Überfüllte Bibliothek und Provisorien ohne Lüftung – beides bald Bilder der Vergangenheit. Die Universität möchte bis im Jahr 2025 in der Stadt Platz für Studenten schaffen.
Ein Abend in St.Gallen. Die Strassen sind dunkel und leer – du bist voll. Plötzlich überfällt dich dieses unangenehme Gefühl – es ziept und zieht in deiner Magengegend. Nein, du musst nicht kotzen. Du hast Hunger. Dein Weg führt dich zur UG24, dem einzigen Laden, welcher zu dieser späten Stunde noch deine Rettung sein kann. So sieht es heute aus. Geht es nach der Universität, dem Kanton und der Stadt, dann dürften wohl bald schon mehr Studenten auch tagsüber in der Nähe des besagten Geschäfts anzutreffen sein. Denn der grösste Teil der Erweiterung des Campus wird nicht etwa auf der Wiese neben der Bibliothek, sondern auf dem brach liegenden Areal neben der UG24 erfolgen – dem sogenannten Platztorareal.
Platzwas?
Das Platztorareal wird vom Magniberg, der Böcklinstrasse, dem Unteren Graben und der St. Jakobs-Strasse begrenzt. Oder für Studenten verständlicher: Vom «Dieci» aus über die Strasse sind Parkplätze – dort kommt der neue Campus hin. Auf das heutige Parkplatzareal wird er aber nicht beschränkt sein. Auch dort wo heute die «Offene Kirche» (von besagter Pizza-Produktionsstätte aus in Richtung UG24) und die daran angrenzenden Gebäude stehen, werden dereinst Studenten büffeln dürfen.
Der Platzmangel an der Universität dürfte – besonders unter Studenten – unbestritten sein. Das Hauptgebäude ist auf rund 5’000, die Bibliothek gerade einmal auf 3’500 Studenten ausgelegt. Kein Wunder also, dass in der Lernphase die Plätze in der Bibliothek so schnell weg sind, dass man sich teilweise wünscht, apparieren zu können.
Die Campuserweiterung umfasst im Sinne dieser akuten Raumnot zwei miteinander verbundene Vorhaben: Erstens wird das Bibliotheksgebäude am bestehenden Standort erweitert, sodass es für 9’000 Studenten gerüstet ist. Zweitens wird am neuen Standort Platztor ein Neubau entstehen, der Platz für rund 3’000 Studenten bieten wird. Insgesamt wird die Universität mit den Erweiterungen bis zu 9’000 Studenten fassen können, zuzüglich 3’000 Mitarbeiter.
Platznot abgeschafft – in zehn Jahren
Als Studenten werden wohl nur die wenigsten heute Eingeschriebenen die neuen heiligen Hallen der «Kaderschmiede des Kapitalismus» durchschreiten dürfen. Wahrscheinlicher schon wäre da das Szenario, dass gewisse diesjährige Assessies dereinst ihre erste Position als Dozierende im frisch eröffneten Gebäude antreten können. Der Abschluss der Bauarbeiten ist auf 2025 geplant.
Das Vorgehen wurde von den verantwortlichen Instanzen minutiös in einem Zeitplan festgehalten (siehe Tabelle). Der erste Schritt in Richtung Ausweg aus der Platznot wurde bereits gemacht. Das Stadtparlament hat das sich bisher in Stadtbesitz befindliche Platztorareal an den Kanton verkauft. Jetzt steht der Masterplanung nichts mehr im Wege – ausser vielleicht einige private Landbesitzer, denen die Parzellen am Magniberg gehören. Rund um den Landverkauf hat sich eine Kontroverse in der St.Galler Öffentlichkeit entwickelt. So berichtet das Ostschweizer Kulturmagazin «Saiten» von undurchsichtigen Machenschaften im Zusammenhang mit Besitzerwechseln der Parzellen am Magniberg, und auch die «Offene Kirche», welche der Universität weichen muss, befand sich noch vor nicht allzu langer Zeit im Inventar der schützenswerten Bauten. Wie viel wird der Neubau kosten? Noch können die Kosten des Neubaus nicht abgeschätzt werden, da noch kein genaues Projekt vorliegt. Finanzieren sollen es neben der öffentlichen Hand auch Private – vielleicht gibt es anstatt einer blauen Türe auf dem Campus à la Lehrpavillon ein neues blaues Uni(-lever)-Gebäude.
Runter vom Berg
Kurze Gehdistanzen, aktive Vereinslandschaft, soziale Kohäsion: Die Universität St.Gallen ist weitherum bekannt für ihre Campuskultur und rühmt sich auch gerne selbst für diese. Doch ist ein Campus aus zwei Gebäuden, die durch einen Kilometer Stadt getrennt sind, noch ein Campus? Laut der Universität ja; denn sie definiert «Campus» so, dass die Gebäude durch eine maximale Gehzeit von 15 Minuten getrennt sein dürfen. Diese Vorgabe ist klar erfüllt. Positiver Nebeneffekt: Das mit dem Fussmarsch verbundene Treppensteigen dürfte zudem gleichzeitig zur Entleerung der Sporthallen beitragen.
Warum will die Universität überhaupt runter vom Berg? Einerseits soll das Quartier Rotmonten entlastet werden. Die Verkehrsbelastung soll sinken und momentan belegter Wohnraum (zum Beispiel an der Bodanstrasse) soll wieder frei werden. Andererseits sollen die noch verbleibenden Reserven an Land auf dem Rosenberg geschont werden. Ausserdem wäre eine Erweiterung um den bisherigen Campus allein nur mit einer «hochverdichteten Bauweise» möglich gewesen.
Ein Ausbau von vielen?
Dieses Semester sind rund 8’000 Studenten an der HSG eingeschrieben. Der erweiterte Campus soll wie erwähnt für maximal 9’000 Studenten Platz bieten. In den letzten Jahren hat die HSG einen massiven Zuwachs an Studenten erlebt. Dennoch geht die Universitätsleitung davon aus, dass sich die Anzahl Studenten bis 2020 bei 9’000 einpendeln wird. Unter anderem greift die Universitätsleitung bei ihren Prognosen auf die bevorstehenden demografischen Veränderungen zurück. Die Kinder der Babyboomer-Generation werden bald nicht mehr an die Universitäten drängen.Ganz sicher scheint sich die Universität dennoch nicht zu sein im Bezug auf ihre hellseherischen Fähigkeiten. Nicht umsonst ist ein gewichtiger Grund für den Neubau in der Stadt auch die Schonung der vorhandenen Landreserven – damit noch Platz ist, falls doch noch mehr Studenten die HSG stürmen.
Bedenken ausräumen
Bei einem solch grossen Bauvorhaben mitten in der Stadt sind Bedenken vorprogrammiert. Seien es Anwohner oder Einwohner, künftige, aktuelle und ehemalige Studenten – einfach gesagt: Alle, die es interessieren könnte, was am Platztor mit der HSG geschieht; sie alle sind interessiert, denken mit und können sich auf einer eigens dafür eingerichteten Online-Plattform über den Stand der Dinge informieren und auch mit den Verantwortlichen interagieren. www.zukunfthsg.ch im Browser eintippen und schon ist man auf dem aktuellen Stand der Dinge – zumindest was die offiziellen Verlautbarungen angeht.
Bilder: Hannes Thalmann / Universität St.Gallen
Tabelle: Kanton St.Gallen
1 Comment
Dudley
Wer wünscht sich nicht auch sonst apparieren zu können…