Der Kampf um den Umgang mit der Geissel des Glückspiels
Tabea Wich findet die Kritik am neuen Geldspielgesetz ungerechtfertigt. Wer in der hysterischen Debatte um Internet-Zensur kurz innehält und sich besinnt, was Zensur denn eigentlich bedeutet, der erkennt, dass der Gesetzgeber lediglich das geltende Recht auf den virtuellen Raum auszudehnen versucht.
Im April 2017 wird ein Chinese wegen der Benutzung eines verbotenen Spitznamens für den Präsidenten in einem Gruppenchat zu zwei Jahren Haft verurteilt. Im Mai 2017 sperrt die ägyptische Regierung den Zugang zu 21 Nachrichtenportalen, darunter die arabische Huffington Post und Al Jazeera. Seit dem Jahr 2007 hat die türkische Regierung über 80 000 Internetseiten gesperrt, darunter Seiten wie Youtube oder Alibaba. Die Sperrung einer Seite mit «schädlichem Inhalt» bedarf ohnehin erst im Nachhinein einer richterlichen Genehmigung. Nordkorea hat für die unterdrückte Bevölkerung gleich ein eigenes Betriebssystem namens Redstar OS entwickelt. Neben anderen Eingriffen in Privatsphäre und Datenschutz integriert dieses ein System, das alle Dateien auf dem Rechner scannt. Erkennt es Inhalt, der die Stabilität Nordkoreas gefährden könnte, wird dieser umgehend gelöscht. All diese Beispiele fallen unter den Begriff der Internet-Zensur und gefährden Informations- und Meinungsfreiheit in grossen Teilen unserer Welt.
Wie in Nordkorea?
Wer sich auf die Homepage der Gegner des neuen Geldspielgesetzes begibt, wird von einem fingierten Chat begrüsst, indem eine Seite das neue Gesetz mit «wie in Nordkorea» kommentiert. Stellen wir also gegenüber: 1. Die nordkoreanische Regierung hat ein eigenes Betriebssystem entwickelt, um ihre Bevölkerung optimal ausspionieren und kontrollieren zu können. 2. Die Schweizer Regierung hat ein Gesetz entwickelt, welches im Internet die gleiche Kontrolle über Glücksspiel zu erreichen versucht, wie auf dem eidgenössischen Staatsgebiet. Doch von solchen Spitzfindigkeiten muss man sich ja nicht gleich irritieren oder aus dem Konzept bringen lassen.
Glücksspiel ist eines der ältesten Gewerbe der Welt und bereits seit Jahrtausenden mehr oder weniger reglementiert. Nach heutigem Stand existieren Spiele, deren Verlauf weitgehend vom Zufall bestimmt wird, bereits seit etwa 3000 v. Chr. Über viele Jahrhunderte hinweg war Glücksspiel vollkommen verboten, was die Menschen jedoch nicht wirklich an dessen Ausübung hinderte. Heute dürfen in der Schweiz lediglich Spielbanken mit offizieller Konzession Glücksspiel organisieren und betreiben. Und auch das Referendumskomitee möchte diese Regulierung in der Offline-Welt nicht aufheben. Es sind sich also alle einig, dass es nicht jedem erlaubt sein sollte, an jeder Ecke, jede Art von Glücksspiel zur Verfügung zu stellen. Aber online sollte dies möglich sein? Dieser Widerspruch ist für mich nicht aufzulösen. Eine Sperrung von Webseiten ist selbstverständlich ein Eingriff in Freiheitsrechte, doch ist wirklich die Informations- oder Meinungsfreiheit gefährdet? Ist die Wirtschaftsfreiheit hier über das öffentliche Interesse der Regulierung von Glücksspiel zu stellen?
Freiheitsrechte vs. Schutz
der Öffentlichkeit
Die Gegner des Gesetzes fürchten die Schaffung eines Präzedenzfalles für Internet-Zensur. Diese Sorge ist nachvollziehbar, doch kann die Angst vor übermässigem, staatlichen Eingriff in Freiheitsrechte auch nicht dazu führen, ihm alle Kontrollinstrumente zu entreissen. Die Sperrung von bestimmten pornografischen Inhalten hat schliesslich auch nicht auf direktem Wege nach Nordkorea geführt. Die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit ist immer eine schwierige Balance, doch in diesem Fall sollte die Schweiz nicht die Chance verpassen die juristische Oberhand auch in der Online-Welt zu behalten und diese nicht als rechtsfreien Raum aufzugeben.