Über die sicherheitspolitische Notwendigkeit der von Bundesrat und Parlamentsmehrheit befürworteten 22 Kampfjets des Typs Gripen E kann man sich streiten: Dass die 3.1 Milliarden in der Luftwaffe wahrscheinlich besser investiert sind als in weiteren Panzern, die man in irgendeiner Scheune lagert und vergisst, ist verständlich. Dass es Sinn ergibt, auch zu etwas ausgefalleneren Zeiten als zwischen 9 und 17 Uhr einsatzbereit zu sein, liegt nahe. Und dass der neue Jet aus dem neutralen Schweden kommt und nicht von einem NATO-Staat macht ihn auch nicht unsympathischer. Trotzdem sollte man für die Entscheidung am 18. Mai zwei vernachlässigte Argumente – ein volkswirtschaftliches und ein finanzpolitisches – in die Waagschale werfen, bei denen die Befürworter mit falschen Zahlen operieren und die den Gripen zum Absturz bringen könnten.
„Gibst du mir, so geb’ ich dir.“
Mit dem Konzept „Offset-Geschäft“ versuchen Demokratien in der Regel, die Zustimmung für grosse Rüstungs- oder Infrastrukturprojekte zu kaufen. Wer schon nicht bereit ist, für die Sicherheit Milliarden auszugeben, soll das wenigstens für die einheimische Exportwirtschaft – für Arbeitsplätze – tun. Dem schweizerisch-schwedischen Gripen-Deal, der den Staatshaushalt mit 3.1 Milliarden belastet, sollen Gegengeschäfte im Umfang von 2.5 Milliarden entgegenstehen, davon 30 Prozent in der Westschweiz – wo es fast keine Rüstungsunternehmen gibt. Für dieses Verkaufsargument gibt es nur ein Urteil: Bullshit!
Erstens: Wer sauber rechnet, stellt fest, dass die Versprechen zum Umfang von Gegenaufträgen nie erfüllt werden. Bei der Beschaffung unserer FA-18 sollten, zum Beispiel, sollten Exporte von Christoph Blochers Firma Ems Chemie an die Summe der Gegengeschäfte angerechnet werden – obwohl sie in keinster Art und Weise mit dem Kampfjet-Deal zusammenhingen. Auch jetzt wird die Zahl bereits aufgeweicht: Gewisse Aufträge sollen doppelt oder gar dreifach gezählt werden dürfen. Müssen sie auch, denn würde die Zahl stimmen, würde Schweden im besten Fall eine halbe Milliarde an Wertschöpfung ins eigene Land holen – ein bisschen wenig, wenn man bedenkt, dass der Flieger erst auf dem Papier existiert.
Das wird deutlich, wenn man weiss, wer hinter dem potentiellen Auftraggeber der Offset-Geschäfte, der Firma Saab, steht: die Familie Wallenberg. Wer diesen Namen trägt, kontrolliert ein wirtschaftliches Perpetuum mobile zwischen Malmö und Kiruna: Ericsson, ABB, AtlasCopco, Electrolux, Enskilda Banken, SAS, 40 Prozent der börsenkotierten Industrie liegt in den Händen der Wallenbergs. Sie werden sich hüten, Aufträge nicht in den eigenen Reihen zu vergeben, sondern freiwillig in die Schweiz zu schicken. Und wenn doch, werden die Mehrkosten schlicht über den Preis an die Schweizer abgewälzt, damit die Rendite wieder stimmt.
Weiter ist die Definition eines „Gegengeschäfts“ für sich schon alles andere als ein einfaches Geschäft. Die beiden neutralen „S“-Staaten, die von Übersee bekanntlich gerne auch mal verwechselt werden, wollen in puncto Sicherheit ohnehin in Zukunft enger zusammenarbeiten. Welche Aufträge sind jetzt also tatsächlich Gegengeschäfte – und welche hätten die betroffenen Schweizer Unternehmen ohnehin erhalten?
Die zwanzig PC-21, welche die schwedische Luftwaffe kürzlich bei den Pilatus-Werken bestellt und natürlich prominent vermarktet hat, dürften wohl kaum in irgendeiner Weise für die Entwicklung des Gripen von Nutzen sein – entweder ist der Auftrag im Umfang von rund einer halben Milliarde also gar kein eigentliches Gegengeschäft, oder Schweden möchte uns einfach nur freundlich stimmen und bestellt 20 Flugzeuge, ohne dass es nötig oder kosteneffizient wäre. Sogenannte Gegengeschäfte sind deshalb die ineffizientesten und intransparentesten Feinde des freien Marktes: Armeen und ihre verlängerten Arme in der Rüstungsindustrie schieben sich gegenseitig Aufträge zu, der Steuerzahler bezahlt.
