Ordnung ist sein Leben

Universitätsdokumente, Vereinsplakate und alte prisma-Ausgaben wollen der Zukunft erhalten bleiben. Darum kümmert sich der Uniarchivar der HSG, Thomas Schwabach. prisma hat sich mit ihm in den Weiten seines Reiches getroffen.

Ein tattriger alter Greis im grauen Kittel irgendwo zwischen fünf Meter hohen Bücherregalen sortiert einzelne Bücher und kopiert Seite für Seite zwischen einem Nickerchen oder einer Tasse Tee mit einem Löffelchen voll Zucker. Sieht nicht ungefähr so unsere Vorstellung von einem Archivar aus?

Bei unserem Uniarchivar trifft dieses Bild jedoch ganz und gar nicht zu. Er ist ein junger, dynamischer Mann mit einem sehr schönen Büro, einem 30-Zoll-Bildschirm und einer riesigen Fensterfront.

Das Gedächtnis der Universität

Doch wie sieht denn nun seine Arbeit aus, wenn er nicht zwischen Regalen hin- und herwuselt? Tatsächlich ist das Uniarchiv eine äusserst dynamische Einrichtung. Thomas Schwabach führt ein Team von einem Angestellten (80 Prozent) und zwei studentischen Mitarbeitern, ferner helfen auch die Bibliotheksauszubildende und der Bibliothekspraktikant stundenweise aus. Die Hauptaufgabe des Archivs ist es, als «Gedächtnis der Universität» die HSG in ihrer Entwicklung und das Verwaltungshandeln zu dokumentieren. Dies erweist sich als hochkompliziertes Unterfangen. Schlussendlich werden nämlich nur fünf Prozent der Unterlagen archiviert; der Rest wird weggeworfen. Die Originaldokumente werden nach und nach ins Staatsarchiv transportiert. Dort können auch viele der ältesten HSG-Dokumente eingesehen werden. Für die Benutzung von Dossiers gibt es datenschutzrechtliche Sperrfristen, die der Archivar beachtet.

Der Weg zum Archivar

Um der Aufgabe voll und ganz gerecht zu werden, hat Herr Schwabach eine eindrückliche Laufbahn hinter sich und einen Doktortitel in der Tasche. Er absolvierte den Magister in Geschichte und Soziologie in Deutschland. Nach seinem Studium folgten mehrere Jahre Arbeit in Archiven in Düsseldorf, in Weinstadt bei Stuttgart und in Detmold (Lippe). Während dieser Zeit machte er die zweijährige Fachausbildung zum höheren Archivdienst mit theoretischer Ausbildung an der Archivschule Marburg (Lahn). Zufällig fiel ihm die Stellenausschreibung der HSG im Internet auf, welche ihn sehr interessierte und so dürfen wir ihn jetzt unseren Uniarchivar nennen.

Ordnung muss sein!

Thomas Schwabach verrät uns, dass man nicht nur eine gute Ausbildung mitbringen muss, um Uniarchivar zu werden. Nein, man muss nämlich auch einen «stark ausgeprägten Ordnungssinn» haben, der bei ihm zu Hause wohl ebenfalls durchdringt. Die Herausforderung liegt darin, dass man so strukturiert und ordnet, dass ein Dritter möglichst ohne Hilfe die Daten durchsuchen und das Gesuchte problemlos finden kann. Zudem muss ein Archivar ein Auge für das Wichtige haben, da Aussortieren und Wegwerfen den Beruf prägen. Also im Klartext: Man muss fähig sein, eine winzige Nadel in einem überdimensional grossen Heuhaufen finden zu können. Obwohl die Nadel eigentlich gar nicht erst in den Heuhaufen gelangen darf, weil man ja einen sehr ausgeprägten Ordnungssinn hat und somit sicherlich keine Nadel im Heuhaufen verliert.

