Kaffeebecher in der Linken, Tasche über der Schulter, Jacke unter dem Arm, iPhone in der Rechten; es vibriert, mein persönlicher Platzfreihalter gibt mir seine Audimax-Koordinaten durch und wo ich denn so lange bleibe, will er wissen. Überhaupt pressiert’s und es klingelt und wie um Himmels willen soll ich nun die Tür – nein beide Türen – zum Bibliotheksgebäude aufdrücken, ohne den heissen Kaffee über meinen Pulli zu schütten?! Keine Panik, alles kein Problem: Willkommen an der HSG, der Uni mit einem dermassen hohen Männeranteil, dass immer einer aufmerksam genug ist, einer temporär überforderten Frau die Tür aufzuhalten und dabei sogar noch charmant zu lächeln. Erstaunlich, welch positiven Einfluss eine solch kleine Geste auf das Gemüt der gestressten Frau hat. Und dennoch sind sich dessen viele der zuvorkommenden Kommilitonen kaum bewusst – mehr aus Reflex als dem konkreten Vorsatz, sich beim Karma gut zu stellen, werden die schweren, grauen Türen offen gehalten. Ganz nebenbei minimiert die instinktive Aufmerksamkeit den kollektiven Aufwand und ist daher mindestens so sympathisch, wenn sie vom gleichen Geschlecht kommt. Ich finde es überhaupt angenehm, mich in einer Umgebung zu bewegen, in welcher Höflichkeit eine Selbstverständlichkeit ist – so lange sie aktiv geschätzt wird. Und bei aller emanzipierten Liebe zur femininen Unabhängigkeit; wenn es ums Türeaufhalten geht, bin ich stockkonservativ. Deshalb: Danke liebe Mitstudenten, dass ihr diese Tradition so selbstlos am Leben erhaltet.
Nette Geste
