Die diesjährige Marketing-Einsicht hatte für Aufruhr gesorgt. Höchste Zeit, mehr über den Hintergrund der Rahmenbedingungen zu erfahren und den Kritikpunkten auf den Grund zu gehen.
Knapp zwei Monate später und die Diskussionen um die Einsicht in die Marketing-Klausur laufen immer noch. Am 5. März dieses Jahres drängten rund 350 Studierende in das Audimax, zum Teil enttäuscht, zum Teil erpicht darauf, Punkte herauszuholen. Erstes Stirnrunzeln bereitete der Umstand, dass jeweils einzeln Eintritt gewährt wurde und sich die Einsicht so unvorhersehbar hinauszögerte. Ein Jahr zuvor war die Schlange sogar noch länger gewesen, solche «Verbesserungen» sieht man allerdings nur, wenn man sie aus dem Blickwinkel der Verantwortlichen betrachtet.
«45 Minuten für nix angestanden…», kommentierte ein genervter Student. Die Studierenden schienen den Grund zu erkennen: Man solle doch endlich mehr als die 50 festgelegten Plätze vorbereiten, der grösste Vorlesungssaal der HSG fasse ja mehrere hundert Personen. So einfach sei das leider nicht, erklärt Professor Tomczak dem prisma die begrenzte Sitzordnung. Bei einer zu grossen Anzahl an Studierenden verlieren die Assistenten eher den Überblick, gerade wenn sie noch mit Einzelpersonen in Diskussionen verwickelt seien. Da steige auch die Möglichkeit zu schummeln, was man natürlich unter allen Umständen vermeiden wolle.
Dazu gehört auch, dass Unterlagen, Mäntel und Schreibzeug draussen bleiben müssen, wofür die meisten Studierenden Verständnis haben. Optimieren könne man auf jeden Fall auch diese Bedingung, merkt Florian Wussmann, Vorstand Interessenvertretung der Studentenschaft, an. Inputs wie Lernunterlagen zuzulassen, damit die eigene Prüfungsvor- und Nachbereitung verbessert werden kann, sowie grüne Kugelschreiber für Notizen bereitzulegen, habe er bei einem Gespräch mit Prof. Tomczak und seinem Assistenten einfliessen lassen. Über Social Media wie Facebook und die Studentenapp Jodel sei man sich bei der SHSG der Problematik bewusstgeworden, gleichzeitig hätten sich einige Kommilitonen direkt an ihn als Interessensvertreter gewendet. Aus diesem Grund habe er aktiv den Dialog mit den Verantwortlichen gesucht und schliesslich ein einstündiges Gespräch über die Hintergründe der einzelnen Rahmenbedingungen sowie Optimierungsvorschläge geführt.
Offene Kommunikation
29 Studierende brachten ihr Anliegen noch während der Einsicht an oder wandten sich an den Assistenten der Vorlesung, wozu man bei weitergehenden Fragen gemäss Merkblatt auch aufgefordert worden war. Nach sorgfältiger Prüfung der Anfragen wurden an drei Nachmittagen weitere Termine vereinbart und detaillierte Auskunft zur Prüfung, den Korrekturen und Lösungen gegeben. «Wir müssen solche Optionen beim nächsten Mal besser kommunizieren», meint Professor Tomczak dazu. Es reiche nicht, das Merkblatt nur in der Warteschlange durchzureichen.
Dass bei inhaltlichen Fragen sogleich auf die Möglichkeit des Rekurses und nicht des Gesprächs mit dem Professor hingewiesen worden war, überrascht ihn deshalb umso mehr. Das sei nicht die Absicht gewesen. «Es ging darum, die Einsicht effizient zu gestalten. Für die meisten Studierenden reichen 15 Minuten, um sich ein Bild ihrer Prüfungsstrategie zu machen. Dass nur eine Frage gestellt werden durfte, war jedoch ungeschickt, das werden wir in Zukunft anpassen.» Aber auch dies sei aus Zeitgründen und mit dem genannten Verweis auf weitere Diskussionsmöglichkeiten festgelegt worden. Die letztjährigen Feedbacks hatten vor allem lange Wartezeiten bemängelt, welchen man mit der diesjährigen Einschränkung entgegenwirken wollte. «Wir werden die Zeitspanne aber weiterhin optimieren», versichert Prof. Tomczak.