„Hüt en Rappe, morn en Rappe; git e schöne Zipfelchappe.“
Eigentlich stimmen wir am 18. Mai nicht über den Gripen an sich ab, sondern lediglich über seine Finanzierung. Diese wird über ein verschachteltes Konstrukt sichergestellt: Das Gripen-Fonds-Gesetz entnimmt dem ordentlichen Armeebudget der nächsten zehn Jahre jeweils 300 Millionen Franken, um damit bereits jetzt den Gripen vorfinanzieren zu können.
Man muss wissen: Gleichzeitig wird das Armeebudget ab 2016 um exakt die 300 Millionen aufgestockt, nämlich von 4.7 auf 5 Milliarden Franken. Es handelt sich hier also nicht um eine Vorfinanzierung, sondern schlicht und einfach um eine Staatsausgabenerhöhung. Laut Schuldenbremse muss der Staatshaushalt über einen Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichen sein, nun kann man die Ausgaben offenbar beliebig hin- und herschieben. Damit macht ausgerechnet ein SVP-Bundesrat erstmals vor, wie man mit der Schuldenbremse nicht zum Bremsen gezwungen wird, sondern voll durchstarten kann. „Hüt en Rappe, morn en Rappe“ war gestern – heute kaufen wir mit Papas Kreditkarte gleich 22 Zipfelmützen, ignorieren die Kosten fürs Waschen und Flicken – macht ja eh Mama! – und begnügen uns mit der Illusion, mit dem einen oder anderen Meter Wolle, den wir verkaufen, die eigene Wirtschaft zu retten.
Der ökonomische Grips spricht gegen den Gripen. Doch ein bisschen Gegenwind ist in der Fliegerei bekanntlich eher nützlich als schädlich.
Am 18. Mai stimmen wir über das Gripen-Fondsgesetz ab. Ein Plädoyer für die Beschaffung findest du hier.
1 Comment
Samuel
Lieber Gabriel,
Ich gestatte mir ein paar Anmerkungen.
Erstens: Offset-Geschäfte sind schön und gut, aber selbst unseren Politikern in Bern ist klar, dass diese keine Methode zur Wirtschaftsförderung sind, sprich: Jedes Gegengeschäft ist gut und nützlich, wir kaufen keine Flieger um Gegengeschäfte machen zu können, sondern um nachhaltige Sicherheit generieren zu können.
Zweitens: Die Aufrechnung der Kosten “fürs Waschen und Flicken” ist absurd aus etlichen Gründen. Eine Vollkostenrechnung über 30 Jahre ist nicht adäquat auf die unsere schnelllebige Welt, bei der neuen Putzmaschine des HSG-Abwarts wurden auch nicht die Kosten für Flüssigkeiten, Reparatur und Ersatzteile über die gesamte Nutzungsdauer von wie viel Jahren aufgerechnet? 12 oder 15 Jahren? Oder doch nur 7? Dies ist auch nicht notwenig, denn die Unterhaltskosten werden wie bisher aus dem Armeebudget bezahlt. Nur dass diese mit dem Gripen deutlich tiefer ausfallen werden, als beim veralteten Tiger und auch beim grossen F/A 18, es wird im Unterhalt also reale Einsparungen ermöglichen!
Drittens: “Man muss wissen:” Das Armeebudget wurde 2012 vom Bundesrat entgegen den parlamentarischen Räten und entgegen der SiK um CHF 300 Mio auf 4.7 Mia beschnitten, eigenmächtig! “Diese Kürzungen missachten den vom Parlament im Jahr 2011 vorgegebenen Ausgabenplafond der Armee von 5 Milliarden”(parlament.ch). Erst 2013 durch eine parlamentarische Motion “beugt” sich der Bundesrat dem Willen des Parlaments (Volkswillen!) und erhöht widerwillig auf 5 Mia Franken. Dies aber natürlich nicht mit sofortiger Wirkung sondern erst ab 2016, dass ist die von Dir, lieber Gabriel, erwähnte “Erhöhung”. Also keine Erhöhung sondern der Wille der Bundesversammlung (verspätet) umgesetzt.
Freundliche Grüsse Samuel Meier