellen können.
Den Break-even-Punkt von Uconomy sieht Florian in zirka zwölf Monaten. «Bis dahin sollten wir ungefähr 30‘000 Kunden haben», sagt er. Die Voraussetzungen sind durchaus gegeben. Das südafrikanische Mobilfunksystem kann die Technologie problemlos tragen und die potenziellen Kunden sind sowieso bereits mit Handys ausgestattet. «In den Armenvierteln sind Mobiltelefone echte Statussymbole, so dass bereits Kleinstunternehmer mit einem Umsatz von 250 Euro im Monat Smartphones besitzen», führt Florian aus. Es sieht also ganz so aus, als ob Florians fast schon idealistische Ziele bei der Gründung von Uconomy erfüllt werden könnten: «Denen, die hart arbeiten wollen, eine Chance zu geben, sich sowie ihre Familien und Nachbarschaften aus der Armut zu befreien.»
Florian Lucke ist 32 Jahre alt und kommt aus Berlin. Nach einer Lehre als Möbeltischler studierte er Corporate Management & Economics an der Zeppelin University in Friedrichshafen.
Uconomy hat am 22. April den zweiten Platz in einem landesweiten südafrikanischen Businessplan-Wettbewerb gewonnen. Mehr darüber sowie Informationen zu Social Investments bei Uconomy auf www.uconomy.net