Im Gegensatz zu den letzten Jahren hat sich jedoch niemand bei ihm persönlich gemeldet, um die Probleme anzusprechen. Studierende sollen in solchen Situationen auch auf die Dozenten aktiv zugehen, die meisten seien dafür offen, empfiehlt er. Dies unterstreicht auch Florian Wussmann: Bei gravierenden Problemen, wenn sich beispielsweise ein Dozent weigert, die Einsicht in St. Gallen durchführen zu lassen und die Studierenden in das Büro nach Zürich bittet, soll man dies unbedingt ansprechen oder sich in solchen Fällen an die Interessensvertretung wenden, meint auch Florian Wussman.
Leider wirken sich Veränderungen erst auf die nächste Generation aus und es besteht immer die Gefahr, dass man damit über das Ziel hinausschiesst. Allerdings kann man im Vornherein nie sicher sein, dass alles wie geplant klappt. Es ist jedoch erkennbar, dass sich die Verantwortlichen die Anmerkungen zu Herzen genommen haben.
Fairplay
Viele Studierenden kritisierten nicht die Organisation der Einsicht selbst, sondern deren Rahmenbedingungen. Dahinter stand aber nicht etwa der Wunsch, diese möglichst schnell und rekursfrei über die Bühne zu bringen, sondern der Gedanke des Fairplay. Dass Diskussionen unterbunden werden sollten, war nicht primär das Ziel, obwohl es teilweise so wirkte. Das Problem sei vor allem, dass die langen Zeitspannen und Diskussionsmöglichkeiten in den vorherigen Jahren manchmal ausgenutzt wurden. Prof. Tomczaks Assistent erwähnt hierzu das Beispiel einer Studentin, die als Erste ihre Prüfung entgegennahm und nach einer zweifachen Verlängerung der Einsicht den Saal trotzdem als Letzte verliess. Solche Leute hielten mit langen Diskussionen um jede einzelne Frage die Assistenten und alle anderen Studierenden auf, die ungeduldig auf den Platz warteten.
Grosser Aufwand, enge Vorgaben
Seit gut 30 Jahren ist Prof. Tomczak für die grosse Marketingvorlesung und somit auch die Marketing-Einsicht zuständig. Letztere sei jedes Jahr von vornherein eine hochemotionale Angelegenheit, aber als mentaler Abschluss einer Veranstaltung wichtig, wie er betont. Durch die kontinuierlich steigende Zahl an Studierenden würde der Termin für beide Seiten jedoch immer unangenehmer und die Herausforderungen grösser.
Natürlich haben die Studierenden gemäss dem «Leitfaden für Dozierende: Prüfungseinsicht, Umgang mit Rekursen und Bekanntgabe von Noten» vom September 2014, welcher ab diesem Jahr öffentlich verfügbar sein wird, ein Recht auf Einsicht in ihre Prüfungen. Diese zu organisieren sei jedoch gar nicht so einfach und stelle einen grossen Aufwand dar, bestätigt auch Florian Wussmann. Prof. Tomczak konkretisiert: «Beispielsweise zählt die Zeit, die Assistenten für die Einsicht aufwenden, zu ihrer Arbeitszeit, was einen grossen Kostenfaktor für das jeweilige Institut darstellt.» Auch andere Vorgaben müssen eingehalten werden; zum Beispiel sind Musterlösungen herauszugeben, wenn es welche gab und sie für die Korrektur von Bedeutung sein könnten. Hierzu könnte man sich überlegen, die Studierenden in zwei Gruppen nach Nachnamen auf die zwei Lektionen aufzuteilen und Musterlösungen sowie Merkblatt vorgängig elektronisch zur Verfügung zu stellen.
Solche Inputs fasste auch die Studentenschaft seit 2014 in einem Dokument zusammen, welches jedoch als Handreichung zur ordentlichen Prüfungseinsicht gelten soll und keinen verbindlichen Charakter hat. Trotzdem legt auch Florian Wussmann nahe, beim direkten Gespräch mit Dozenten auch die Punkte dieser für alle zugänglichen Handreichung zu erwähnen, damit die Einsichten weiterhin optimiert werden können.
Am wichtigsten dafür ist es, dass diese ihren Zweck erfüllen, die eigene Prüfungsstrategie und -vorbereitung zu verbessern. Ob dann noch zusätzliche Punkte herausspringen, ist eher fraglich und kommt in der Vorlesung Marketing praktisch nie vor, unabhängig vom Verlauf der Prüfungseinsicht.