Es ist die mit Abstand zeitaufwendigste Aktivität in deinem Leben: Schlaf. Rund einen Drittel deiner Zeit verbringst du damit. Im Schweizer Durchschnitt sind das 250‘000 Stunden oder fast 28 Jahre. Doch warum schlafen wir überhaupt?
Falls du in Biologie aufgepasst hast, weisst du, dass der menschliche Körper unseren circadianen Schlaf-Wach-Rhythmus mittels Hormonen steuert. Doch dies vermag noch lange nicht zu erklären, warum es die Evolution zulassen sollte, dass du jede Nacht stundenlang bewusstlos herumliegst. Dies mag heute vielleicht nicht mehr so stark auffallen, aber Schlaf ist doch eigentlich die reinste Aufforderung, gefressen zu werden. Warum also bloss schlafen wir?
Die Antwort auf diese Frage, die so eigentlich nur ein Kind stellen würde, ist einfach, aber ziemlich schockierend: Wir wissen es nicht! Auch im Jahre 2014 liegen wir andauernd ohne Bewusstsein herum und kein Mensch versteht so recht wieso.
Diese Einsicht erscheint im ersten Moment ziemlich brutal, nicht zuletzt, weil wir Menschen oftmals dem Dunning-Kruger-Effekt zum Opfer fallen. Unwissend über unser Unwissen glauben wir, Dinge mit denen wir vertraut sind, automatisch verstanden zu haben. Beruhigenderweise ist es jedoch auch nicht so, dass die Menschheit komplett ahnungslos wäre, was die Funktion des Schlafes angeht. Die Wissenschaft kommt dem Rätsel langsam aber sicher auf die Spur und es gibt eine ganze Reihe an erklärenden Theorien dazu – einige plausibler, andere weniger.
Acht Stunden für eine Tasse Milch
Die vermutlich am naheliegendsten erscheinende Erklärung für den Schlaf wäre das Einsparen von Kalorien. Wir kennen das Prinzip ja von Tieren, die Winterschlaf halten. Ist die Nacht für uns also einfach ein Mini-Winter?
Nein, wer schlaflos herumliegt, verbraucht zwar tatsächlich mehr Kalorien als eine schlafende Person, unser Körper ist allerdings auch in letzterem Fall aktiver als dies oberflächlich erscheinen mag. Der Schlafmechanismus ist komplex. Die «Bewusstlosenrente», also die Energieersparnis des Schlafenden gegenüber dem Liegenden beträgt unter dem Strich nur etwas mehr als 100 Kalorien pro Nacht. Das entspricht in etwa drei Dezilitern Milch. In Anbetracht dessen schliessen Forscher das Energiesparen als die primäre Funktion des Schlafes aus.
Unter acht Stunden Schlaf existiert gar eine negative Korrelation zwischen Schlafdauer und Körpergewicht. Zu wenig Schlaf erhöht nämlich die Ausschüttung von Ghrelin, einem Hormon, welches Hunger auslöst.
Darüber hinaus benötigen Tiere nach Ende des Winterschlafes explizit einen normalen Schlaf, um sich vom Schlafmangel während des Winterschlafes zu erholen – kein Witz.
Nächtliche Hirnwäsche
Doch was macht unser Körper dann, wenn sein «CEO» einmal gerade nicht zugegen ist? Es finden eine ganze Reihe regenerativer Prozesse statt, welche die Organe stärken, die Wundheilung und das Wachstum fördern.
Die derzeit vielleicht populärste Theorie stützt sich aber auf den Kausalzusammenhang zwischen Schlaf und der Leistungsfähigkeit des Gehirns. Unser Hirn scheint, wie ein Computer, ab und zu Wartungsarbeiten zum Bilden, Ordnen und Entsorgen von Informationen zu benötigen. Forscher der Universität Rochester konnten bei Mäusen immerhin schon einen konkreten und funktionalen Ablauf nachweisen, welcher diese Theorie stützt. Über den Tag sammelt sich im Denkorgan, nicht nur bei Mäusen, viel Abfall, in Form von schädlichen Stoffwechselprodukten, doch das Hirn ist im Gegensatz zu den anderen Organen nicht an das Lymphsystem angeschlossen. Die Müllabfuhr muss hier also etwas anders funktionieren – nämlich im Schlaf. Während wir tiefversunken in Morpheus Armen liegen, sinkt die Konzentration des Wachhormons Noradrenalin. Aufgrunddessen schrumpfen die Hirnzellen und das Hirnwasser kann den Abfall durch die vergrösserten Zwischenräume abtransportieren. Man kann sich das ungefähr so vorstellen, wie wenn eine Putzequipe regelmässig während unserer Abwesenheit den Müll vom Vortag aufräumen würde. – Würde das doch bloss auch für die Wohngemeinschaft gelten!
Gut gehütetes Geheimnis
Wir werden uns wohl noch etwas gedulden müssen, bis wir die Funktion des Schlafes wirklich im Schlaf verstehen. Was wir allerdings bereits heute wissen, ist, wieso wir genügend schlafen sollten.
Bitte in die Gefechtsmappe notieren: Schlafmangel führt unter anderem zu einem schlechteren Gedächtnis (Deshalb vor Prüfungen immer genügend schlafen!), Konzentrationsschwäche, schränkt die Kreativität und die Entscheidungsfähigkeit ein, erhöht den Stress, das Aggressionspotenzial sowie die Tendenz zum Drogenkonsum und kann über längere Zeit zu psychischen Erkrankungen führen.
In diesem Sinne, eine gute Nacht!