Postmoderne klingt langweilig, ist es aber nicht. Der Begriff beschreibt die Zeit der 70er- bis 90er-Jahre, die Zeit von Sex, Drugs und Rock’n’Roll. Hier ein kurzer Überblick über die wohl schrillste Zeit des 20. Jahrhunderts.
Erfunden wurde der New Wave von Punkern in den 70er-Jahren. Sie wollten mehr als eintönige Gitarren und kreischende Sänger. Für Würze sorgte der Synthesizer, der zum typischen Merkmal von New Wave wurde. Bands wie die Sex Pistols, The Clash, The Police, The Ramones oder Ultravox machten es vor. Bald schwappte der New-Wave-Groove auch auf andere Genres über. Schrill, theatralisch, glamourös und übertrieben, so war der Stil der Postmoderne. Jemand zu sein, bedeutete alles – in der Musik als auch in der Mode.
Pop-Legende David Bowie etwa, dem frau am Liebsten die Kleider vom Leib reissen würde – nicht weil er Objekt der Begierde ist, sondern weil frau sich nichts Schöneres vorstellen kann, als seine Kleider selbst zu tragen – hat es vorgemacht: mit schillernder Erscheinung in himmelblauem Anzug, den orangen Haaren und zwei unterschiedlich grossen Pupillen tritt er in seinem Musikvideo zu «Life on Mars» auf.
Grell war auch Hedonistin Grace Jones, Sängerin, Model und Schauspielerin. Mit einer Mischung aus Ekel und Begeisterung betrachten wir noch heute gerne das Abbild der androgynen Hünin. Ihr markantes Kinn, die vollen Lippen sowie der militärisch strenge und architektonische Kurzhaarschnitt wurden zu ihrem Markenzeichen. Die Jamaikanerin, die schnell mit einer Dragqueen verwechselt werden kann, galt als Muse für den allseits bewunderten Andy Warhol. Obwohl sie eigentlich Sängerin war, ist sie den meisten wohl als «May Day» aus dem James Bond-Streifen «Im Angesicht des Todes» bekannt.
Kunst
In der New Yorker Kunstszene der 60er und 70er war kein Platz für erhabene Ideale und Utopien. Als vollwertige Mitglieder der neu entstehenden Konsumgesellschaft machten Popikonen wie Andy Warhol, Roy Lichtenstein oder Robert Rauschenberg den Konsum zur Kunst – und die Kunst zum Pop. Weder Kritik noch Intellektualismus war der Antrieb dieser Bewegung, sondern die Lust am Konsum. BWLer aufgepasst! Mit dem Motto «30 are better than one» machte Andy Warhol aus einer der glamorösesten Frauen der Kunstgeschichte, da Vincis Mona Lisa, durch blosse Reproduktion einen Konsumartikel. Folgerichtig benannte er das von ihm ins Leben gerufene Atelier und Studio «Factory». Hier wurde produziert – und konsumiert. Vor allem das im Kalten Krieg von der CIA erforschte und als Droge neuartige LSD war unter den Partygästen, zu denen unter anderen Jim Morrison, Mick Jagger und auch Salvador Dalí zählten, sehr beliebt. Andy Warhol sah die Ästhetik in den Dingen des Alltags, dies kommt sowohl in einem seiner bekanntesten Werke «Campbell’s Condensed Tomato Soup» als auch an Aussagen wie: «Das Schönste in Tokio ist McDonald’s. Das Schönste in Stockholm ist McDonald’s. Das Schönste in Florenz ist McDonald’s. Peking und Moskau haben noch nichts Schönes» zum Ausdruck.
Lady Shiva – Postmodernism in der Schweiz
Lebedame, Muse, Covergirl, Freundin – Irene, wie sie eigentlich hiess, war vieles. Nach einer Coiffeurlehre im Fürstentum Liechtenstein kehrte sie dem kleinen Land den Rücken und heuerte bei einem Friseur in Zürich an. Ihr Leben verlief, wie es manchmal so läuft: «nach Feierabend machte ich damals schon ein paar Feierchen, verdiente mir einen Zuschuss», sagte Irene. Das Eine führte zum Andern: Sie bekam eine Anzeige wegen Prostitution, der braungebrannte Ritter mit Pilotenbrille, Goldkettchen und weissem Pelzmantel floh mit ihr, sie verliebte sich, schaffte für ihn an, er schwängerte und betrog sie und sie kehrte zurück nach Zürich – alleine.
Im Niederdörfli – dazumal Rotlichtviertel und Schmelztiegel der regen Zürcher Künstlerszene – zog sie vor dem damaligen Cabaret «Maxime» lüsterne Blicke auf sich. Die gross gewachsene Blondine räkelte sich in Mieder, Strapsen, High-Heels und Pelzmantel und säuselte den Männer zuckersüsse Dinge ins Ohr. Schon bald avancierte sie von der gewöhnlichen Strassenprostituierten zum Star der Zürcher Bohème. Sie war die Königin der Nacht und ihr Terminkalender stets voll. Alle begehrten und wollten sie. Der Ruhm öffnete ihr die Tore zu anderen Kreisen: Lady Shiva lernte Andy Warhol und David Bowie kennen, wurde Kunstobjekt für Fotografen und Star mehrerer Kurzfilme. Wie es das Klischee so will, brachte die Szene nicht nur neue Freuden, sondern auch neue Laster: Alkohol, Kokain und Heroin. Die schüchterne Irene versuchte sich Mut anzutrinken und Schmerz wegzukoksen. Ihr grösster Traum war es, einmal zu heiraten und weitere Kinder zu bekommen. Doch der Wunsch war ihr verwehrt: 1988 ging Irene, Göttin mancher Fantasien, nach Thailand in die Ferien. Sie war 36 als sie dort auf ihrem Motorrad frontal in einen Lastwagen knallte.
Mehr über die wilden 70er bis 90er könnt ihr bis zum 28. Oktober 2012 im Zürcher Landesmuseum (direkt beim Bahnhof) in der Ausstellung «Postmodernism» erfahren.