Wir sind im 21. Jahrhundert

Ein wichtiges Ziel des 1973 geborenen Archivars ist es, möglichst alle zentralen Dokumente digital nutzbar und somit auch im Volltext durchsuchbar zu machen. So sind beispielsweise bereits alle HSG-Jahresberichte ab 1900, das HSG-Blatt seit 1977 oder auch alle prisma-Ausgaben ab der ersten Ausgabe 1959 vollständig digitalisiert worden. Für diese wichtigen Quellen sollen Benutzer zukünftig aber nicht mehr notwendigerweise ins Archiv kommen müssen. Als nächster Schritt ist die Onlinestellung mit Suchfunktion geplant. Dazu sind jedoch noch ein paar technische Hürden zu bewältigen.

Vereinsplakate sehr erwünscht

Seit Thomas Schwabach unser Uniarchiv leitet, hat sich einiges verändert. Er kann durch die Digitalisierung der Daten zügiger Auskunft geben, da der Aufwand, etwas zu finden, viel geringer ausfällt. Das Archiv ist ausserdem bekannter geworden, so dass Anfragen nicht mehr über unzählige Ecken laufen müssen, um bei Herrn Schwabach anzukommen. Die Verwaltungsmitarbeiter liefern mittlerweile weitgehend freiwillig ihre Dokumente ab. Es ist also nicht mehr erforderlich, auf die Anbietungspflicht nach dem Archivgesetz hinzuweisen. Der Service des Uniarchivs für Recherchen wird zunehmend sogar von HSG-Professoren genutzt. An dieser Stelle möchte Herr Schwabach an die Vereine der Uni St. Gallen appellieren: Plakate von Vereinen sind im Uniarchiv sehr erwünscht. So können die Vereine auf solche Affichen noch in 50 oder sogar 100 Jahren zurückgreifen. Die Entwicklung der einzelnen Vereine und deren eindrückliche Geschichte können so die Zeit überdauern. Also, packt eure Plakate und liefert sie im Archiv ab!

Archiv-To-Dos

Natürlich werden wir auch über die Archiv-No-Gos aufgeklärt. Anhand von Beispielen wurde mir aufgezeigt, was man wirklich nie und nimmer machen darf (bzw. unbedingt tun muss), wenn man Unterlagen dauerhaft aufbewahren will.

1. Heftklammern entfernen.

2. Das Papier darf auf keinen Fall in von uns geliebten und von Archivaren verachteten Plastikmäppchen aufbewahrt werden. Plastik ist nämlich säurehaltig, so dass das Papier im Laufe der Zeit angegriffen wird. Über die Jahre kann es passieren, dass die Schrift nur noch an der Folie klebt und das Papier blank ist!

3. Gummis sind absolut tabu. Sie lassen sich später vom Papier nicht mehr ablösen.

4. Auf gar keinen Fall darf Papier mit gewöhnlichem Tesafilm befestigt werden, da das Klebeband vergilbt und das Papier ebenfalls.

5. Zu guter Letzt sollte man sich professionelle, säurefreie Archivschachteln anschaffen, diese mit Tuschestiften (Tusche verblasst nicht und ist wasserfest) anschreiben und in einem möglichst gleichmässig klimatisierten Raum aufbewahren. Auch Thomas Schwabach hat einige von diesen Schachteln für seine wichtigen persönlichen Dokumente zuhause, da sie praktisch und stabil sind und so die zahlreichen Umzüge schadlos überstanden haben.

Wir haben also gelernt, dass ein Uniarchivar nicht ein alter, zittriger Mann irgendwo in einem modrigen Keller ist, der ab und zu mal Bücher kopiert und in ihnen schmökert. Viel mehr stellt unser Archiv ein dynamisches Gebilde von mehreren Mitarbeitern dar. Um Archivar zu werden, muss man eine spezielle Ausbildung abschliessen, ziemlich ordentlich sein und die Spreu vom Weizen trennen können. Vereine dürfen dem Archiv gerne einen Besuch abstatten und vielleicht verirrt sich auch sonst mal ein Student dorthin. Es ist empfehlenswert!


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